Klostergespräch am Frauenberg

Steigt die Gewaltbereitschaft auch in Osthessen? Polizei steht Rede und Antwort

Thema beim Klostergespräch - Steigende Gewaltbereitschaft auch in Osthessen?
Fotos: Rene Kunze

30.04.2025 / FULDA - Immer wieder sind schreckliche Gewalttaten in den Schlagzeilen. Wie es um die Sicherheit in Osthessen tatsächlich bestellt ist, war am Dienstagabend Thema der Klostergespräche am Frauenberg in Fulda. Denn: Unsere Region gehört zu den sichersten in Hessen. Das machte Polizeipräsident Michael Tegethoff mit einem Blick auf die Zahlen deutlich.



Zahlreiche der benannten Daten sind der Polizeilichen Kriminalstatistik zu entnehmen. Diese wurde kürzlich der Öffentlichkeit vorgestellt. OSTHESSEN|NEWS berichtete. Neu: die konkreten Einblicke in Body-Cam-Aufnahmen von Beamten. So waren die Gäste des Gesprächs hautnah am polizeilichen Geschehen.

Pater Cornelius Bohl, Guardian des Frauenbergs, begrüßte die zahlreich erschienen Gäste, genauso wie Tegethoff und Polizeihauptkommissar Alexander Sawatzki vom Stabsbereich Prävention des Präsidiums. "Es sind nicht nur die materiellen Werte, sondern auch die geistigen, die es zu verteidigen gilt", erklärte er zu Beginn. Ein Slogan seiner Jugendzeit: "Die Polizei - dein Freund und Helfer". Heute klinge dieser Satz antiquiert.

Die Polizei - dein Freund und Helfer?

Richtig sei er aber nach wie vor. Bohl berichtete von einem schon einige Zeit zurückliegenden Erlebnis: "Eine Frau war von ihrem Freund oder Lover an der Autobahn einfach ausgesetzt worden. Wir haben hier im Kloster eine Notunterkunft und so rief ein Beamter an", erinnerte er sich. Polizeilich habe in dieser Situation kein Handlungsbedarf bestanden. Dennoch habe der Beamte die Frau nicht mitten in der Nacht alleine stehen lassen wollen und sich so an das Kloster gewandt. Ein schönes Beispiel für den Leitsatz der Einsatzkräfte.

Zu den Zahlen: In Osthessen verzeichnete die Polizei in der Statistik für das vergangene Jahr 4.150 Straftaten pro 100.000 Einwohner. Damit belegt die Region im hessischen Ranking den zweiten Platz. Der hessische Schnitt liegt bei 6.046 Straften pro 100.000 Einwohner. "Von den harten Zahlen sind wir eine sichere Region. Auch wenn viele Menschen das anders empfinden", erklärte Tegethoff. Dennoch gelte es, auch das Sicherheitsempfinden in den Blick zu nehmen.

Sicherheitsgefühl oft weit von den klaren Zahlen entfernt

Das sei oft weit von den tatsächlichen Zahlen entfernt. Keine unwesentliche Rolle spielen dabei auch die Medien, politische Debatten, wie auch die Annahme, dass bundesweite Trends auch auf Osthessen zutreffen. Und: Je mehr Menschen mit einem anderen kulturellen Hintergrund in das Land kommen, umso mehr steigt auch die gefühlte Unsicherheit. "Das ist nun mal so", konstatierte der Polizeipräsident. Klar ist für ihn aber auch: "Man darf nicht pauschal verurteilen". Genauso müsse gesagt werden, eine hundertprozentige Sicherheit werde es nicht geben.

"Die Zahlen im Bereich der Gewaltkriminalität unterliegen immer Schwankungen", sagte Tegethoff. Zu diesem Feld zählen Mord und Totschlag, genauso wie etwa Körperverletzung und Raub. Ein zunehmender Trend lasse sich dabei in Osthessen nicht beobachten. 392 Tatverdächtige hatte die Polizei zuletzt ermittelt. 89,5 Prozent davon waren Männer.

Der Anteil nicht deutscher Tatverdächtiger liege hier bei 40,8 Prozent. 10,9 Prozent der Bevölkerung sind nicht deutsch. Sind Ausländer also überproportional straffällig? Alleine von dieser Zahl ausgehend, ist die Antwort ja. Doch es gibt ein Aber: "Man muss genau schauen, was diese Zahlen bedeuten". So spiele etwa auch das Umfeld und die soziale Situation eine entscheidende Rolle. "Ist man über Jahre in Notunterkünften auf engstem Raum zusammen, kann das auch ein Faktor sein", erklärt Tegethoff.

Überwiegende Mehrheit der Straftaten im öffentlichen Raum sind Diebstahlsdelikte

Die Sicherheit im öffentlichen Raum in den Blick nehmend, legte der Polizeipräsident einen Fokus auf das Verhältnis der hier auftretenden Straftaten. Mehr als 85 Prozent davon seien Diebstahlsdelikte. Auch ein Schlagwort: Messerkriminalität. Aktiv eingesetzt worden sei ein Messer in der Region in zehn Fällen. Dem wolle man etwa mit Messerverbotszonen begegnen. Wer kein Messer mit sich führt, kann es im Streit auch nicht zücken.

"Natürlich verhindert so ein Verbot nicht, dass ein radikalisierter Täter zum Messer greift", dennoch könne man durch stichprobenartige Kontrollen schon einigen Fällen entgegenwirken. Und einen weiteren Vorteil hat die Einrichtung dieser Zonen für die Ermittler: "Wir können ohne einen konkreten Verdacht kontrollieren, nach persönlicher Erfahrung, ohne dass wir etwa erst sehen müssen, wie ein Päckchen von einem zum anderen geschoben wird".

Body-Cam-Aufnahmen zeigen: Beamte werden angeschrien, beschimpft, angegriffen

Ein Themenfeld, das Tegethoff persönlich bewegt, ist die Gewalt gegen Einsatzkräfte. "Der Ton wird zunehmend rauer", merkte er an. Eindrucksvoll zeugten davon Body-Cam-Aufnahmen von Einsatzkräften, die dem Publikum vorgespielt wurden. Beamte werden angeschrien, bedroht, einige Täter werden handgreiflich. Auffallend bei den gezeigten Aufnahmen: Die Polizisten reagieren weitestgehend gelassen. Das sei auch auf die gute Ausbildung zurückzuführen. Das Täterprofil in diesen Fällen seien im Übrigen zu zwei Dritteln deutsche Staatsangehörige. "Es gibt da keine besonders auffällige Gruppe", meint er.

Stattdessen beobachte er, dass Respektlosigkeit allgemein zunimmt. Das führt Tegethoff auf einen Wertewandel in der Gesellschaft zurück. "Viele pochen auf das eigene Recht, rücken den eigenen Vorteil in den Vordergrund. In Gruppen solidarisieren sich Unbeteiligte gegen die Polizei", konstatierte er. Auch hier machte er die politische Stimmung, aber genauso das Klima in sozialen Netzwerken verantwortlich. Teils werde der Polizei hier offen Rassismus unterstellt.

Rassismus-Unterstellung Schlag ins Gesicht aufrechter Polizisten

Besonders in Erinnerung sei ihm dabei die Demonstration um den Tod des Afghanen Matiullah. Er war im April 2018 von Beamten erschossen worden, nachdem er diese mit einem von ihnen entwendeten Schlagstock angegriffen hatte. Ermittlungen gegen die Beamten waren eingestellt worden, nachdem das Landeskriminalamt zu dem Schluss gekommen war, dass sie aus Notwehr handelten. "Auf dieser Kundgebung nun immer noch von Polizeigewalt und rassistischen Taten zu sprechen, das weckt auch bei mir Unmut im Bauch", so Tegethoff.

Polizeihauptkommissar Alexander Sawatzki arbeitet Stabsbereich Prävention des Präsidiums und ist außerdem Einsatztrainer und Schießausbilder. Für ihn ist klar: Der Griff zur Waffe ist eine Ultima Ratio. Sein Leitspruch: "Das effizienteste Einsatzmittel ist nach wie vor Kommunikation". Dennoch sei er Befürworter von Ausrüstungsgegenständen, wie etwa dem Taser. Die Sichtbarkeit von diesem, genauso wie von Bodycam, Schlagstock und Schusswaffe, wirke in vielen Fällen deeskalierend.

Um Gewalt, auch gegen Einsatzkräfte, entgegenzuwirken, besucht Sawatzki Schulen, aber auch Deutschkurse. "Einige Menschen kommen aus Ländern, wo die Polizei nicht Freund und Helfer ist. Ich erkläre dann unsere Arbeit, unsere Rechte und Pflichten, genauso wie die Rechte und Pflichten meines Gegenübers", so Sawatzki. Besonders an Schulen versuche er zu vermitteln: "Respekt ist keine Einbahnstraße". (Moritz Bindewald) +++

X