Teufelsstimmen und Verlangen nach Blut

Tod nach 33 Messerstichen - Plädoyers im Totschlagprozess Weserstraße

Am 2. Mai letzten Jahres wurde ein 45-Jähriger in seiner Wohnung in der Weserstraße mit über 30 Messerstichen getötet
O|N-Archivbild

27.01.2023 / FULDA - Dass und wie der 27-Jährige am 2. Mai 2022 in der Fuldaer Weserstraße seinen 45-jährigen Bekannten getötet hat, ist unstrittig. Er selbst hat vor dem Landgericht Fulda zugegeben, mit einem Messer über 30-mal auf sein Opfer eingestochen zu haben. Doch ob er für diese Tat strafrechtlich verantwortlich ist, sehen Staatsanwalt und einer der beiden Nebenklagevertreter unterschiedlich.

Die Beweisaufnahme ist am Donnerstag geschlossen worden, nachdem die sachverständige Gutachterin dem Beschuldigten zuvor zweifelsfrei eine chronische paranoide Schizophrenie attestiert hatte. So folgten am vorletzten Verhandlungstag die Plädoyers von Staatsanwalt Andreas Hellmich und den beiden Nebenklagevertretern sowie von Verteidiger Egon Schütz.

Staatsanwalt Hellmich folgte der Gutachterin in deren Einschätzung, dass der 27-Jährige bereits spätestens seit 2017 psychisch krank sei, unter Verfolgungsängsten, der Furcht, andere könnten seine Gedanken lesen, "imperativen Stimmen" und Gewaltphantasien sowie Gewaltbereitschaft leide. Für das Tötungsdelikt, das wegen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers auch als Mord qualifiziert werden könne, sei er aber nicht zu bestrafen, weil durch die Erkrankung seine Schuldfähigkeit sowie seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit aufgehoben gewesen sei, argumentierte Hellmich.

Während der Behandlung bei mehreren stationären Krankenhausaufenthalten in der Psychiatrie und durch die Medikamentierung mit Neuroleptika seien diese Symptome nicht mehr aufgetreten. Doch der Beschuldigte war fatalerweise der Meinung, er brauche die Psychopharmaka nicht länger, habe die Dosierung eigenmächtig herabgesetzt und die Einnahme schließlich ganz eingestellt. "Mit dem Absetzen des Medikaments hat der Beschuldigte sehenden Auges für den Wiederausbruch der Krankheit gesorgt", konstatierte der Staatsanwalt. 

Doch die Sachverständige habe diese Verhaltensweise als typisch für dessen psychische Erkrankung charakterisiert und zu bedenken gegeben, dass der 27-Jährige auch durch die Einnahme nicht als gesund einzuschätzen sei. Seine Aussichten auf Heilung seien gering, dagegen könnten künftige Tötungsdelikte durch ihn nicht ausgeschlossen werden, hatte die Prognose gelautet. Die einzig mögliche Schlussfolgerung sei deshalb die Unterbringung des Mannes in der geschlossenen Psychiatrie. 

Schwester des Opfers in Angst "Wie lange bleibt er in der Psychiatrie?"


Rechtsanwalt Knut Hillebrand vertrat in der Verhandlung die Interessen der Schwester des Opfers. Er schloss sich der Einschätzung des Staatsanwalts an, schilderte aber die Folgen der Tat für seine Mandantin. "Sie ist in Angst und Sorge, denn sie fragt sich, wie lange der Mann, der ihren Bruder umgebracht hat, in der Psychiatrie bleibt", erklärte Hillebrand. Seine Mandantin werde niemals erfahren, warum ihr Bruder sterben musste, denn eine rationale Erklärung für die Tat gebe es nicht. Dabei sei es aber seiner Erfahrung nach für die Angehörigen immer sehr wichtig, die Gründe zu erfahren, um mit dem Geschehen fertig zu werden, so der Anwalt.

"Er wusste doch, dass er ohne Tabletten Teufelsstimmen hörte und Mordphantasien hatte"

Anders als Hillebrand argumentierte Nebenklagevertreter Rudolf Karras, der vor Gericht die Kinder des Opfers vertritt. Er zweifelte nicht an der Richtigkeit der Diagnose, sah aber im Verhalten des 27-Jährigen, sein Medikament abzusetzen, quasi ein Vorverschulden. Der Beschuldigte sei sich der Konsequenzen, die daraus erwuchsen, durchaus bewusst gewesen. Vor Gericht habe er zugegeben, dass er ohne Medikamente "Teufelsstimmen höre, Mordphantasien und ein Verlangen nach Blut habe und zum Vampir" werde. Er habe die Tat bereits 'vorgedacht' und genau gewusst, was passiere, wenn er die Tabletten absetze, das sei seine freie Entscheidung gewesen, argumentierte der Anwalt. 
Er plädierte deshalb dafür, das Verfahren über die Sicherungsverwahrung in ein Strafverfahren wegen Totschlags zu überführen. Die Unterbringung in der Psychiatrie befürwortete Karras aber ebenfalls. 

Das sah auch der Verteidiger des Beschuldigten als einzig richtige Konsequenz an. Sein Mandant habe krankheitsbedingt eben nicht frei entscheiden können - weder über die Einnahme der Medikamente noch über seine Taten. Dass er glaubte, er brauche die Tabletten nicht mehr, habe die Sachverständige als formale Denkstörung klassifiziert. Ihrer fundierten Expertise, dass der Mann schuldunfähig sei, müsse das Gericht folgen, denn: "Wir Juristen sind eben keine Ärzte", konstatierte Schütz.

Die Entscheidung des Gerichts soll am kommenden Montag verkündet werden. (ci)+++

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