Fulda verbindet

34. Heimattreffen der Oberglogauer im Wappensaal der Orangerie

Stadtrat Lindner begrüßt die Gäste des Oberglogauer Heimattreffens in Stellvertreung für Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld
Alle Fotos: Martin Engel

28.05.2023 / FULDA - Fulda ist seit 1955 Gastgeber der Heimattreffen, nicht nur der Oberglogauer, sondern auch der Leitmeritzer. Das liegt nicht etwa daran, dass besonders viele Oberglogauer nach dem Zweiten Weltkrieg in Fulda ihre neue Heimat gefunden hätten. Der Grund ist eine Glocke.


Verbunden durch eine Glocke

Stadtrat Bernhard Lindner begrüßte in Vertretung von Oberbürgermeister Dr. Wingenfeld die Gäste im Wappenkeller und griff dabei das Motto der Landesgartenschau auf: "Fulda verbindet – uns und Oberglogau. Die Patenschaft für Oberglogau besteht schon seit 1955 – und ich freue mich, Sie alle zum mittlerweile 34. Heimatreffen begrüßen zu dürfen. Wir verdanken einer Glocke die Verbindung zwischen Oberglogau und Fulda."

Ursprünglich hing die historische "Acht-Uhr-Glocke" im Franziskanerkloster von Oberglogau. Im Zweiten Weltkrieg sollte sie für die Kriegsindustrie eingeschmolzen werden. Dieses Schicksal blieb ihr erspart, und 1949 entdeckte der ehemalige Reichsgraf von Oppersdorf die Glocke im Hamburger Hafen. Die Glocke wurde im Fuldaer Dom aufgehängt. Längst war sie zu einem Symbol der Oberglogauer geworden, egal ob sie vertrieben, geflüchtet oder daheimgeblieben waren. Am 6. Juni 2001 kehrte die Glocke an ihren angestammten Platz in Oberglogau zurück.

Verbunden durch eine Schule

Zwischen der Fuldaer Winfriedschule und der Zespol Szkol (Vereinigte Oberschule) in Oberglogau besteht seit 1963 Kontakt. Der damalige Schulleiter Dr. Thoma unterzeichnete eine Urkunde für eine Patenschaft mit der Oberglogauer Schule. 2008 wurde aus der Patenschaft eine Partnerschaft beider Schulen. "Ich selbst bin Winfriedschüler gewesen, aber als Schüler habe ich die Dimension der Vertreibung noch nicht verstanden", erzählt Bernhard Lindner in seiner Begrüßung. "Das kam erst später, als ich mit meiner Frau auf einer Radtour von Prag nach Dresden unterwegs war und wir auch einen Abstecher nach Leitmeritz machten. Wir fuhren in das kleine Dorf, aus dem meine Schwiegermutter stammte, wir besuchten das Haus, an dem noch ihre Gardinen hingen, wir waren am Friedhof. Es berührte uns beide zutiefst."

Für den Oberglogauer Bürgermeister Dr. Piotr Bujak begrüßte Sebastian Gerstenberg, der Beauftragte für Städtepartnerschaften in Oberglogau. In seinem Grußwort wies er auf die schwierigen Zeiten hin, die hinter uns lägen (Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg), und darauf, dass die für die Länder Osteuropas wiedergewonnene Freiheit nach dem Ende der Sowjetunion keineswegs selbstverständlich sei, sondern immer wieder neu errungen oder verteidigt werden müssen. Er lud alle Anwesenden ein, sich an Fronleichnam 2024 in Oberglogau zu treffen – "um sich zu erinnern und zu begegnen."

Verbunden durch die Historische Kommission

Prof. Dr. Dr. Ralph Michael Wrobel vertrat den erkrankten Sprecher der Oberglogauer, Günter Hauptstock und stellte die Arbeit der Historischen Kommission für den Kreis Neustadt /OS vor. Das diesjährige Heimattreffen war nämlich gekoppelt mit der Mitgliederversammlung der Historischen Kommission.

Ich fragte Prof. Wrobel, welche Zukunft die Heimattreffen in fünf oder zehn Jahren hätten. "Eine begrenzte", antwortet er wie aus der Pistole geschossen. "Die Älteren werden immer gebrechlicher und weniger. Hier treffen sich diesmal 50 Oberglogauer, und das ist immer noch beeindruckend." Es ist sichtbar, dass junge Leute unter den Oberglogauern fehlen, dazu sagt er: "Wissen Sie, ich glaube, die Vertriebenen-Generation hat ihr Heimatgefühl nicht weitergegeben – oder nicht weitergeben können. Sie waren nach der Flucht vollauf damit beschäftigt, in der Fremde unter schwierigen Startbedingungen neu anzufangen."

Eine andere Art der Beschäftigung mit der ehemaligen Heimat biete die Arbeit der Historischen Kommission. Hier geht es nicht um Verlust und Trauer, sondern um Forschen, Recherchieren und Kennenlernen. In der Kommission, die aus Polen und Deutschen bestände, gäbe es auch jüngeren Nachwuchs: "Wir haben 100 Mitglieder, und wir publizieren viel. Der Verein veranstaltet auch Vortragsreihen, stellt neue Bücher vor und organisiert Ausstellungen (https://hkknos.eu). So entsteht aus der Beschäftigung mit der Vergangenheit wieder Zukunft, und das stimme hoffnungsfroh. Der Abend klang mit beschwingten Melodien aus, die Alleinunterhalter Georg Flohr gekonnt darbot. (Jutta Hamberger) +++

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