NACHGEDACHT (57)

Wollen Sie immer die Wahrheit wissen? - von Christina LEINWEBER



02.02.2014 / NACHGEDACHT (57) - Vollkommene Stille – das Herz schlägt laut – Poch, Poch, Poch – man hört nur die Stimme, die bohrend und fast schrill im Raum redet – das Blut fährt im Körper Karussell – irgendwie zieht sich der Bereich zwischen Herz und Magen zusammen – so, dass man glaubt, keine Luft mehr zu bekommen. Kennen Sie solche Situationen? Manchmal erlebt man seinen Körper so, wenn man etwas gesagt bekommt und man will es gar nicht hören, denn es wird das weitere Leben bestimmen. So wie es eben beschrieben wurde, kann es sich anfühlen: wenn man eine Note mitgeteilt bekommt, wenn man bei einem Bewerbungsgespräch sitzt, wenn der Chef ins Arbeitszimmer ruft. Oder noch härter: wenn man eine schlechte Nachricht vom Arzt bekommt. Oder ganz allgemein: Man hört etwas, das man gar nicht hören wollte und es trifft voll auf die Neun und tut höllisch weh.



„Seelig sind die Unwissenden" sage ich deswegen oft. Im Volksmund heißt es auch: „Was man nicht weiß, macht einen nicht heiß!" Tatsächlich gewinne ich diesem Satz ganz oft ganz viel ab und ich sage: „Ja, das wollte ich niemals wissen, jetzt ist alles anders. Hätte ich das bloß nie erfahren." Aber ist dieses Denken tatsächlich richtig? Ist das der Königsweg im Leben – lieber will ich vieles nicht wissen, was mich auch verletzen könnte?

Ich denke, dass die Unwissenheit von der Wahrheit übertrumpft wird. Wir sollten wissen, woran wir sind. Wir sollten auch einmal der Wahrheit in die Augen schauen. Auch einmal schonungslos. Auch wenn wird die ganze Wahrheit wohl nie erfahren können, aber selbst ihr möglicher Teil ist immer noch besser, als unwissend daher zu laufen. Dies ist fast wie blind oder ständig getäuscht ein Leben zu führen. Vielleicht ist es leichter, nicht alles zu wissen und besonders, nicht alles zu fragen. Man sagt ja oft: Frage niemals, wenn du die Antwort nicht vertragen kannst.

Genau, vieles können wir nicht ertragen. Vieles wollen wir nicht wissen. Denn wie August von Kotzebue schon sagte: „Die Wahrheit ist eine widerliche Arznei; man bleibt lieber krank, ehe man sich entschliesst, sie einzunehmen." Schön an diesem Zitat ist: In Unwissenheit zu leben wird als krank beschrieben, so sehe ich das auch. Also: Lieber wissen und danach handeln können als getäuscht die falschen Wege beschreiten, oder?! (Christina Leinweber) +++
_________________________________

ZUR PERSON: Christina Leinweber, 1988 geboren in der osthessischen Bischofsstadt Fulda, neun Jahre katholisch-private Schulausbildung – so war der Weg zum Theologiestudium für sie vorbestimmt und beschlossen. Es ging dann für vier Jahre Studium in die nächste Bischofsstadt Paderborn - hat inzwischen ihr 1. Staatsexamen in der Tasche und ist seit Anfang November im Schuldienst des Landes Hessen. Ihre Tätigkeit als Kolumnistin bei osthessen-news.de möchte sie auch in Zukunft fortsetzen. Sie selbst bezeichnet sich als liberal-theologisch und kommentiert (seit 57 Wochen) in der Serie "NACHGEDACHT" Dinge des Alltags aus ihrer persönlichen Sicht. +++

X