Alle Register der Ruine gezogen
Glanzstück "KISS ME KATE" bei den Festspielen - V I D E O
Fotos: Hans Hermann Dohmen
20.06.2014 / BAD HERSFELD -
Dies lässt sich wiederum auf das spezielle Bad Hersfelder Umfeld projizieren. Stefan Hubers packt in seiner Inszenierung das Stück im Stück in eine weitere Schachtel ein: die Realität der diesjährigen Bad Hersfelder Festspiele. Und wieder einmal werden die Grenzen zwischen Theater und Wirklichkeit fließend: Auf der zunächst leeren Bühne entsteht durch mitgebrachte Requisiten in der ersten Szene Bad Hersfelder Theaterrealität; die Festpielkantine auf der einen Seite und die Garderobenräume auf der anderen. Im Zentrum bildet Stephan Prattes (Bühnenbild) die Kulisse der Stiftsruine selbst ab, eine Hommage an die theatralische Ästhetik der Klosterkulisse und ein faszinierendes Stilmittel im Spiel mit Phantasie und Wirklichkeit.
Dieses Spiel ist auch in den zentralen Rollen des Musical-Klassikers angelegt. Es verlangt von den Darstellern eine breites Ausdrucksspektrum. Thomas Borchert (Fred Graham/Petruchio) und Katharine Mehrling (Lilli Vanessi/Kate) beweisen dies von Anfang an, und was noch mehr beeindruckt: sie schaffen es, den Spannungsbogen bis zur letzten Szene aufrecht zu erhalten.
Die Choreografie von Melissa King und vor allem ihre meisterhafte Umsetzung durch das Ensemble auf der Bühne geben dem Stück eine zusätzliche Dimension. Die Dynamik der Bewegung, die Farbigkeit der Musik, das Wechselspiel der Perspektiven, das Verweben der Handlungsebenen lassen das Bezugssystem des Zuschauers verschwimmen. Man treibt im Strom Stücks im Strudel Eindrücke, vergisst Zeit und Raum. Auf der musikalischen Ebene wirkt die rhythmische Präzision der Kompositionen hier wie eine ordnende Schwerkraft, die Orientierung gibt. Auf der Bühne sind es Bühnenbild (Stephan Prattes) und Kostüme (Susanne Hubrich, Andrea Wagner), die diese Orientierung geben. Bunt ist nicht gleich bunt, und farblos nicht der einzige Konttrast zur Farbigkeit. Die Gegenüberstellung von monochromen Farben und gewagten Farbmixturen stellen ein ordnendes und zugleich dynamisches System dar.
Standing Ovations sollten eine besondere Auszeichnung bleiben, auch in Bad Hersfeld - diese Premiere hatte sie verdient und bekam sie ohne Zögern durch ein begeistertes Publikum. (Klaus Scheuer) +++