Tag der Deutschen Einheit: „Wir sind eins - und werden es auch bleiben“
Foto: Archiv Museum Vacha
03.10.2013 / PHILIPPSTHAL/VACHA -
Heute ist Tag der Deutschen Einheit. Vor 23 Jahren begann eine Ära, während der endlich zusammenwachsen durfte, was zusammen gehört. Am 3. Oktober 1990 fand der Prozess der Wiedervereinigung mit dem offiziellen Beitritt der DDR zur Bundesrepublik seinen formalen Abschluss. „Es war eine verrückte Zeit", lässt Vachas ehemaliger Bürgermeister Frank Pach die elf Monate Revue passieren, die zwischen dem Fall der Mauer am 9. November 1989 und dem Hissen der Fahne der Einheit lagen. „Es war eine Zeit, die von Euphorie geprägt war", erinnert sich die Philippsthaler Pfarrerin Rita Stückrad-Frisch. Beide, Zeitzeugen der Wende, geben exklusiv für Osthessen-News Einblicke in ihre persönlichen Kapitel, die die deutsch-deutsche Geschichte schrieb...
„Am Abend des 11. November 1989, das war ein Samstag, besuchte ich mit meinem Mann und meinen Schwiegereltern ein Kirchenkonzert in Philippsthal", erzählt Rita Stückrad-Frisch (59), seit 1979 Pfarrerin in Philippsthal. „Nach der Veranstaltung fuhren wir zur Werrabrücke bei Philippsthal-Weidenhain. Eigentlich wollten wir nur einen Blick über die Grenze werfen und schauen, ob im – von unserem Standort einsehbaren – Vachaer Pfarrhaus an der Johanniskirche noch Licht brennt. Der dort lebende evangelische Superintendent Peter Raatz, mit dem wir – soweit es damals möglich war – in Kontakt standen, hatte nämlich wenige Tage zuvor Geburtstag gehabt. Sicherlich war uns etwas mulmig zumute, es war eine neblige und kalte Nacht. Plötzlich sprach uns ganz freundlich ein DDR-Grenzer an, und teilte uns mit, dass in wenigen Stunden die Mauer zwischen Philippsthal und Vacha falle. Wir konnten das alles nicht fassen, verharrten aber an unserer Stelle. Mittlerweile fanden sich immer mehr Menschen beim Grenzübergang an der Werrabrücke ein. Hand in Hand bauten Bundesgrenzschutzbeamte und DDR-Grenzsoldaten die Mauer und Zäune ab. Frenetischer Jubel bei jedem abgehobenen Stein...
Am Sonntag um 6 Uhr läuteten die Kirchenglocken – als Zeichen der Freude. Halb Philippsthal war bereits auf den Beinen. Mit unseren Kindern pilgerten wir morgens über die Brücke nach Vacha. Viele Vachaer hatten den Fall der Mauer regelrecht verschlafen, starrten uns aus erstaunten Augen an. Dann ging alles Schlag auf Schlag. Beide Orte waren komplett überfüllt. Vachaer hasteten über die Werrabrücke gen Westen. Ich glaube, dass damals viele von ihnen Angst hatten, dass die Grenze wieder dicht gemacht wird. Am Abend des 12. November feierten wir einen Gottesdienst – mit ‚Ost’ und ‚West’. Ich weiß noch, dass die damalige Pröpstin Roswitha Alterhoff die Kirche erst mit dem Segensspruch erreichte – da rund um Philippsthal ein einziges Verkehrschaos herrschte.
Frank Pach (52), ehemaliger Bürgermeister von Vacha, umschreibt seine Erlebnisse im Zug der Wende mit folgenden Worten: „Als am Sonntag, 12. November 1989, die Grenze zwischen Philippsthal und Vacha geöffnet wurde, war ich bereits einen Tag im ‚Westen’. Ich war in der Nacht vom Freitag auf Samstag mit unserem Trabi über den Grenzübergang in Eisenach in Richtung Bundesrepublik aufgebrochen, wollte meine Frau überraschen, die sich auf einem Verwandtschaftsbesuch im Ruhrgebiet befand. Der ‚Ausflug’ meiner Frau war bereits lange geplant. Während sie einen Besuchsreiseantrag stellen und die Grenzkontrollen über sich ergehen lassen musste, hatte ich – abgesehen von den riesigen Trabischlangen, die sich gen Bundesrepublik bildeten – freie Fahrt. Mit großem Hallo empfing mich die damalige Geburtstagsgesellschaft in Nordrhein-Westfalen. Gebannt verfolgten wir vor dem Fernseher die sich überschlagenden Ereignisse. In der Nacht von Sonntag auf Montag überquerten wir dann die geöffnete Grenze zwischen Philippsthal und Vacha. Zuvor standen wir bei Friedewald stundenlang im Stau.
Dabei stand uns unsere Nachbargemeinde zur Seite: Vacha hat in dieser ‚wilden’ Zeit viel politische, finanzielle und moralische Unterstützung von der Gemeindeverwaltung, den Vereinen und den Bürgern Philippsthals erhalten. Wir wurden an das Rechenzentrum in Kassel angeschlossen, bekamen auf schnellstem Weg ein Telefonnetz. Die simpelsten Sachen wurden vom ‚Westen’ in unser Rathaus gekarrt – eine Schreibmaschine, ein Computer, Telefone und Papier. Alles Dinge, die bei uns Mangelware waren, die aber so wichtig waren, um einen funktionierenden Verwaltungsapparat aufzubauen.
Das Resultat: Vacha lebte auf. Aufbruchsstimmung machte sich breit, aber auch Verwirrung: Schließlich musste nach der Wiedervereinigung jeder von uns erst wieder seinen Platz in der Gesellschaft finden. Aber allen war von Beginn an klar: Wir sind eins, und werden das auch bleiben..." (Stefanie Harth)
Weitere Infos gibt es auch unter:
http://schlosskirche-philippsthal.de/
http://www.ekkw.de/hersfeld/gemeinden/philippsthal.html +++
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