Kommentar von Walter Kell

Wenigstens ein Stück vom großen Akzeptanz- und Wahrnehmungs-Kuchen

Sport für Jung und Alt: Das bietet der VfB Johannesberg
Foto: Gerhard Manns

23.03.2023 / BAD HERSFELD - Sport begreift sich nicht nur darin, Ligen oder Spielklassen anzugehören. Jeder will das. Besser sein. Besser werden. Immer besser. Einen Platz nach oben springen. Oder mehrere. Das Ziel: in der Spitze anzukommen. Oder besser: ihr anzugehören. Es ist leichter, nach oben zu kommen - als das Niveau zu halten. Im Fall des VfB Johannesberg ist all das nicht so. Er definiert sich als Breitensportverein. Auch seine Sportler packt der Ehrgeiz. Auch sie wollen ihre Kontrahenten besiegen. Allein: Sie sind nicht darauf ausgerichtet, das zu tun. 


Damit kein Missverständnis aufkommt: Diese Zeilen sind nicht gegen andere Vereine gerichtet - sondern zugunsten des VfB Johannesberg. Von vielen Vereinen, insbesondere Fußball-Vereinen, hört man landauf, landab, dass immer weniger Menschen bereit sind - ich mag das scheußliche Wort Ehrenamt nicht so - Verantwortung zu übernehmen. Für eine Sache. Einen Posten. Für den Verein.

Von Vereinsmüdigkeit keine Rede

Beim VfB im Bad Hersfelder Stadtteil ist das nicht so. Vereinsmüdigkeit scheint hier keine - oder eine nicht so große Rolle - zu spielen. Er scheint gut aufgestellt und gerüstet für Aufgaben und Anforderungen einer immer älter werdenden Gesellschaft. Oder soll man sagen: Einer sich verändernden Gesellschaft, in der junge Menschen kaum noch bereit sind, auf den Zug der Verantwortung aufzuspringen - die Altersstruktur die Vereine aber dazu zwingt, auf die Bedürfnisse von Menschen jenseits der 40 einzugehen. Ja, in Deutschland haben es all die zwischen 20 und 60 gut. Die anderen zählen nicht. Oder nicht so sehr. 

Der VfB Johannesberg bietet acht Sportarten an. Wandern, Nordic Walking, Gymnastik, Tischtennis, E-Bike, Breakdance. Rehasport soll jetzt hinzukommen - ich weiß, manche sagen jetzt: Haben wir längst. Doch die Angebots-Palette macht es. Die Vielseitigkeit. Dass Sport für die Gesundheit und das Erhalten der Gesundheit da ist, beziehungsweise, was man im Falle einer Erkrankung oder von Reha-Maßnahmen machen kann - das gewinnt zunehmend an Bedeutung. Je mehr sich die Altersstruktur der deutschen Gesellschaft nach hinten verschiebt, je mehr Beachtung verdient sie. Je mehr sollte getan werden. Sinnvoll getan werden.

Man trifft sich, treibt Sport und pflegt Kontakte: Gesellschaft eben

Dass der VfB kaum wahrgenommen wird und kaum Wertschätzung erfährt, mutet komisch an. Bietet er doch nicht nur den gesundheitlichen - sondern auch den sozio-kulturellen Aspekt. Man kommt zusammen, treibt Sport, trifft sich, unterhält sich, baut Kontakte auf und pflegt sie - ist das nicht Gesellschaft? Dies wahrzunehmen - an Unterstützung und Förderung gar nicht zu denken - gebietet allein der Respekt. Doch der verkommt in Deutschland immer mehr. Ebenso Menschlichkeit oder Mensch-Sein. 

Ganz Hersfeld-Rotenburg freute sich dieser Tage, den altehrwürdigen, aber arg in die Jahre gekommenen Sportehrentag zu Grabe getragen, ihn aufgemotzt und mit dem hübschen Etikett "Sport des Abends" versehen zu haben. Das kam an. Zu Recht. Doch: Es passt in unsere Gesellschaft: wenn Gruppen- oder Einzelsportler ins rechte Licht gerückt werden. Die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen. Hätte es nicht auch der VfB Johannesberg verdient, ein Stück vom großen Akzeptanz- und Wahrnehmungs-Kuchen abzubekommen? In welcher Form auch immer. Stattdessen führt er ein mehr oder weniger unbeachtetes Dasein. Früher konnte man wenigstens noch seine Vereins-Hütte von der Straße aus sehen. (Walter Kell) +++

X