NACHGEDACHT (69)

Ohne Angst die Wahrheit sprechen - Gedanken von Christina LEINWEBER



27.04.2014 / NACHGEDACHT (69) - Beim Stöbern im Kaufhaus sagt eine junge Frau direkt zu ihrer Begleitung: "Das Oberteil ist aber teuer." Der etwa zweijährige Junge im Kindersitz des Einkaufswagens ruft daraufhin deutlich laut: "Teuer, teuer, eieiei!" Klasse, ein Lachen kann man sich da sicher nicht verkneifen. Selbst die Verkäuferinnen schmunzelten.


So - und warum flüsterte die junge Frau wohl und ihr Kind nicht? Das Kind kennt noch keine Scham - es sagt noch, was ihm in den Sinn kommt. Überspitzt gesagt - das Kind sagt noch die Wahrheit. Erst im Laufe der Zeit lernt man, auch mal nicht die Wahrheit zu sagen, weil man dann vielleicht besser fährt und mehr Vorteile erzielt. Wir denken und sprechen sehr oft strategisch.

Dass man auch mal den Mund halten sollte, versteht sich von selbst - zum Beispiel ehe man grundlos verletzend wird. Aber eigentlich dürfen und sollten wir es mal so wie dieser kleine Junge machen. Er tut es zwar nicht bewusst, aber wir sollten auch einmal wieder lernen, häufiger die Wahrheit zu sagen. Wenn wir uns ärgern, wenn wir uns verletzt fühlen. Warum nicht einmal in normalen Ton zu jemanden sagen: "Deine Worte habe ich gerade als beleidigend empfunden. Das hat mich verletzt." Wie reagiert das Gegenüber dann wohl? Wahrscheinlich peinlich berührt?!

Man kann es ja mal ausprobieren. Denn immer Runterschlucken, immer "Mund zu" führt zu keiner Veränderung. Man sollte keine Angst dabei haben und rot vor Scham werden. Und wichtig ist, dass man es richtig sagt. Nicht verärgert oder niveaulos, nicht schreiend und wütend. So erreicht man niemanden. Jemanden höflich und trotzdem wertschätzend die Wahrheit zu sagen, ist eine Kunst, die nicht mehr viele beherrschen. (Christina LEINWEBER).  +++

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ZUR PERSON: Christina Leinweber, 1988 geboren in der osthessischen Bischofsstadt Fulda, neun Jahre katholisch-private Schulausbildung – so war der Weg zum Theologiestudium für sie vorbestimmt und beschlossen. Es ging dann für vier Jahre Studium in die nächste Bischofsstadt Paderborn - hat inzwischen ihr 1. Staatsexamen in der Tasche und ist seit Anfang November im Schuldienst des Landes Hessen. Ihre Tätigkeit als Kolumnistin bei osthessen-news.de möchte sie auch in Zukunft fortsetzen. Sie selbst bezeichnet sich als liberal-theologisch und kommentiert (seit 69 Wochen) in der Serie "NACHGEDACHT" Dinge des Alltags aus ihrer persönlichen Sicht. +++

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