Sechs Monate auf Bewährung

23-Jähriger wegen Betrugs an Sammler vor dem Amtsgericht

Verhandlung wegen Betrugs ohne Angeklagten vor dem Amtsgericht Fulda
Fotos:ci

23.10.2024 / FULDA - Gerichtsverhandlung inklusive Urteil innerhalb von 20 Minuten: das ist rekordverdächtig. Vor dem Amtsgericht sollte am Dienstag der Prozess gegen einen 23-jährigen Angeklagten beginnen, doch der junge Mann war nicht erschienen. Während sein Verteidiger mehrfach vergeblich versuchte, seinen Mandanten zu erreichen, erklärte Richter Ulrich Jahn, dass man nicht ohne den Angeklagten verhandeln könne.



Erschienen war aber der geschädigte Sammler, der gehofft hatte, im Zuge der Verhandlung zu den 900 Euro zu kommen, um die ihn der 23-Jährige betrogen haben soll. Laut Anklage hatte der junge Mann dem Geschädigten im Juni 2023 vorgespiegelt, am Kauf einer hochwertigen antiquarischen Büchersammlung im Wert 120.000 Euro interessiert zu sein. Dieser hatte das Kaufinteresse ernst genommen und dem Angeklagten vorab 900 Euro als "Gebühr" gezahlt. Das Geld hatte der Betrüger kassiert, ohne jemals beabsichtigt zu haben, die Büchersammlung des Geschädigten zu kaufen.

Bei den Büchern handele es sich um wertvolle Faksimile-Ausgaben beziehungsweise kostbare Unikate, führte der Geschädigte vor Gericht aus. Unklar blieb allerdings, auf welche Weise der Betrüger überhaupt vom Besitz und Verkaufsinteresse des Sammlers erfahren habe, denn dieser hatte die wertvollen Exemplare nirgendwo inseriert oder angeboten.

Um keinen neuen Verhandlungstermin vereinbaren zu müssen, schlug Richter Jahn den Prozessbeteiligten vor, einen Strafbefehl gegen den 23-Jährigen in dessen Abwesenheit zu erlassen. Damit zeigte sich sowohl der Staatsanwalt als auch der Verteidiger einverstanden. Weil der Angeklagte wegen anderer Delikte bereits einige Geldstrafen bekommen hatte, wurde er zu einer Haftstrafe von sechs Monaten verurteilt, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurden. Ihm wurde ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt. Zusätzlich muss er hundert Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten. Den Strafbefehl bekommt er schriftlich zugestellt. Weil sein Mandant arbeitslos sei, könne er dem Sammler die 900 Euro nicht zurückzahlen, erklärte der Anwalt. Dem enttäuschten Sammler erklärte der Richter, der 23-Jährige bekomme aber Besuch vom Gerichtsvollzieher, der den Gegenwert von 900 Euro per Zwangsvollstreckung einziehen werde. "Auch wenn der Hexenturm gerade saniert wird, können wir ihn als Schuldner nicht dort einsperren", erklärte Richter Jahn nach der ausgesetzten Verhandlung. (Carla Ihle-Becker)+++

Richter Ulrich Jahn



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