Abschied von Fabian Schaub

700 erleben speziellen Tag in Flieden und Osthessens Fußballgeschichte

Ein Bild für die Chronik des SV Flieden: die Teams vor dem Anpfiff bei Fabi Schaubs Abschied
Fotos: Arnd Ph. Rössel

15.07.2024 / FLIEDEN - Quatorze juillet, der 14. Juli 2024, ist nicht nur französischer Nationalfeiertag - es ist auch der Tag des EM-Endspiels und das Datum von Fabian Schaubs Abschiedsspiel. 21 Jahre hat die Torjäger-Institution für den SV Flieden seine Knochen hingehalten und bei unzähligen Toren auch so manches Spiel entschieden - an der Kultstätte "Weiher", die nicht zuletzt dadurch legendären Anstrich erworben hat.


An diesem Tag tritt Schaub - Sohn von Ex-Eintracht-Kicker Fred und jüngerer Bruder von Louis, der aktuell wieder für den österreichischen Traditionsklub Rapid Wien aktiv ist - mit den Fabi & friends sowie mit dem Team des SVF an. Und das Beste: Osthessens Fußball-Prominenz tritt sich in Flieden die Füße platt - jedenfalls ein Teil davon.

Der Rahmen könnte besser nicht sein. Ein Sonnen überfluteter Platz "Am Weiher" - Schaubs Abschiedstermin bietet einen passenden Rahmen zum Sportfest des SV Flieden. Ehe das Spiel beginnt, erwischt Osthessen|News noch ein Statement des Fliedener Trainers Mike Gaul, der sich mit einer anderen Trainergröße unterhält: Jochen Maikranz. Und der Talk mit Gaul dauert nicht lange - doch er hat es in sich. "So einen wie Fabi gibt es nicht mehr in der Region. So einer muss erst noch einmal geboren werden", äußert er sich über Fabian Schaub.

Es kribbelt. Wohlfühl-Charakter. Mega-verdient.

Man spürt, dass es Gaul unter der Haut kribbelt, wenn er, an der Seitenlinie stehend, hinzufügt: "Das hier hat er mega verdient." Auch den Verein bezieht er mit ein, typisch Gaul halt. "Der SV Flieden hat sich mega gestreckt". Der Wohlfühl-Charakter scheint beim SVF-Coach keine Grenzen zu kennen. "So ein großes Buch, das Fabi geschrieben hat, gibt es gar nicht. Er war bei allen Höhen des Vereins dabei. Und er hat sich nie in den Vordergrund gestellt. Fabi hat das alles sportlich gelöst."

Man spürt auch, dass er die ganze Zeit parlieren könnte. Noch mal typisch Gaul. "Ich war froh, dass ich ihn noch trainieren durfte. Ein Jahr. Und da war er ja auch quasi mein Co-Trainer." Immer spricht das Herz mit bei Gaul, und bei jedem seiner Worte hat man das Gefühl, dass ihm was auf der Seele liegt. Ist es so überraschend, wenn er ergänzt: "Sag niemals nie. Vielleicht rufen wir ihn im Herbst nochmal an."

Spezielles Kapitel in der Vereinsgeschichte des SV Flieden

Jetzt wird ein neues Kapitel in der Vereinsgeschichte des SV Flieden aufgeschlagen. Es ist 11.36 Uhr, als die Teams den Platz betreten, um Fabian Schaub den Abschied verdienen, den er sich erarbeitet hat in seiner Laufbahn als Fußballer hier am Weiher. Wenige Minuten später, um 11.44 Uhr, geht's los. Gespielt wird im Übrigen über dreimal 30 Minuten. Überflüssig zu erwähnen, dass die Ränge am Weiher gut gefüllt sind. 700 Zuschauer sind es heute.

Klar, dass der Ausgang nebensächlich ist heute. Dennoch fühlt man die Ambition auf beiden Seiten. Das Team des SV Flieden trifft zweimal den Pfosten - ehe in Minute 26 Fabian Schaub ein Tor geglückt wäre. "Der Alte" hatte man schon auf den Lippen - doch sein Lupfer aus halblinker Position senkt sich knapp drüber. Wo sein knallharter Freistoß landet später, das haben alle übersehen. Ist es denn zu glauben? Sekunden vor Ende des ersten Drittels scheitert Schaub Eins gegen eins.

Um 12.27 Uhr geht's weiter. "Es wurde bunt durchgewechselt", sagt Stadionsprecher - oder wollen wir sagen Platzansager - Frank Happ. Die Familie Happ lebt halt den Verein. Schaub auch. Es passt an diesem Tag. Tore wären schon ganz schön. Doch wir sind ja am Weiher, sie werden noch fallen. Alle, die ein Gespür für Fußball haben, sehen es: Es ist schon großes Kino, wie Schaub unter Bedrängnis noch einen Diagonalball hinbekommt. Mike Gaul - was willst du mehr?

Dafür steht Schaub: die Kugel abzuschirmen, festzumachen und klatschen zu lassen

Die Kugel abzuschirmen, festzumachen und klatschen zu lassen, wie Schaub es in der folgenden Szene macht - werden wir es vemissen? Wir glauben es schon. Da fällt das erste Tor: Julian Ankert trifft per Kopf und bringt fabi & friends 1:0 in Führung. Endlich. In Minute 48. Fast ist der zweite Abschnitt, da fällt der Ausgleich. Yannik Kress treibt den Ball mit Tempo. Und er zieht ab. Abgefälscht landet die Kugel zum Ausgleich in der Kiste.

Doch es dauert nur wenige Sekunden, da schmückt auch Fabian Schaub die Bühne am Weiher. Einen Freistoß aus halblinker Position zirkelt er zum 2:1 ins Tor. Ist es eines für die Ewigkeit? Sein letztes für den SV Flieden? Jedenfalls ist es eins, das die Vereinsgeschichte des SV Flieden bereichert.

Ehe mit dem Abpfiff des zweiten Drittels die Spieler, die an diesem Tag im Einsatz sind, Fabian Schaub einen würdigen Abschied bereiten - zumindest aus dem Team fabian & friends. Bis er im dritten Abschnitt im Team des SV Flieden antritt. Sie bilden ein Spalier in Höhe der Mittellinie. Schaub schreitet hindurch. Er genießt die Atmosphäre, und es nicht überliefert, welchen Zauber die Gänsehaut hat, die seinen Körper durchzieht. Meik Voll positioniert einen Stuhl, auf dem Schaub Platz gerne Platz nimmt.

Und bevor Frank Happ fast rührende Worte bei der Verabschiedung der Spieler findet. Zunächst für Marius Kullmann. Dann für Fabian Schaub. 389 Einsätze für den SV Flieden in Pokal und Hessenliga, 186 Tore (mit dem heutigen) und etwa 950 Spiele überhaupt, fast 1.000. "Als 13-Jähriger bist du in den Verein gekommen", sagt Happ, "das wird es so nicht mehr geben". Bis Fabian Schaub sich nicht zuletzt bei seiner Ehefrau bedankt, für einen Moment fast in Tränen ausbricht - und Eva ins Herz trifft.

Das Spiel geht weiter. Fabian Schaub tritt jetzt auf der Gegenseite an - im Team des SV Flieden. Merlin Sippel, der "Zauberer", trifft zum 2:2. Nein, das war eben nicht Schaubs letztes Tor. Nach Lukas Marvin Friedrichs Zuspiel lupft er zum 3:2 für den SVF ins Tor. Und Tom Klüh erhöht auf 4:2. Wie versprochen, Tore fallen doch am Weiher. Das hat Tradition.

Was macht Fabian Schaub in seinem Leben, außer Tore zu schießen?

Und noch einmal Fabian Schaub. Macht der eigentlich noch was anderes in seinem Leben, als Tore zu schießen? Per Außenrist schlenzt er ins lange Eck - 5:2. Noch ein Treffer auf der Gegenseite. Fabian Wehner gelingt das 3:5. Und Daniel Freidhof zeigt, warum er einst Katze genannt wurde als Keeper: Sein Reflex verhindert das vierte Tor von Schaub in einer Eins-gegen-eins-Situation. Das fällt Sekunden später doch: Per Elfer erhöht Schaub auf den 6:3.

Noch einmal kommt Fabian Schaub in den Spalier-Genuss, als um 13.49 der Schlusspfiff für ihn ertönt am Weiher. Auch Sascha Gies, langjähriger und kongenialer Schaub-Partner in der Spitze, darf nochmal. Der Endstand lautet 6:4 für den SV Flieden. Doch die Nummer 18, die Fabian Schaub trug, hat Schluss gemacht. Zumindest offiziell. (wk)


Fabi & friends: Julian Ankert, Lukas Auth, Freddy Braun, Andreas Drews, Daniel Freidhof, Marco Gaul, Sascha Gies, Marc Götze, Lukas Hagemann, Lukas Hohmann, Nico Hohmann, Christian Köhler, Andre Leibold, Julian Möller, Sebastian Pfeiffer, Marc Röhrig, Daniel Rother, Sascha Rumpeltes, Stefan Dietz, Andreas Wehner, Steffen Witzel, Manuel Zaczyk, Dennis Möller

Trainer: Meik Voll
Betreuer: Pascal Steinberger
Physio: Sven Gerbig

Schiedsrichter: Gerhard Wiegand, Assistenten: Daniel Reith, Felix Weber

Zuschauer: 700 +++






X