Langwierige, komplexe Verhandlung

Mordfall Neuenberg: Verteidiger stellen Befangenheitsantrag gegen Gutachter

Der Angeklagte und seine drei Anwälte
O|N-Archivbilder

22.02.2022 / FULDA - Fortsetzung im Verfahren um den in Fulda-Neuenberg im Februar 2021 in seinem Auto erschossenen 41-Jährigen. Wie angekündigt stand am Montag die Befragung des psychiatrischen Gutachters Dr. Christian Knöchel durch die Prozessbeteiligten auf dem Programm. Während weder die Staatsanwältin Dr. Seban, noch die Nebenklagevertreter Fragen an den Sachverständigen hatten, warteten zwei der drei Verteidiger des Angeklagten mit einem ganzen Fragenkatalog auf, dessen ausführliche Beantwortung mehrere Stunden in Anspruch nahm. Zuvor hatten sie dem Gericht allerdings einen Antrag vorgelegt, demzufolge Dr. Knöchel wegen Befangenheit abgelehnt werden sollte.


Begründet wurde der Antrag der Verteidigung damit, dass Dr. Knöchel das Ergebnis seines Gutachtens quasi bereits vorweggenommen habe und damit nur seine "einseitige Annahmethese", dass der Angeklagte voll schuldfähig sei, habe stützen wollen. Umstände, die ihren Mandanten begünstigen würden, habe er "erschreckend konstant" weggelassen oder nicht berücksichtigt. Der Angeklagte leidet der Erkenntnis von Dr. Knöchel nach nicht an einer psychischen Erkrankung oder Störung und zeige auch keine Zeichen von Intelligenzminderung oder Persönlichkeitsstörung. Auch spreche das strukturierte, umsichtige Nachtatverhalten des Angeklagten laut Gutachter eindeutig gegen die Annahme einer Affekttat. Er hatte die Tötung als "Folge misslungener Problemlösungen" eingestuft.

Handelte der Täter doch im Affekt?

Die Verteidiger monierten, dass Dr. Knöchel bei seiner Einschätzung des Tatablaufs mehrere andere Möglichkeiten außer Acht gelassen habe. So spreche zum Beispiel die Tatsache, dass der Angeklagte seinen Pkw am Tatort zurückgelassen habe und zu Fuß geflüchtet sei, eben gerade nicht für dessen zielgerichtetes und logisch begründetes Handeln, argumentierten die Anwälte. Auch die ungeklärte Frage, ob es zwischen Täter und Opfer vor den Schüssen zu einem Wortwechsel gekommen sei, durch den sich ihr Mandant in besonderer Weise gekränkt und gedemütigt gefühlt habe, spiele bei der Beurteilung der Tat eine wichtige Rolle, die der Gutachter nicht gewürdigt habe, so die Verteidiger.

Nach einer längeren Verhandlungspause, in der das Gericht intern beriet, wies Richter Josef Richter den Befangenheitsantrag der Verteidiger als unbegründet zurück. Deren noch offene Fragen könnten bei der anschließenden Befragung von Dr. Knöchel ja noch geklärt werden. 

Von ihrem Fragerecht machten die Anwälte dann auch umfangreichen Gebrauch, so dass alle Prozessbeteiligten dank Dr. Knöchels fachlichen Ausführungen zu detaillierten Erkenntnissen über psychiatrische Phänomene wie Narzissmus, erhöhte Kränkbarkeit und Kontrollbedürftigkeit sowie Abstufungen von Eifersucht kamen. 

Für den kommenden Samstag sind die Plädoyers geplant. Das Urteil soll am 7. März fallen. (Carla Ihle-Becker)+++

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