Rundgang durch zwei große Hallen

Ein Fest in der neuen Ausstellung "Contemporary Kenya" der Kunststation

Nach der Vernissage zur Ausstellung "Kunst aus Kenia vor drei Wochen, gab es am letzten Samstag in der Kunststation in Kleinsassen (Hofbieber) dazu ein gut besuchtes, fröhliches Multikulti-Festival.
Fotos: Hanswerner Kruse

20.01.2025 / HOFBIEBER - Nach der Vernissage zur Ausstellung "Kunst aus Kenia vor drei Wochen, gab es am letzten Samstag in der Kunststation in Kleinsassen (Hofbieber) dazu ein gut besuchtes, fröhliches Multikulti-Festival.



"Maleika" oder "Halleluja", die in Osnabrück lebende kenianische Sängerin Joy Wendo sang erneut afrikanische und westliche Songs, die ihr Freund auf der Gitarre begleitete. Aus Fulda kamen kulinarische Köstlichkeiten wie frittierte "Bajio" oder knusperige "Sambusa". Nachdem die Kunststation lange gesucht hatte, stieß sie hier tatsächlich auf das Catering "Upondo African Dishes" der Kenianerin Rosemary Wdiaka. Man konnte auch große rustikale Tontöpfe aus Kenia gegen Spenden mitnehmen und der Weltladen bot afrikanisches Kunsthandwerk an.

Wieder einmal machte die Kunststation mit ihrem regionalen Bezug deutlich, dass sich deren Arbeit nicht im luftleeren oder elitären Raum bewegt. Eingeladene Gäste stellten Initiativen aus Kerzell vor, welche kenianische Straßenkinder betreuen oder gegen die Beschneidung von jungen Mädchen kämpfen. Zur Veranstaltung wurde ein weiterer kleiner Schauraum eröffnet, der bis zum Ende der Ausstellung über die soziale Situation und die helfenden Projekte in dem ostafrikanischen Land informiert.

Ein Rundgang durch die Ausstellung in Kleinsassen

In zwei großen Hallen präsentiert die Kunststation zeitgenössische künstlerische Arbeiten aus Kenia, die alle verkäuflich sind. 13 Kunstschaffende bewegen sich in "Grenzräumen zwischen Tradition und Moderne" (Titel), nutzen afrikanische Elemente und hinterfragen kritisch westliche Einflüsse.

Ein kleines schwarzes Mädchen, in viel zu weiten High Heels, hebt skeptisch ein Brett an, welches verkündet: "I can’t." Doch im Hintergrund widersprechen auf eine Mauer gekritzelte Kinder: "Yes, you can!" Berechtigte Träume, "Valid Dreams", heißt das emblematische Materialbild von Murrel Alouch. Ästhetisch engagiert sich die Künstlerin für die Stärkung von Frauen und deren Rollenwandel. Sie ist nicht die Einzige. Die überraschend vielen Künstlerinnen dieser Schau befassen sich – neben anderen Themen – mit weiblicher Identität in ihrer patriarchalischen Gesellschaft.

Nadia Wamunya ist gehörlos und malt vom Bildhintergrund isolierte, meist fragmentierte Frauen mit tänzerischen Bewegungen. In ihren dynamischen Arbeiten demonstriert sie, dass unvollkommen erscheinende Körper sich frei und sicher bewegen können. Sie möchte Mädchen in ihrem Selbstwertgefühl stärken. Dagegen changiert die international bekannte Künstlerin Tabitha wa Thuku zwischen expressiver Gestaltung und magischem Realismus, zeigt in ihren zarten, poetischen Bildern auch Frauen in Bewegung.

Radikal zersetzt Anne Mwiti künstlerisch die schweigsame Rolle der Kenianerinnen und die von ihnen geforderte klischeehafte Körperlichkeit. Eine Frau in gestoppter, unbändiger Bewegung scheint bersten zu wollen; noch ist sie gefangen – wird aber gleich ihren Rahmen sprengen. "Nun habe sie ihre Stille gefunden" ist der sarkastische Titel des Werkes.

Doch die Künstlerin kämpft nicht nur gegen soziale Dressur, sondern setzt sich auch mit den Ursprüngen ost-afrikanischer Kunst auseinander: "Lange Zeit glaubte man, dass es in Afrika keine Malereien in nennenswertem Umfang gibt, vor allem, weil man sie auf der Haut der Menschen, an Hauswänden und Felsen fand, die allesamt keine Sammlerstücke waren" (Mwiti). Ihre großen abstrakten Schwarz-Weiß-Gemälde wurden von Körperbildern der Maasai inspiriert, die sie bewahren und individuell weiterentwickeln will.

Es ist die Verbindung von subjektiven und kollektiven Themen, die die Kunstschaffenden in ihren Arbeiten leisten. Traditionelle Bildwerke, Masken und Skulpturen waren ja immer in Überlieferungen und Rituale eingebettet. Kunst existierte nicht an sich oder als Ausdruck individueller Befindlichkeit.

Im letzten Jahr bot die Biennale in Venedig vielen Kreativen aus dem "globalen Süden" ein Forum für Objekte unterschiedlicher Qualität. Daran knüpft auch die Kunststation an, zeigt keine exotische oder folkloristische Schau, sondern moderne ost-afrikanische Kunst von hoher künstlerischer Qualität sowie radikaler Kritik an sozialen und kulturellen Prozessen. Die Bandbreite der Kunstschaffenden reicht von wenigen Autodidakten bis zu international Studierten. Etliche Künstlerinnen wurden von ihren Familien gefördert.

Von vielen wird der kenianische Alltag thematisch aufgegriffen, einige der Künstlerinnen und auch Männer zeigen – im jeweils eigenen Stil – arbeitende Frauen. Tabuisierte Themen wie Sexarbeit oder Homosexualität werden leider nur in zwei Bildern angedeutet, obwohl es radikalere künstlerische Auseinandersetzungen mit diesem Thema gibt. Doch die Wandbilder wurden durch die polnische EAAE-Galerie ausgesucht und zur Verfügung gestellt. Dadurch fehlt wohl auch dokumentarisches Material über experimentelle Installationen oder Straßen-Performances kenianischer Kunstschaffender.

Ein Highlight der Schau sind Dennis Muraguris riesige Holzschnittdrucke grell bemalter "Matatus", die auch real so aussehen: Diese Minibusse und Kleintransporter mit Porträts von Prominenten und popkulturellen Motiven spiegeln den urbanen Zeitgeist wider.

Interessant sind Leezie Kiambis heitere "Porträts" im Stil zwischen Pop-Art und Comicstrips. Ihre mal fröhlich, mal griesgrämig dreinblickenden Gestalten mit dicken Lippen sollen diejenigen trösten, die vom Leben gebrochen wurden. Sie will ausdrücken, was mit Worten nicht zu fassen ist. Jedoch bestehen gerade ihre poetischen Titel aus Worten wie: "Ich trage ein Biest, einen Engel und einen Verrückten in mir."

Die Ausstellung ist noch bis zum 2. März donnerstags bis sonntags von 13 bis 17 Uhr geöffnet. (Hanswerner Kruse) +++

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