Serie: Faszination Mythen und Sagen
Der naive Koch und der Dilldapp vom Friedrichshof
Fotos: Miriam Rommel
12.03.2018 / REGION -
Vor einigen Jahren, es ist noch gar nicht allzu lange her, versammelte sich in der Tanner Hasenmühle regelmäßig die Jägerschaft. Bei dem ein oder anderen Bier wurde abends ausgelassen gefachsimpelt, gelacht und den Fremden, die es manchmal in den alten Gasthof verschlug, gerne auch mal ein kleiner Schabernack gespielt.
Eines Abends - draußen war es bitter kalt - verirrte sich der Koch einer anderen Gaststätte in die Hasenmühle. Schnell fand er Anschluss an die Einheimischen, die eingeschworen an einem der vielen Tische saßen. Gespannt lauschte der Neuling den Geschichten über die Jagd und die Tiere, die in den Wäldern rund um den Habelberg lebten. Einem der Jäger fiel der Fremde ganz besonders auf, so glaubte er doch, in diesem ein gutes Opfer für einen lustigen Streich gefunden zu haben.
„Ich habe", begann er fast flüsternd zu erzählen, „erst gestern in der Nähe des Friedrichshofes den Dilldapp gesehen.“ Der Fremde traute seinen Ohren kaum. Einen Dilldapp? Von einem solchen Tier hatte er noch nie gehört. Zögernd rückte er noch ein Stück näher und fragte, was es denn mit diesem Wesen auf sich hätte. Der Schwager des Jägers ergriff das Wort und erklärte ihm, dass der Dilldapp, halb Tier, halb Mensch, eine besonders scheue Kreatur sei, die in den Wäldern rund um Tann lebe.
Gebannt lauschte der Koch den Erzählungen der Männer, ein Dritter hatte nun begonnen, das Wesen näher zu beschreiben. „Der Dilldapp ist riesig, mindestens so“, er stand auf, streckte den Arm über den Kopf und hielt etwa drei Handbreit über seinem Haupt inne. „Bestimmt zwei Meter groß.“
Der Koch war schon lange vor der Zeit am vereinbarten Treffpunkt. Der Schwager und der Dritte im Bunde erschienen kurz vor Mitternacht, nur von dem Jäger fehlte jede Spur. Es war eine kühle Novembernacht, der Nebel hatte sich unten in das Tanner Tal gelegt. Allmählich machte sich die ungewöhnliche Truppe auf den beschwerlichen Weg durch den Wald. Durch dichtes Dickicht der Fichten und auf holprigem Boden näherten sie sich der Stelle, an der sie das Ungetüm wähnten.
Dem Koch, der vor Aufregung am ganzen Körper zitterte, rieten seine beiden Führer, ab nun ganz leise zu sein. Vorsorglich hängte man ihm noch eine Kette aus Knoblauch um den Hals, weil das den Dilldapp am besten auf Abstand halten sollte. Sie hatten die Lichtung gerade erst betreten, als aus dem gegenüberliegenden Waldstück ein fürchterliches Gebrüll ertönte. Schaudernd wollte der Fremde schon davonrennen, nur seine Neugierde hielt ihn an Ort und Stelle. „Sollte das Wesen auch dich zukommen, dann lege dich schnell auf den Boden“, sagte ihm noch sein Begleiter und verschwand. Auch der Dritte im Bunde, der Schwager, war plötzlich nirgends mehr zu sehen.
Fürchterliche Angst packte den Koch, doch er blieb an Ort und Stelle. Das unheimliche Gebrüll aus dem Wald wurde immer heftiger, Schritte, so laut wie Kanonenschüsse, brachen durch die Nacht. Der arme Fremde wusste gar nicht, wie ihm geschah, als der Dilldapp, keine vier Meter von ihm entfernt, auf die Lichtung trat. Gar fürchterlich sah er aus: Mit seinen langen steifen Flügeln und den dunklen Federn, dem wirren Pelz auf dem Kopf und dem hinkenden Gang erinnerte es ihn an eine Gestalt aus der Hölle. Der Koch warf sich, wie geraten, auf den Boden. Aber weder das noch der Knoblauch konnten ihn in dieser Vollmondnacht retten. Der Dilldapp stürzte sich mit Geheul auf den Mann. Als das erbarmungslose Geschöpf bereits über ihm stand, rollte er sich auf die Seite, sprang auf und entschwand in die Nacht.
Der Dilldapp ward von diesem Tag an nicht mehr gesehen. Warum der Jäger nicht an diesem Ausflug teilgenommen hatte oder woher das unheimliche Wesen gekommen war - und wohin er wieder verschwand, weiß niemand. Die Geschichte vom Koch und dem Dilldapp kennen aber viele Tanner bis heute. (Miriam Rommel) +++
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