Diskussion mit Staatsminister
Gegen Formulare, Frist und Frust: VBE-Gewerkschaftstag im Esperanto
Fotos: Anna Weißenberger
01.11.2025 / FULDA - Wo kann im Schulalltag Bürokratie abgebaut werden? Wie kann die Politik Lehrer entlassen? Der Gewerkschaftstag des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), ausgetragen vom VBE-Landesverband Hessen, am Freitagvormittag stand ganz unter dem Motto "Weniger ist mehr: Befreit die Schulen von Bürokratie!".
Neben dem Austausch mit Gewerkschaftsmitgliedern aus ganz Deutschland, standen vor allem die eingeladenen politischen Vertreter im Fokus: Armin Schwarz, Minister für Kultus, Bildung und Chancen und die Landtagsabgeordneten Nina Heidt-Sommer (SPD), Daniel May (Bündnis90/Die Grünen) und Moritz Prommy (FDP) stellten sich den Fragen von Moderatorin Eva Keller und gaben einen Einblick in den Verlauf des Bürokratieabbaus.
Neue Gesetze auf Prüfstand stellen
"Ich möchte am Anfang betonen, dass ein Rechtsstaat ohne Bürokratie nicht vorstellbar ist. Wenn jeder einfach macht, was er will, dann haben wir zwar keine Bürokratie mehr, aber wir haben auch keinen funktionierenden Rechtsstaat", betonte Heini Schmitt, Landesvorsitzender der dbb Hessen, "Mein Traum, um die bürokratische Situation trotzdem zu verbessern, ist, dass wir alles, was wir neu in den Parlamenten an Gesetzgebung bekommen, vielleicht direkt auf den Prüfstand stellen. Brauchen wir diesen Regelungsstil? Brauchen wir dieses Gesetz überhaupt? Können wir ein anderes, das mit der gleichen Haltung vorgelagert war, vielleicht abschaffen oder auslaufen lassen?"Startchancen-Programm, Digitalpakt und Ganztagsschule
Simone Fleischmann ist seit 2015 Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands und machte am Gewerkschaftstag der VBE ebenfalls ihren Standpunkt klar: "Ich sitze als Lehrerin in der dbb Bundesleitung. Wir müssen schauen, dass der Deutsche Beamtenbund auf Bundesebene unsere Interessen als Lehrerinnen und Lehrer vertritt. Ich will die Bildung in der Vordergrund bringen und dafür kämpfe ich. Und da gehe ich auch manchmal über meine Rolle hinweg, weil es verdammt wichtig ist, dass in der Bundesregierung geschnallt wird, dass ohne Bildung nichts läuft."Wenn sie die Kolleginnen und Kollegen in Bayern fragen, dann werden ganz viele Gelder nicht abgerufen. Da werden ganz viele Gelder für andere Dinge ausgegeben. Viele Kommunen haben außerdem nicht die Kohle, um das Programm weiter zu finanzieren." Auch zum Digitalpakt positionierte sich die Präsidentin deutlich: "Wir müssen uns die Frage stellen, was pädagogisch moderne Bildung bedeutet, was uns Lehrer weiterbringt und was den Kindern hilft. In Bayern wurden bis jetzt aber nur 20 Prozent der Gelder aus dem Digitalpakt abgegriffen." Im Bereich der Ganztagsschule konnte sie ebenfalls einiges berichten: "Wenn sich das Familienbild immer mehr wandelt, muss sich auch das Angebot der Schule wandeln. Ich war als Schulleiterin bei einem Modellversuch der Ganztagsschule dabei, wir hatten 19 zusätzliche Stunden pro Klasse, das war Luxusbildung: Die Kinder hatten viel Förderung und viel Differenzierung, wir haben externe Experten in die Schule geholt. Momentan fehlt aber ganz klar das Personal. Wir haben Lehrer-Mangel, keine Räumlichkeiten und auch keine Zeit, Kinder bis zum Nachmittag zu betreuen." Sie appellierte an die Politiker: "Fakt ist, dass wir uns die Achsen rausreißen für die Schülerinnen und Schüler und das muss man sehen. Deswegen fordern wir volles Vertrauen, keine Stempel-Uhr und die Anerkennung unserer Professionalität. Wir arbeiten nicht zu wenig, sondern eher zu viel."
"Frisst Zeit und kostet Energie"
"Es wird uns an den Schulen nicht immer leicht gemacht, unsere wichtigen Aufgaben zu erfüllen", begann Tomi Neckov, stellvertretender Bundesvorsitzender der VBE, "Lehrkräfte-Mangel, steigende Anforderungen, immer neue Projekte und Vorgaben, das frisst Zeit und kostet Energie." Ihm sei bewusst, dass Schulprogramme, Förderkonzepte, Inklusions-Dokumentationen, Ganztags-Konzepte und Evaluationen zwar gut gemeint, aber für die Lehrkräfte aufgrund des Arbeitsaufwands zu viel seien.Mit Vollgas gegen die Bürokratie
Im Rahmen der anschließenden Podiumsdiskussion teilte Staatsminister Armin Schwarz seinen Standpunkt zum Thema Bürokratie mit: "Wir haben im Bereich Bürokratie jede Menge zu tun. Deswegen haben wir den ersten Entbürokratisierungsminister Deutschlands eingeführt und ich kann sagen, wir gehen wirklich voran. Einer der Redner hat vorhin gesagt, dass man Lehrkräften Vertrauen geben sollte. Dieses Vertrauen ist die Grundlage für die Entbürokratisierung und da gehen wir Vollgas rein." Erste Maßnahmen sind die Reduzierung der Nachweispflichten und der Förderpläne, wie er verriet. "Am 1. Oktober ist außerdem ein Chatbot an den Start gegangen, der funktioniert wie ChatGBT. Je mehr mitmachen, desto mehr wird er zur Entlastung von Schulleitungen, zur Vorbereitung des Unterrichts und zur Unterstützung der Schülerinnen und Schüler beitragen. Sie sehen, wir stecken mittendrin", betonte er. (Anna Weißenberger) +++