Dampfzug-Nostalgie auf Schienen

Sie schnauft und faucht, aber sie schafft noch locker ihre 110 km/h

Eine Majestät hält Einzug im Bad Hersfelder Bahnhof: die Glauchauer „23 1097“ auf dem Weg nach Fulda
Fotos: goa

23.12.2024 / REGION - Schneller, höher, weiter – gerade in der Mobilität ist High-Tech gefragter denn je. Einen wunderbaren Gegenpol bieten bundesweit einige Eisenbahnenthusiasten mit Dampfzugsonderfahrten, wie am Samstag auf der Strecke von Schwalmstadt-Treysa über Kassel, Rotenburg, Bebra und Bad Hersfeld zum Weihnachtsmarkt nach Fulda. Mehrere hundert Passagiere an Bord der historischen Waggons erlebten die Magie der unverwüstlichen Dampflok "23 1097" mit ihren 1.800 PS. Nostalgie, die man sehen, hören, fühlen und riechen kann.



Die Eisenbahnfreunde Treysa verfolgen eisern - um im Bild zu bleiben - ein Ziel: ihre vereinseigene Dampflok soll nach einer gründlichen Restaurierung wieder in Dienst gestellt werden – ein Unternehmen, das ungezählte Arbeitsstunden in Eigenleistung und vor allem größere Investitionen erfordert. Bis dieses Ziel erreicht ist, wird der Fuhrpark der eigenen Waggons von Dampfloks befreundeter Vereine gezogen – wie am Samstag. Die eindrucksvolle "23 1097", gebaut 1959 vom VEB Lokomotivbau in Babelsberg in der DDR, bringt es samt Tender auf 138 Tonnen Gewicht. Ihre 1.800 PS schafften 110 km/h – eine für damalige Verhältnisse rasante Geschwindigkeit. Pünktlich (!) erreicht der Sonderzug am Samstagmittag auf dem Weg nach Fulda seinen Zustiegs-Bahnhof Bad Hersfeld. Hier gibt es auf Gleis 5 "technische Nahrung" in Form von 13 Kubikmetern Wasser. Da es heute an den Bahnhöfen keine "Wasser-Tankstellen" mehr gibt, springt die Feuerwehr ein: Fahrzeugführer Andre Oldenburg, zugleich Hersfelder Jugendfeuerwehrwart, und Maschinist Dorian Pfaff stehen bereit, um den Wasserwaggon aus dem Hydranten zu befüllen. Oldenburg steht selbst der Nostalgie nah – in Alsfeld ist er Teil der Feuerwehr-Oldtimerfreunde.

Hoch oben auf der majestätischen Lok gewähren uns Lokführer Lars Henschke und Heizer Jacob Freyer Einblicke in ihre Leidenschaft. "Unter Dampf durch die Landschaft zu fahren, das ist einfach wunderschön, besonders im Winter, wenn es noch intensiver dampft", schwärmt Henschke, der seit zehn Jahren Lokführer ist und seit sechs Jahren in Glauchau Dampfloks fährt. Auf die Frage, auf welche Geschwindigkeit es denn der Veteran heute noch bringt, muss das bestens eingespielte Duo milde lächeln: "Die 110 km/h schafft sie heute noch genau wie früher ganz locker!". Unterdessen hat sich eine wahre Menschentraube auf dem Bahnsteig um die Lok gebildet, Jung und Alt haben ein Funkeln in den Augen und so mancher bekommt seinen Wunsch erfüllt, mal oben bei Henschke und Freyer die Magie der Lok zu spüren. Die beiden lassen die begeisterten Menschen gerne teilhaben – glückliche Gesichter, wohin man schaut.

Im stehenden Zug stärken sich die Passagiere am Speisewagen-Kiosk. Zwei schmucke, gut gewärmte Waggons weiter treffen wir einen weiteren "Funktionsträger": Rentier Rudolf verteilt kleine Geschenke an alle mitfahrenden Kinder. Darum habe ihn der Nikolaus höchstpersönlich gebeten, so "Rudolf". Ähnlich glücklich wie die beschenkten Kinder strahlt neben Rudolf das Vorstandsmitglied der Eisenbahnfreunde Treysa, Karl Bubenheim: "Die Fahrt konnte wie geplant stattfinden und ist sehr gut gebucht". Die Freude des Kassenwartes kommt nicht von ungefähr: kürzlich musste eine Fahrt quasi in letzter Minute wegen eines unbesetzten Bahnstellwerkes in Butzbach abgesagt werden, was ein schmerzliches Loch in die Kasse des gemeinnützigen Vereins riss. Als ob das nicht bereits schlimm genug war, musste dann noch ein erheblicher Sachschaden durch Graffiti-Vandalen an einem Vereins-Personenwaggon kostenintensiv beseitigt werden.

Gegen 20.00 Uhr traf der nostalgische Zug wieder in Treysa ein. Bubenheims Zusammenfassung: "Viele Reisende haben uns ihre Begeisterung mitgeteilt und werden sicher schon bald wieder mit uns auf Reisen gehen." Gelegenheit dazu gibt es bereits am 28.12., aber auch im Jahr 2025 wieder mehrfach. (goa)+++

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