Mehr Übergriffe auf Nutztiere registriert

Der Wolf in unseren Wäldern: "Respekt und Umsicht ja, Hysterie nein"

Im Naturzentrum Wildpark Knüll leben mehrere Wölfe
Archivbild: O|N/Hans-Hubertus Braune

15.05.2023 / REGION - Das Wolfszentrum Hessen im Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie hat in diesem Jahr bislang dreizehn Wolfsübergriffe auf Nutztiere in Hessen nachgewiesen, im vergangenen Jahr wurden insgesamt elf Übergriffe registriert.



Gerade in der Landwirtschaft, aber auch bei Schaf- und Ziegenhaltern sorgen die Wölfe für Unruhe. Vor wenigen Wochen machte eine Journalistin der HNA Aufnahmen von einem Wolf bei Hetzerode (Waldkappel, Werra-Meißner-Kreis). Laut dem Artikel hatte sie einen Wolf gesichtet und sei ihm aus einem Auto heraus bis auf wenige Meter nahegekommen.

Der Naturschutzbund (NABU) Kreisverband Hersfeld-Rotenburg weist allerdings darauf hin, dass geschützten Wildtieren nicht nachgestellt werden darf. Dies ist im Bundesnaturschutzgesetz geregelt.

"Besonnen und ruhig bleiben"

Der NABU erklärt: Wölfe meiden in der Regel den Kontakt zu Menschen, dennoch sind Begegnungen nicht völlig ausgeschlossen, zumeist dann, wenn der Wolf den Menschen im Vorfeld der Begegnung aus verschiedenen Gründen nicht wahrnimmt. Hier gilt es dann sich, als Mensch besonnen zu verhalten, ruhig zu bleiben und die gleichen Verhaltensregeln wie beim Zusammentreffen mit anderen Wildtieren einzuhalten. Eine gute Aufklärungsarbeit sei enorm wichtig, damit die Menschen wissen, dass der Wolf ein normales Wildtier ist, von dem keine größere Gefahr ausgeht als von anderen vergleichbaren Wildtieren auch.

Doch wie schätzt der Naturschutzbund die Situation mit den Wölfen ein? "Respekt und Umsicht ja, Hysterie nein. Das sollte das Motto sein, um dem Beutegreifer zu begegnen und ihn damit auf seine natürlichen Beutetiere lenken. Wir Weidetierhalterinnen und Weidetierhalter stehen in der Pflicht, bestmögliche Abwehr gegenüber dem intelligenten Beutegreifer sicherzustellen", sagt Dieter Gothe, stellvertretender Vorsitzender vom NABU-Kreisverband Hersfeld-Rotenburg.

"Schlechte Erfahrungen an Zäunen fördert das Zusammenleben"

Die Ortsgruppe in Solz hat eine Ziegen- und Schafherde. Auch dort machen sich die Verantwortlichen viele Gedanken, wie sie ihre Tiere bestmöglich schützen können: "Wir betreuen seit acht Jahren Ziegen und Schafe mit Zäunen mit über 100 Zentimeter Höhe und kontrollieren täglich die Stromverhältnisse und die Standsicherheit. Richtig ernst nimmt das kleine und sehr engagierte Team die ausreichende Nahrung und das Wohlbefinden der Tiere auf der Weide, um Ausbruchsversuchen möglichst entgegenzuwirken. Findet ein Wolf überall guten und funktionierenden Schutz vor, dann werden die Risiken eines Übergriffs übergreifend stark reduziert, schlechte Erfahrungen der Wölfe an Zäunen sind für alle Seiten gut und fördert das Zusammenleben", sagt der NABU-Kreisverband auf Nachfrage von OSTHESSEN|NEWS.

Kreistag beschäftigt sich mit dem Thema Wolf

Gothe hat am Mittwoch im Umweltausschuss vom Landkreis Hersfeld-Rotenburg gesprochen. Das Thema Wolf steht auch auf der Tagesordnung zur Kreistagssitzung am Montag. "Eine Resolution des Kreistages sollte sich meines Erachtens mit der Schaffung einer praxisorientierten Wolfsberatungsstation bei uns hier im landwirtschaftlichen Kompetenzzentrum Eichhof, um allen Weidetierhaltern in der Region bei den sicherheitsrelevanten Aspekten schnellstmöglich zur Seite stehen zu können. Im Übrigen benötigen alle Weidetierhalter eine deutlich schlankere Antragstellung für ihre Agrarförderung in diesem Zusammenhang. Die zeitlichen und damit betriebswirtschaftlichen Belastungen übersteigen überwiegend jedes normale Maß. Jede Frau und jeder Mann, die sich gerade in der Hauptweidezeit (plus Tiernachwuchsphase) mit den Agraranträgen befassen müssen, wissen, wovon ich rede! Der Schutz der Wildtiere und damit auch der Biodiversität muss es der Gesellschaft und damit auch der Politik wert sein, für ein ausreichendes Einkommen der Akteure zu sorgen. Bei größeren Weidebetrieben zum Beispiel Schaf/Ziegenhaltern sind Schutzhunde förderfähig, wenn ein Befähigungsnachweis des Halters nachgewiesen wird."

In seiner Ausführung betont Gothe weiter: "In Verbindung mit allen erforderlichen Arbeiten mit den Tieren, den bürokratischen Hürden und der Errichtung wolfsabwehrender Zäune ist Personal erforderlich, das jedoch auskömmlich bezahlt werden muss. Die Resolution des Kreistages sollte ggü. der Landesregierung die Verbesserung der Förderung der Weidetierhaltung mit allen Konsequenzen beinhalten. Ausdrücklich müssen auch Rinderhalterinnen und Rinderhalter, deren Mutterkühe im Freien kalben, mit guten und praxisgerechten Lösungen bedacht werden, damit gerade in der empfindlichen Lebensphase ein ausreichender Schutz hergestellt werden kann."

"Politik hat uns hier in Nordosthessen zu lange vernachlässigt"

Der NABU-Vertreter sagt: "Leider hat die Politik uns hier in Nordosthessen zu lange vernachlässigt und damit dazu beigetragen, dass die Emotionen, Ängste und Irritationen hochgekocht sind. Wir haben damals, kurz bevor erste Schadensereignisse eintraten, anlässlich einer Infoveranstaltung in Solz eine intensivere Prävention schon vor Jahren presseöffentlich eingefordert und fanden nicht ausreichend Gehör. Die Politik verharmloste damals die Notwendigkeit einer vorsorglichen, proaktiven Aufklärung vor Ort. Der NABU Hersfeld-Rotenburg steht voll und ganz hinter den weidetierhaltenden Betrieben und kennt die Problematiken  -gerade im Bereich der nicht besonders lukrativen Landwirtschaft auf morphologisch bewegten Flächen mit reichhaltiger Biodiversität -. Nicht zuletzt deswegen haben wir sehr entschlossen für die Gründung eines Landschaftspflegeverbandes gekämpft. Der Ausschuss und der Kreistag sollten dafür Sorge tragen, dass wir also gemeinsam praxisgerechte Lösungen im Umgang mit dem Wolf finden, damit das Zusammenleben mit großen Beutegreifern möglichst schadlos verläuft und im Fall eines Schadens schnelle Hilfe kommt." (Hans-Hubertus Braune) +++

Dieter Gothe ist erster Vorsitzender vom Nabu Ortsgruppe Solz
Archivbild: O|N/Gerhard Manns

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