Weltelite zu Gast

Kugel für Dracula und den Terminator: Fulda ist heimliche Flipper-Hauptstadt

Matthias Klüber an Flipperautomaten
Fotos: Marius Auth

26.05.2023 / FULDA - Flipperautomaten sollten dank Spielkonsole, Computer und Smartphone eigentlich längst ausgestorben sein - doch eine eingeschworene Fangemeinde hält den blinkenden und piependen Kisten die Treue. Fulda ist für Flipperprofis sogar die heimliche Hauptstadt der Republik - in den nächsten Tagen trifft sich hier die Weltelite, um die Stahlkugeln fliegen zu lassen.


Dirk Elzholz steht mit seinen Automaten vor der "Bulls and Balls"-Halle im Industriegebiet Eisweiher und wartet auf Interessenten. Der Vertreter des Fachhändlers "Pinball-Universe" ist selbst Profi, auf Weltranglistenplatz 130. Wie die meisten Turnierspieler ist der 46-Jährige in seiner Jugend am Automaten hängengeblieben - "High Speed, ein echter Klassiker, das war meine Droge. Dann kamen Turniere und Meisterschaften, irgendwann kennt man 30 Maschinen auswendig. Und dann habe ich halt mein Hobby zum Beruf gemacht."



Warum trotz Surround-Soundsystemen und 4K-Fernsehern für Spielkonsolen die altbackenen Flipperkästen immer noch Liebhaber finden, dafür hat der Branchenvertreter eine beinahe poetische Erklärung: "Es ist eine kleine Welt unter Glas, die der Spieler versucht, zu kontrollieren. Ursprünglich war das Spiel einfach und überall gleich: Flipper links, Flipper rechts - und die Kugel so lange wie möglich in der Luft halten und dabei Punkte machen. Inzwischen haben die Spiele ein Regelwerk von 30 DIN A4-Seiten - durch Mikroelektronik und Software sind der Komplexität keine Grenzen mehr gesetzt", erklärt Elzholz. Für die Entwicklung eines Spiels geben die Hersteller einen siebenstelligen Betrag aus, hochauflösende Displays und Internetanbindung sind keine Seltenheit.


Weder Sponsoren noch Preisgelder

"Bulls and Balls"-Inhaber Matthias Klüber, der in seiner Eventlocation neben den Flipperautomaten Dartscheiben und Billardtische zur Unterhaltung auffährt, erwartet in den nächsten Tagen die Flipper-Weltelite: Neben der europäischen Meisterschaft werden die Olympiade und eine Mini-Weltmeisterschaft ausgerichtet. Elf Tage lang wird Fulda zum Flipper-Mekka: Neben Echzell im Wetteraukreis gibt es in der ganzen Bundesrepublik keine vergleichbare Örtlichkeit - Klüber hat 80 Flipperautomaten am Start.

Im Vergleich zu anderen Sportarten werden die Stahlkugel-Profis nicht reich: "Es gibt weder Sponsoren noch Preisgelder. Gespielt wird allein um Punkte in der Weltrangliste. Trotzdem braucht der Profi umfangreiches Wissen und Erfahrung: Im Vorfeld ist nicht klar, auf welchen Automaten beim Turnier gespielt wird, unser System lost zufällig aus - man muss einfach alle beherrschen", so Klüber. Viele Spieler hätten selbst Geräte zu Hause stehen, in Vereinen könne zum Stundenpreis gespielt werden - "manche Profis sind aber wirklich jedes Wochenende bei Wettbewerben und verfeinern so ihre Fertigkeiten."


Dracula in der Männerhöhle

Ab 9.000 Euro kostet ein aktuelles Gerät, die Zielgruppe ist dennoch erstaunlich jung: "Es gibt natürlich viele, die sich ihr Nostalgiespiel aus der Jugend in die Männerhöhle stellen, aber durch Eventlocations wie hier dem 'Bulls and Balls' werden auch junge Erwachsene an den Spieleklassiker herangeführt. Die haptisch-manuelle Komponente des Flippers fasziniert immer noch. Es ist echt, es bewegt sich etwas - und schon hat man ein paar Stunden vor dem Automaten verbracht, auf der Jagd nach Punkten", so Elzholz.

Die Flipperbranche habe von Corona profitiert - "plötzlich hatten viele Geld über, in den Urlaub fahren konnte man nicht, das Geld ging in den Hobbykeller." Dort steht dann die jüngste Filmgeschichte blinkend und piepend versammelt: Die meisten Flipperautomaten sind thematisch von Hollywoodfilmen inspiriert, statt einfachem Punktesammeln muss der Spieler heute als Protagonist komplexe Handlungsfäden mit den Hebeln kontrollieren. Ein Spiel kann schon mal 90 Minuten dauern - im Turnier wird das radikal abgekürzt:

"20 Minuten ist das Maximum, außerdem wird der Neigungswinkel erhöht und die Spielfläche poliert und gewachst - damit es schön schwer wird, selbst für Profis. Zwei Spieler treten nacheinander am selben Automaten an - wer mehr Punkte macht, gewinnt." 256 Teilnehmer werden für die europäische Meisterschaft erwartet, 150 für die Olympiade, bis zu 90 für die Mini-WM. (mau) +++

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