Das sagen die Kliniken

Gibt es bald Muttermilchspenden in ganz Hessen?

Bisher wurden in Frankfurt mehr als 200 Frühgeborene versorgt, was laut Experten das Risiko für schwere Darmkomplikationen bei Frühchen mindert.
Symbolfotos: Pixabay

21.12.2024 / REGION - Seit 2019 werden Frühgeborene in Frankfurt, deren Mütter nicht genug Muttermilch produzieren – mit Spenden von anderen Neu-Mamas durch die Frankfurter Frauenmilchbank unterstützt. Künftig sollen nun alle Frühgeborenen in ganz Hessen gespendete Muttermilch zur Verfügung gestellt bekommen. Wie eine Sprecherin des hessischen Gesundheitsministeriums gegenüber der Deutschen Presse-Agentur erklärt, soll das Angebot ausgebaut werden, "um allen hessischen Frühgeborenen oder erkrankten Neugeborenen einen optimalen Start zu ermöglichen."


Die Frankfurter Frauenmilchbank ist die einzige Frauenmilchbank in Deutschland, die in enger Kooperation mit einem Blutspendedienst arbeitet. So soll sichergestellt werden, dass die Muttermilch unter den höchsten Qualitäts- und Hygienestandards gesammelt, aufbereitet und gelagert wird, bevor sie den Säuglingen gegeben wird. Ein Bluttest überprüft ihre Gesundheit, bevor die Frauen voretikettierte Fläschchen für ihre überschüssige Milch bekommen, diese befüllen und sie anschließen einfrieren. Aufgetaut werden diese dann später von dem Blutspendedienst, der die Muttermilch ebenfalls portioniert und pasteurisiert, um Keime abzutöten. Damit die Spenden zurückverfolgt werden können, werden die Fläschchen etikettiert.

Einen konkreten Fahrplan für die "Hessische Frauenmilchbank" gebe es schon. Das Konzept siehe vor, dass künftig in jeder Klinik in Hessen aufbereitete Spendermilch zur Verfügung steht. Die "Rohmilch" wird zuvor in der zentralen Frauenmilchbank in Frankfurt aufbereitet. Das Ministerium erhofft sich von der Ausweitung auf ganz Hessen auch sinkende Kosten. Denn: Spendermilch sei um ein Vielfaches teurer als andere Nahrung. "Je mehr Kliniken involviert sind, desto wahrscheinlicher wird die Aufbereitung der Milch sein", so die Sprecherin des Ministeriums. Dadurch könnten mehr Frühgeborene versorgt und die Preise für die Kliniken verringert werden.

Inhaltsstoffe gegen durch Hitzebehandlung kaputt

Prof. Dr. Reinald Repp, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin im Klinikum Fulda, sieht genau hier den Nachteil: "Bei uns werden alle sehr kleinen Frühgeborenen mit Muttermilch ernährt. Kinder, deren Mütter nicht genug Muttermilch haben, erhalten Milch von Spenderinnen auf Station nach einem aufwendigen Konzept, mit dem die Vorzüge der Muttermilch noch besser zur Geltung kommen, als es mit dem Einsatz gespendeter Milch aus Frauenmilchbanken möglich wäre. Da die Milch in Frauenmilchbanken zum Abtöten von Krankheitserregern hitzebehandelt (pasteurisiert) wird, gehen viele der wichtigen, aber gegen Hitze empfindlichen Inhaltsstoffe der Frauenmilch kaputt."

Um dies zu vermeiden, werden - nach umfassender Aufklärung und ausdrücklicher Zustimmung – bei den Müttern auf Station, die Muttermilch spenden möchten, Untersuchungen auf verschiedene Krankheitserreger durchgeführt, die über die Muttermilch übertragen werden könnten. Sind alle Tests in Ordnung, dann wird die Milch, so wie sie ist, einem anderen kleinen Frühgeborenen gegeben, dessen Mutter nicht genug eigene Milch hat – natürlich nur mit Einverständnis und umfassender Aufklärung. "Da die Muttermilch gerade für kleine Frühgeborene sehr viele positive Eigenschaften hat, lehnt dies praktisch nie jemand ab."

"Milch aus Muttermilchbank wäre einfacher, aber in der Qualität ein Rückschritt"

Ein Kind ohne eigene Muttermilch erhält immer nur die Milch von der gleichen Spenderin. "Durch diese eins zu eins Zuordnung von Milchspenderin und Empfängerkind, die ausschließliche Verwendung von Milch von Müttern mit Kindern auf Station, die wir genau kennen und die umfassenden Vortests auf Krankheitserreger muss bei uns die Spendermilch nicht hitzebehandelt werden. Damit können Frühgeborene auch mit Spendermilch von allen Vorteilen der Muttermilch profitieren. Der Einsatz von Milch aus einer Muttermilchbank wäre zwar um einiges einfacher, aber in der Qualität eigentlich ein Rückschritt, weshalb wir den höheren Aufwand bei uns weiterhin in Kauf nehmen werden, um auch den Kindern ohne eigene Muttermilch die beste Ernährung der Welt, unbehandelte Muttermilch, bieten zu können", erklärt Dr. Repp gegenüber OSTHESSEN|NEWS.

"Tragen gerne dazu bei, die Idee der Muttermilchspende zu stärken"

Etwas offener steht derweil Dr. Med. Alexander Dengler, Chefarzt der Frauenklinik und Geburtshilfe am Herz-Jesu-Krankenhaus Fulda, der ganzen Thematik gegenüber: "In unserer Klinik verwenden wir aus logistischen Gründen derzeit ausschließlich die Milch von Müttern, deren Kinder bei uns geboren wurden. Dennoch tragen wir gerne dazu bei, die Idee der Muttermilchspende zu stärken und das Bewusstsein dafür zu schärfen. So informieren wir Mütter über die Möglichkeiten der Muttermilchspende und bringen interessierte Mütter in Kontakt mit der Frauenmilchbank. Unsere speziell ausgebildeten Fachkräfte, darunter Still- und Laktationsberaterinnen, Pflegekräfte der Wochenstation und Hebammen, stehen den Müttern rund um das Stillen beratend und helfend zur Seite, sodass von Anfang an die Gesundheit des Babys und die Eltern-Kind-Bindung unterstützt wird."

Weiterhin heißt es: "Muttermilch ist und bleibt die beste Nahrung für alle Neugeborenen. Besonders für Frühgeborene und kranke Neugeborene kann sie überlebenswichtig sein und das Risiko von Komplikationen herabsetzen, die Entwicklung fördern. In einigen Fällen ist Stillen jedoch erschwert oder sogar unmöglich. Insbesondere Mütter von Frühgeborenen haben am Anfang oft noch keine oder zu wenig Milch - dann kann man diesen Kindern Spendermilch von anderen Frauen geben, was in solchen Fällen eine lebenswichtige Unterstützung sein kann." (Mathias Schmidt) +++

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