"Ich habe im Leben viel Glück gehabt"

Fußballstar Sebastian Kehl im Interview



24.06.2014 / FULDA - Sebastian Kehl geht nach der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien in seine letzte Saison als Fußballprofi. Er ist DER Osthesse im deutschen Profi-Fußball, mit dem sich eine ganze Region identifiziert. Seit mittlerweile zwölf Jahren spielt der gebürtige Lahrbacher bei Borussia Dortmund. Der 34-Jährige trug selbst schon bei Weltmeisterschaften das Trikot der deutschen Nationalmannschaft. Wir haben ihn getroffen und über seine Zukunft, den guten Zweck, die WM in Brasilien und Newcomer Shkodran Mustafi gesprochen.


ON: Guten Tag Herr Kehl, mittlerweile sind Sie vom Wahldortmunder zum waschechten Ruhrpottler geworden. Ist es dennoch schön mal wieder zurück in die Heimat zu kommen?


Sebastian Kehl: Ich komme immer wieder gerne zurück: Ich bin hier aufgewachsen, meine Familie und Freunde wohnen hier. Leider kommt es durch viele Spiele und viele englische Wochen im Fußball immer seltener vor. Außerdem habe ich zwei Kinder, da ist man nicht mehr so spontan wie früher.  Trotzdem freue ich mich wieder in Fulda zu sein .


Viele Sportler nutzen ihre Bekanntheit aus, um sich für gute Zwecke einzusetzen. Sie gehen mit gutem Beispiel voran, siehe die SMOG-Aktion im dm-Markt - sehen Sie es als Pflicht an?

Es ist keine Pflicht, eher will ich ein Stück weit etwas zurückgeben: Ich habe in meinem Leben viel Glück gehabt, bin wohlbehütet aufgewachsen, habe eine gute Erziehung genossen. Viele haben all diese Privilegien nicht. Es ist mir ein Herzenswunsch etwas zurückzugeben. Die Leute sollen sehen, dass ich mein Glück anerkenne, aber mich nicht davor verschließe, dass es viele Menschen gibt, denen es nicht so gut geht.


Zum Sportlichen: Für Sie heißt es ein letztes Jahr beim BVB. Was können Sie noch aus der Trickkiste zaubern, um den FC Bayern München zu ärgern?

Spielen die Bayern wieder so konstant wie letztes Jahr, wird es schwer sie zu schlagen. Deshalb werden sie in der neuen Saison auch absoluter Favorit sein. Trotzdem geben wir natürlich alles, um sie zu besiegen, aber es liegt ja nicht nur an uns. Alle anderen Mannschaften müssen versuchen sie etwas mehr zu ärgern.


Viele Bundesliga-Stars, nicht nur die vom BVB, spielen gerade bei der WM in Brasilien. Wie verfolgt man das als Ex-Nationalspieler?

(Lacht) Wie jeder Fan auch - vorm Fernseher. Was anderes bleibt mir ja nicht übrig. Natürlich hat man auch noch Kontakt zu den Jungs und sieht das ganze aus einer etwas anderen Perspektive. Ich freue mich wie jeder Fan über das Auftreten der Deutschen, ich habe mich genauso über das frühe Ausscheiden der Spanier gewundert. Diese WM birgt eine Menge Spannung.


Der Auftaktsieg gegen Portugal war eine Hausnummer, das Spiel gegen Ghana so lala. Wie weit kann es gehen?

Der Auftaktsieg war sehr wichtig und tut gut, aber in einem solchem Turnier muss man am Ende alle Spiele gewinnen, um den Pokal hoch zu halten. Deshalb darf sich die Nationalmannschaft keine Fehler erlauben, wobei ich denke, dass wir das letzte Gruppenspiel gewinnen. Danach werden wir sehen, gegen wen es geht - es gehört auch ein bisschen Glück dazu.


Nach 2010 ohne osthessische Vertretung ist in diesem Jahr einer dabei: Shkodran Mustafi tritt in Ihre Fußstapfen, als Osthesse mit dem Bundesadler auf der Brust. Kann er ein würdiger Nachfolger werden?

Ich habe seine Karriere nicht in allen Zügen verfolgt, freue mich natürlich trotzdem, dass er als Hesse noch ins Team gerutscht ist. Die Erfahrungen die man bei einer WM sammelt sind gut, um die nächsten Schritte in der Karriere zu gehen. Vielleicht sehen wir ihn ja bald in der Bundesliga, es würde mich freuen.


Bekommt man aus Dortmund in rund 280 Kilometern etwas vom osthessischen Fußball mit ?

Ab und an: ich habe natürlich noch Kontakt zu ehemaligen Kollegen von hier, die erzählen mir was in der Region so abgeht. Auch meine beiden Brüder spielen Fußball, demnach bin ich schon noch heimatverbunden. Mich hat es gefreut, dass Borussia Fulda wieder aufgestiegen ist. Doch auch mit Lehnerz und Flieden hat die Region gute Vereine, bei denen gute Arbeit geleistet wird.


Gibt es schon Pläne, wo es Sie nach dem letzten Jahr beim BVB und Ihrem angekündigten Karriereende hinzieht? Vielleicht sogar nach Osthessen?

Das weiß ich noch nicht. Ich bin ehrlich gesagt für alles offen, wobei ich mir sehr gut eine Zukunft bei Borussia Dortmund vorstellen kann. Ich würde mich freuen dort weiter mitzuwirken. In diesem Jahr werde ich mich mit meiner nachfußballerischen Karriere beschäftigen und Pläne für die Zukunft schmieden. Ich bin nur froh, dass ich mein Karriereende aus freien Stücken wählen kann und nicht wegen Verletzungen oder zu schwachen Leistungen dazu gezwungen bin - das war mir sehr wichtig.


Viele Dank und viel Glück in der neuen Saison. (Julius Böhm) +++

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