WIELOCHS WIRRE WELT (37)
Traum geplatzt: Keine Hamsterkäufe bei Sommerlad
25.07.2014 / FULDA -
Alles umsonst, alles aus! Mir geht es gerade so beschissen wie Tausenden anderen. Den ganzen Nachmittag hat eine komplette Region gestern ihre Häuser und Wohnungen leer geräumt, Betten, Tische, Schränke und Stühle für den Sperrmüll entsorgt. Denn – so war hinter vorgehaltener Hand zu hören – Sommerlad darf an der Autobahnausfahrt Fulda-Mitte für rund 30 Millionen Euro ein neues Möbel-Imperium errichten. Das für viel Geld erkaufte Gutachten war überraschenderweise positiv ausgefallen. Da die in der Steinzeit zurückgebliebenen Menschen in Osthessen Möbelgeschäfte bisher nur von Erzählungen und aus Spielfilmen kannten, immer noch in Einrichtungen aus der Nachkriegszeit hausten und deshalb auf den Sommerlad-Neubau so sehnlich warteten wie Adam auf Eva, traf sie diese Nachricht heute Vormittag mindestens so hart wie der Lahm-Rücktritt: Das Thema Sommerlad an der A7 hat sich erledigt, für immer und ewig.
Den Grund lieferte ungewollt ein Rentner aus Steinau an der Straße, der der Unteren Naturschutzbehörde in Fulda für eine banale Frage zum Erhaltungsschnitt in Streuobstbeständen das neue Hessische Programm für Agrarumwelt- und Landschaftspflege-Maßnahmen zugespielt hatte. Unter Punkt „H.2: Artenschutzfachliche Sonderleistungen“ wird hier auf die besondere Förderung und den Schutz von Feldhamstern bei infrastrukturell geänderten gewerblichen Neubauten hingewiesen. In Absatz 1.3 „Feldhamster-Mutterzellen“ heißt es wörtlich: „Nur Areale und Zellen, aus denen sich Hamster freiwillig und ohne Druck nach dem persönlichen Dialog mit Sachbearbeitern des Bauamtes und diplomierten Psychologen vom Acker machen, dürfen als Baugebiet ausgewiesen werden.“
Mitarbeiter der Unteren Naturschutzbehörde brauchten keine zwei Stunden, um zu dem Ergebnis zu kommen: Auf dem interkommunalen Gewerbegebiet leben mehr Hamster als Würmer im nordfriesischen Wattenmeer, die zudem keinerlei Gesprächsbereitschaft an den Tag legen. Deshalb gilt: Die Wiese bleibt Wiese. Fuldas Oberbürgermeister Gerhard Möller, Künzells Rathauschef Peter Meinecke und der Eichenzeller Kollege Dieter Kolb waren auf eine derartige Hiobsbotschaft offenbar vorbereitet. Blitzschnell verbreitete das Trio eine Pressemitteilung, wonach riesige zusammenhängende Ackerflächen hinter dem Rauschenberg in Petersberg als alternativer neuer Sommerlad-Standort geeignet seien. Petersbergs Bürgermeister Karl-Josef Schwiddessen, der erst vor wenigen Tagen die Zukunft der Bundesrepublik vom Sommerlad-Projekt abhängig gemacht hatte, reagierte eher zurückhaltend auf den Vorschlag: „Die Energiewende muss bezahlbar bleiben. Genau das ist jetzt die Aufgabe der Politik, dafür eine tragfähige Lösung zu finden.“
Die heimatlosen Kinder wurden in Wellblechbaracken, den „Favelas vom Petersberg“, auf dem ursprünglich für Sommerlad vorgesehenen Grundstück an der Autobahn untergebracht. Des Volkes Seele kocht. „Hier ist es viel zu laut“, demonstrieren täglich Hunderte. „Die erkälten sich“, toben andere und fordern: „Schenkt ihnen eine neue Heimat ohne Autos!“ Nicht den Kindern, sondern den Hamstern. (Jochen Wieloch)
HINTERGRUND: „Wielochs wirre Welt" erscheint heute am 37. Freitag in Folge bei OSTHESSEN|NEWS. Jochen Wieloch (38) blickt dabei pointiert, humorvoll und teilweise mit einer gehörigen Portion Ironie auf die Ereignisse, die die Menschen in der Region und im Land bewegen. Der Petersberger kennt sich als selbstständiger Redakteur in den Medien Print, TV und Internet bestens aus, ist Buchautor und als Spezialist für Unterhaltungselektronik gefragter Autor für zahlreiche Verlage, Magazine und Fachzeitschriften. Außerdem berät und betreut der 38-Jährige Unternehmen in allen Fragen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Neben dem ZDF, 3sat und dem Bayerischen Rundfunk arbeitete Jochen Wieloch unter anderem auch für die Motor Presse in Stuttgart und auto-tv in München. Für osthessen-tv.de stellt der Germanist neuerdings regelmäßig automobile Neuheiten in Filmbeiträgen vor. +++