Bekannter Palliativmediziner

Streitbar für eine wichtige Sache: Dr. Thomas Sitte erhält Bundesverdienstkreuz

Dr. Thomas Sitte wird am Montagnachmittag mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt.
Foto: O|N - Archiv / Jirsch, Lenz, Engel, Struppe

27.11.2023 / REGION - Er ist DAS Gesicht der Palliativmedizin weit über die osthessische Region hinaus: Dr. Thomas Sitte. Der 65-Jährige, gebürtig aus Wetzlar und schon lange in Fulda zu Hause, wird am heutigen Montagnachmittag im Fürstensaal des Stadtschlosses mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt. Die Auszeichnung würdigt damit sein intensives Engagement, das Befinden von Schwerstkranken in deren letzter Lebensphase zu verbessern.


Dr. Thomas Sitte arbeitete nach seinem Studium als Facharzt für Anästhesiologie am Klinikum Fulda und am Eichhof-Krankenhaus in Lauterbach, bevor er sich als Arzt in Fulda niederließ. 2010 gründete er die Deutsche PalliativStiftung, deren Vorstandsvorsitzender er ist.

Im Vorfeld der Feierstunde hat der 65-Jährige, der stets streitbar-engagiert für seine Sache kämpft, gegenüber O|N formuliert, was die Auszeichnung ihm persönlich bedeutet und welches das Leitmotiv für sein Handeln ist: "Genau EIN Leitmotiv für mich gibt es nicht. Das sind doch mehrere, die aufeinander aufbauen. Die christliche Grundlage ist 'Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst' (das gelingt nicht gut, ohne sich selbst auch zu lieben)."

Vom Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder habe er die Regel mitgenommen "Ich will Schwierigkeiten nicht ausweichen!" , und sein Klassenlehrer habe die Abi-Rede mit den Worten beendet: "Jetzt sind Sie dran! Machen Sie das Beste daraus, aber denken Sie daran, dass man manchmal auch mal gegen den Strom schwimmen muss." Und dem damals leitenden Staatsanwalt Dr. Peter Gast werde er sein Leben lang dankbar sein. Dieser bat Dr. Thomas Sitte im Juni 2010 zu sich und sagte wörtlich: "Sie als Bürger sind dazu da, die Gesetze zu ändern."

Von seinem Sportkameraden vom Team Eisenhart schließlich gebe es ein klares "Weiter!", wenn nichts mehr gehe und man meine, körperlich und seelisch am Ende zu sein. "Wir sind soziale Wesen. Ich bin ein soziales Wesen. Leben, überleben, wirken kann ich nicht alleine, sondern nur eingebettet in die Gemeinschaft meiner Familie, Freunde, des Umfeldes".

Zum Bundesverdienstkreuz am Bande selbst sagt er: "Erst einmal war ich etwas schockiert, als ich von der Ehrung gehört habe. Es ist ja nicht nur eine Auszeichnung, sondern auch eine gewisse Bürde. Im Lauf der Jahrzehnte habe ich schon einige Lasten in meinen Rucksack bekommen. Jetzt wird mir quasi ein Gegengewicht an die Brust geheftet. Erwartungen werden vom einen oder anderen damit verknüpft. Und mancher meint auch, warum denn der Sitte, ich selber wäre doch auch dran".  

Die Auszeichnung als "Türöffner"

Er sei zwar "nur" 65 Jahre alt, habe aber das sichere Gefühl, "dass ich inzwischen etwas kürzertreten möchte. Es gab manche Aufs im (Berufs)Leben, aber auch viele Abs. Da ist eine öffentliche Auszeichnung mit einem so hohen Orden auch eine Bestätigung, dass sehr vieles meiner Ansichten, Pläne, Umsetzungen trotz massivster Widerstände wohl richtig war. Und dass Widerstände nicht heißen, dass ich ihnen gleich aus dem Weg gehen sollte! So eine Ehrung ist irgendwie auch etwas unangenehm, gleichsam peinlich. Aber, das ist nun ein ganz großes Aber, ich gehe davon aus, dass es in erster Linie ein Türöffner ist für die politische Arbeit".

Er verfolge noch zwei Ziele: "Einerseits die Arbeit der Deutschen PalliativStiftung für die nächsten Jahrzehnte in sicheres Fahrwasser zu bringen und als Zweites es bald zu ermöglichen, dass ein wesentlicher Missstand in der Gesundheitsversorgung beseitigt wird. Altenpflegeheime dürfen keine noch so kleine Notfallapotheke im Haus haben. Das verursacht Leid und behindert die angemessene Versorgung".

Zusammenarbeit mit O|N

Dr. Thomas Sitte ist höchst rührig, wenn es darum geht, die so wichtigen Anliegen in die Öffentlichkeit zu tragen. Dazu gehört auch das Büchlein "Die PFLEGETIPPS - Palliative Care", das 2007 erschienen ist und zu einem Bestseller avancierte. Inzwischen ist die überarbeitete und aktualisierte 17. Auflage veröffentlicht worden, die sowohl professionell Versorgenden aller Berufsgruppen als auch helfenden Angehörigen wichtige Tipps gibt. Und das in 22 Sprachen (zuletzt kam Ukrainisch dazu), leicht nachvollziehbar und nun auch mit Anmerkungen aus Sicht des Islam.

Und weil das Anliegen so wichtig und für sehr viele Menschen von großer Bedeutung ist, hatte OSTHESSEN|NEWS  2022 an jedem Sonntag eines der insgesamt 45 Kapitel als Podcast und YouTube-Video vorgestellt. Der Erfolg gab allen Beteiligten recht, denn die Serie erfreute sich viele Wochen lang großer Beliebtheit, was auch die Reaktionen deutlich machen, die sowohl die O|N-Redaktion als auch die PalliativStiftung erreichten, die ihren Sitz ebenfalls in Fulda  - am Bahnhof - hat. 

Unter Federführung von ihm als Herausgeber ist seit Längerem "schöner leben ...  Das PALLI-aktive Magazin" am Start, erschienen im Deutschen PalliativVerlag. Sitte damals zum Start: "Wir wollen alle Themen rund um das Leben aufgreifen. Mit der Deutschen PalliativStiftung setzen wir uns ja dafür ein, dass dieses Leben für alle Beteiligten bis zum letzten Atemzug lebenswert bleibt. Das ist nicht immer möglich, nicht immer leicht, aber es gibt immer noch irgendetwas, das Schweres leichter macht". Heft 04/23 enthält übrigens viele Informationen rund um Vollmacht und Verfügung.

Und natürlich äußert Thomas Sitte im Zusammenhang mit der Würdigung auch noch einen Wunsch: "Dass jeder, der mir dankbar ist, dass jeder, der der Deutschen PalliativStiftung für deren Arbeit dankbar ist, dort auch Fördermitglied wird und möglichst noch jemanden dafür anwirbt". (Bertram Lenz) +++

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