Ein Leben ohne Musik? Nicht vorstellbar!
Muttertagskonzert der Musikschule Fulda
Fotos: Jutta Hamberger
12.05.2025 / FULDA -
Wenn die Fuldaer Musikschule Konzerte gibt, stehen in der Regel die Schülerinnen und Schüler im Mittelpunkt. Am heutigen Muttertag aber präsentierten sich die Lehrkräfte. Eine großartige Gelegenheit, ein Konzert von Altsaxophon bis Zither und von Bach bis Gershwin zu erleben – genauso vielfältig, wie unsere Musikschule und ihre Lehrerinnen und Lehrer eben sind.
Ein Leben ohne Musik? Nicht vorstellbar!
In ihre Begrüßung wies Musikschulleiterin Natalya Oldenburg auf die zentrale Rolle von Musiklehrern hin und sagte: "Ja, Beethoven und andere waren Genies, aber wären sie das auch geworden, wenn Lehrer nicht sehr früh ihr Talent erkannt und gefördert hätten?" Nicht jedes Kind müsse zum musikalischen Genie werden und Preise einheimsen, viel wichtiger sei, wenn Lehrer vermitteln, dass Musik etwas für’s ganze Leben ist. Alle Lehrkräfte der Musikschule seien gefragte Orchestermusiker und leidenschaftliche Pädagogen. Musiker und Musiklehrer eben, die das Programm für dieses Konzert zusammengestellt hätten. "Freuen Sie sich auf ein ereignisreiches Konzert", so Natalya Oldenburg. Barocke Perlen
Das Programm begann mit zwei Sätzen aus Johann Sebastian Bachs Triosonate in c-moll aus dem Musikalischen Opfer – Stephanie Vautz (Flöte), Karolina Birkstedt (Violine), Symeon Rizopoulos (Fagott) und Renate Hunold (Klavier) spielten es ausdrucksstark und klar. Wie schön, im Allegro zu spüren, dass auch in Bach Swing steckt, oder genauer, in den Musikern, die diesen Satz spielen! Ein ungewöhnliches Stück war Silvius Leopold Weiss‘ "Tombeau sur la mort de Mr. Compte de Logy", ein musikalisches Grabmal also für den 1721 verstorbenen böhmischen Komponisten. Eine typisch barocke Trauermusik, mit klagender Harmonik und chromatischen Linien. Weiss war der gefragteste und berühmteste Lautenist des 18. Jahrhunderts. Am Hofe August des Starken in Dresden war er der bestbezahlte Musiker. Er schrieb nur für die Laute, am heutigen Abend wählte Johannes Schubert eine Transkription für Zither.Bachs Arie "Doch weichet, ihr tollen, vergeblichen Sorgen!" aus der Kantate BWV 8 ist ein anspruchsvolles Stück, ganz besonders für die Traversflöte (ein Vorläufer unserer modernen Querflöte). Man braucht sehr viel Luft für die langen Läufe, Christina Mackenrodt meisterte das bravourös. Carsten Rupp, der normalerweise eine ganze Winfridia dirigiert, sang die Partie des Bassbariton mit warmem, vollem Klang, Johannes Schubert begleitete auf der Zither.
Ein Hauch von Oper
"Si, mi chiamano Mimi" ist eine der bekanntesten Arien aus Pucchinis "La Bohème". Sie erklingt im ersten der vier Bilder der Oper. Kurz vorher hat Rodolfo sein "Che gelida manina" gesungen – nun antwortet Mimi ihm und erzählt von ihrem Leben und ihren Träumen. Es ist ein zentraler Moment der Oper, denn genau hier verlieben sich Mimi und Rodolfo und singen dann gemeinsam "O soave fanciulla". Sophie Hunold ist ein Gewächs der Musikschule Fulda und studiert inzwischen in Freiburg, war aber für das Konzert in ihre Heimatstadt gekommen. Wunderbar drückte sie die Schüchternheit und Faszination Mimis aus – und sang mit kraftvoll-ausdrucksstarkem Sopran. Ihre Mutter Renate Hunold begleitete sie am Klavier. Schade nur, dass die junge Künstlerin so schnell von der Bühne verschwand, das Publikum hätte ihr gern noch minutenlang Beifall gespendet!Es folgte Fritz Kreislers "Marche miniature viennoise", ein Stück, das in Musik gegossener Wiener Schmäh ist. Da hatten Publikum und Karolina Birkstedt (Violine), Maksim Fedcenko-Pietsch (Cello) und Natalia Geras (Klavier) gleich viel Spaß.
Tango Argentino
Heitor Villa-Lobos "O canto do cisne negro”, der Gesang des schwarzen Schwans, bezieht sich auf die Legende vom letzten Lied des sterbenden Schwans – ein schöner, brasilianisch gefärbter Tod. Das Stück gibt es in unterschiedlichen Bearbeitungen, in Fulda erklang eine für Harfe und Kontrabass – Mónica Rincón und Christian Undisz brillierten darin.George Wagner und Klaus Schenk (Gitarre und Percussion) spielten dann den "Tango Nr. 3” und "11 Freunde”, Wagner verbindet in beiden Stücken Tangoformenm mit zeitgenössischer Improvisation. Beide Stücke sind hervorragende Beispiele für Wagners unkonventionelle Tonsprache.
Tango Nuevo
Der amerikanische Jazzgitarrist Ralph Towner schrieb das Stück "The Reluctant Bride”, es basiert auf einer Figur aus Shakespeares "Der Sturm”. Jazzgitarre, klassische Gitarre und rhythmische Flexibilität zeichnen das Stück aus – Daniel Nikolas Wirtz trug es fast versonnen vor. Dann spielte Wirtz Carlos Gadels "Por una cabeza” – die Kopflänge des Titels bezieht sich auf Wetten im Pferdesport, bei denen ein Pferd um eine Kopflänge siegt oder eben auch nicht. Gadel überträgt dieses Bild auf die Beziehung zu einer Frau. Um innere Widersprüche und riskante Entscheidungen also geht es in diesem sehr bekannten Stück, das auch in zahlreichen Filmen zu hören ist, so z.B. in "Der Duft der Frauen” (1992), "Schindlers Liste” (1993) oder "Titanic” (1997).Noch einmal gab’s Astor Piazzolla mit "Oblivion”, einem langsamen Tango – wunderschön, und immer haarscharf am Kitsch vorbei. Carolina Ehret (Violine), Maksim Fedcenko-Pietsch (Cello) und Marina Gajda (Klavier) genossen das Spielen, auch im zweiten Piazzolla-Stück, "La Muerte del Angel”, einem seiner frühen Werke. Das ist besonders interessant, weil es wie eine Fuge beginnt und die Streichinstrumente abwechselnd ‘singen’.
Summertime, and the living’s easy
Mit einer Auswahl von Stücken aus George Gershwin "Porgy and Bess” endete das Konzert. Die Musiker von Sax4Elements mit Yvonne Roth-Wächter boten die Stücke stilsicher und feurig da, es war ein Genuss, ihnen zuhören. Natürlich erklang auch "Summertime”. Am Ende einer Woche, die mit einer fast verpatzten Kanzlerwahl, einer positiv überraschenden Papstwahl und vielfältigem Gedenken an den 80. Jahrestag des Zweiten Weltkriegs endete, möchte ich Ihnen eine dänische Geschichte über "Summertime” mit auf den Weg geben. Wir sind mitten im Zweiten Weltkrieg, im von Deutschen besetzten Dänemark. Das Königlich Dänische Theater in Kopenhagen spielt »Porgy and Bess« am 15. März 1943 erstmals in Europa. Ein starkes Polizeiaufgebot schützt die Aufführung vor dem Zugriff der Gestapo. Drei Wochen lang läuft das Werk des Juden Gershwin über Schwarze in Amerika, im Hassjargon der Nazis eine "jüdische Negeroper mit Urwaldgeschrei". Dann wird die Oper verboten, aber "Summertime" wird zum Lied des Widerstands gegen die Besatzung.
Am Ende des knapp zweistündigen Konzerts bedankte Musikschulleiterin Natalya Oldenburg sich bei Publikum und Kollegen mir Rosen. Das tat auch das Publikum, mit Standing Ovations verabschiedete es die Musiker im voll besetzten Fürstensaal. Was für ein schöner Sonntagnachmittag! (Jutta Hamberger) +++