Über das Ziel hinaus geschossen
Spitzel-Portal? Innenminister Poseck: "Hessen gegen Hetze wird jetzt reformiert!"
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02.11.2025 / WIESBADEN -
"Du hast es verdient, vergewaltigt und getötet zu werden ..." - "Juden sind nichts als Parasiten." - "Eine Kugel für Merz ist ein Schritt in die richtige Richtung." - "Noch in diesem Jahr muss der ganze links-grüne Rotz erschossen werden." - "Gut, dass dieses Schwein, das unser Land an die Invasoren verschenkt hat, erschossen wurde." - "Die Scheißjuden sollen da bleiben, wo sie sind. Sie sind noch schlimmer wie Adolf Hitler."
Ein Fall, der weiter für Aufruhr sorgt - Kritiker sprechen von Denunziation, Einschüchterung durch den Staat und sogar "Stasi-Methoden". Während die AfD und die FDP in Hessen die Abschaffung der Meldestelle fordern, wollen die Grünen das Portal weiter stärken.
Zwar habe das Team von "Hessen gegen Hetze" im Fall Bolz zunächst vertretbar gehandelt, denn der Post 'Deutschland erwache' sei nach geltender Rechtsprechung eine Nazi-Parole und strafbar, so der Minister.
Was dann passierte, sieht Roman Poseck allerdings sehr kritisch: "Die Berliner Justiz ist hier nach meiner Auffassung über das Ziel hinaus geschossen. Die nähere Abwägung, auch im Kontext von Meinungsfreiheit und Satire, ist ausschließlich Sache der Justiz. Auch aus meiner persönlichen Sicht als ehemaliger Richter hätte die Berliner Justiz anders agieren, die Äußerung stärker in den Gesamtkontext stellen und damit auf eine Durchsuchung verzichten können", so der CDU-Innenminister, der zuvor hessischer Justizminister und davor Präsident des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main war.
Die Meldestelle, ein "Spitzel-Portal"? Poseck: "Völlig unangemessen!"
Die Meldestelle "Hessen gegen Hetze" ist am 16. Januar 2020 ans Netz gegangen. Seitdem sind rund 85.000 Meldungen eingegangen. 27.000 wurden wegen potenziell strafrechtlicher Relevanz an das BKA und knapp 14.000 an die Zentralstelle für Internetkriminalität (ZIT) bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main weitergeleitet. "Dennoch sehe ich es nicht als notwendig an, dass wir weiterhin eine Service-Dienstleistung für die gesamte Bundesrepublik übernehmen", betont der Innenminister, der von jährlichen Kosten - vorwiegend für die etwa zehn Mitarbeiter - in Höhe von rund 1 Mio. Euro spricht.Von einem "Spitzel-Portal" will Poseck aber nichts wissen. "Das ist völlig unangemessen. Hier geht es nicht um Denunziantentum", macht Roman Poseck gegenüber OSTHESSEN|NEWS klar. "Wer sich innerhalb der Meinungsfreiheit bewegt, selbst mit streitbaren oder geschmacklosen Aussagen, hat überhaupt nichts zu befürchten. Wir haben ein breites Spektrum an Meinungsfreiheit." Bei der Meldestelle würden dennoch viele "unerträgliche und eindeutig strafbare Inhalte" eingehen: "Hier geht es um die Durchsetzung des Rechtsstaats und den Schutz von Betroffenen. Das ist unsere Aufgabe als Staat und das hat nichts mit Denunziantentum zu tun."
Innenminister hat aus den Medien vom Fall Bolz erfahren
Wie geht es nun weiter mit der Meldestelle? Die von Innenminister Poseck angekündigte Reform ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung, allerdings sollten die Hinweise nicht nur anhand eines Strafkatalogs geprüft, sondern immer auch in den Gesamtkontext gestellt und bewertet werden. Bei einer Abschaltung von "Hessen gegen Hetze" würden tausende Hinweise auf antisemitischen Hass, Mordaufrufe und andere schwerwiegende Hetze unbeachtet einfach verloren gehen. Das kann auch nicht im Sinne des Rechtsstaats sein. Fakt ist aber auch: Die erwartete Wirkung hat das Portal nicht gebracht. Hass und Hetze im Netz sind allgegenwärtig - Tendenz leider steigend. (Christian P. Stadtfeld) +++