Predigt im Wortlaut
Bonifatiusvesper im Dom - Predigt von Bischof Heinrich Timmerevers
Fotos: Deutsche Bischofskonferenz
25.09.2025 / FULDA -
In der Bonifatiusvesper zur Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz am Mittwoch predigte Bischof Heinrich Timmerevers (Dresden-Meißen) im Dom zu Fulda. Wir veröffentlichen seine Predigt im Wortlaut:
Denkt nicht mehr an das, was früher war;
auf das, was vergangen ist, achtet nicht mehr!
Siehe, nun mache ich etwas Neues.
Schon sprießt es, merkt ihr es nicht?
Ja, ich lege einen Weg an durch die Wüste
und Flüsse durchs Ödland.
Gegen Ende meines zweiten Jahres als Bischof von Dresden-Meißen – ich komme gebürtig aus dem Oldenburger Münsterland, Bistum Münster – hatte ich mich mit einem Anliegen an eine mir seit Langem bekannte Person ganz im Westen der Bundesrepublik Deutschland gewandt. Am Telefon konnten wir die Frage besprechen. Dann gab es noch einen kurzen Wortwechsel, meine Gesprächspartnerin merkte an: "Sie Ärmster, Sie mussten in den Osten gehen!" Ich antwortete ihr: "Ach, hier ist es ganz schön." Darauf fragte sie: "Was ist denn im Osten schön?" Im ersten Moment habe ich geschwiegen, aber dann flog mir gewissermaßen ein Satz heraus, den hatte ich vorher noch nie gedacht und gesprochen: "Wissen Sie, das Schönste für mich hier ist: dem lieben Gott bei der Arbeit zuzuschauen!" Sofort folgte die Reaktion: "Wie das?" Ich antwortete: "Wenn ich die Lebensgeschichten und die Wege der Erwachsenen sehe, die um die Taufe bitten, kann ich nur staunen. Hier ist Gott am Werk!"
Für unser Bistum jedenfalls kann ich sagen, das ist nicht das Ergebnis unserer missionarischen Arbeit und unseres pastoralen Bemühens. Zwar finden in einer Reihe von Gemeinden, immer im Herbst beginnend, Glaubenskurse statt. Die Personen, die sich anmelden, kommen mit ganz unterschiedlichen Beweggründen und Motiven zu diesen Kursen.
Drei Gruppen lassen sich ausmachen: die erste Gruppe: das sind Personen, die durch irgendeinen Umstand auf die Frage nach dem Sinn des Lebens, auf die Frage nach Gott gestoßen sind. Z. B.: Da ist ein junger Intensivpfleger, und er stellt nüchtern fest: manchmal sterben mir die Patienten unter meinen Händen weg, und ich frage mich, in welche Hände fallen sie jetzt. Er geht der Frage nach, begibt sich auf eine lange Suche und findet schließlich im Glauben der Christen eine Antwort und lässt sich taufen.
Ein drittes Beispiel: Eine blinde Muslima, in Deutschland geboren, nahm Abstand zu ihrer Religion. In ihrer Blindengruppe lernt Sie einen blinden Mann kennen, der katholisch ist. Sie schließen Freundschaft, durch ihn nähert sie sich dem christlichen Glauben, gemeinsam besuchen sie einen Glaubenskurs. Und auf meine Frage, warum sie getauft werden möchte, erhielt ich die Antwort: "Wissen Sie, Herr Bischof, die Blindheit der Augen ist nicht so schwerwiegend wie die Blindheit des Herzens."
Eine zweite Gruppe Erwachsener lässt sich ausmachen. Erwachsene Frauen und Männer, die auf einer spirituellen Suche sind. Sie sind oft allein unterwegs und stoßen durch irgendwelche religiösen Events, an Wallfahrtsorten, auf Rituale, finden durch Meditation und geistliche Impulse zu einer vertieften Innerlichkeit und entdecken in der katholischen Kirche eine Geborgenheit und Faszination vor allem in der Liturgie. Das gibt ihnen Halt, ein Zugehörigkeitsgefühl und Orientierung. Schließlich bitten sie um die Aufnahme in die katholische Kirche, um die Taufe. Allerdings finden diese Getauften kaum einen Platz in unseren Gemeinden.
Liebe Schwestern und Brüder, für mich sind das die Wunder, die Gott in den Herzen von Menschen bewirkt. Dabei habe ich folgende Beobachtung gemacht: Hinter jeder Taufbewerberin und jedem Taufbewerber steht in der Regel ein Gläubiger und aktiver Christ/eine aktive Christin. Diese Taufbegleiter und Taufbegleiterinnen sind eigentlich in Wirklichkeit die Taufpaten. Manchmal sind es Familienmitglieder, Arbeitskollegen, Freunde, die mit einer großen Offenheit und Zugewandtheit den fragenden und suchenden Menschen begegnen und mit ihnen eine Wegstrecke gemeinsam gehen. Sie sind unverzichtbare Stützen auf dem Weg zur Taufe, sie geben Anteil an ihrem eigenen Leben, an ihrem Glaubensleben, geben Zeugnis von ihrer Hoffnung. Sie sind auskunftsfähig. Wenn ich am ersten Fastensonntag die Taufbewerberinnen und Taufbewerber treffe und sie offiziell zum Empfang der Taufe zulasse, erlebe ich ihre gespannte und erwartungsvolle Freude. Aber ebenso stark freuen sich die Taufbegleiter und Taufbegleiterinnen. Das Zeugnis für Chris
Ich frage mich, woher kommen diese Taufberufungen? Ich sehe immer wieder, hier wächst etwas Neues, vor allem sehe ich, hier ist Gott am Werk, hier ist der Auferstandene am Werk, inmitten der Welt. Er spricht die Menschen an, er bringt etwas in Bewegung. Für mich ist das die Einladung, Sie, liebe Schwestern und Brüder, in Ihrem Glaubensleben, in Ihrem Leben mit Jesus Christus zu ermutigen und zu stärken und offen zu sein für Fragende und Suchende. Und dabei den Mut zu haben, sich den Menschen, mit denen Sie unterwegs sind, als Christen zu bekennen: glaubend, hoffend und liebend. In all den Veränderungsprozessen, in denen wir stehen, mit all den Fragen um die Zukunft unserer Kirche, ist Ihr Glaubenszeugnis von Bedeutung, mehr als Sie es jetzt vielleicht erahnen. Denn der Herr selbst ist am Werk.
"Wenn nicht der Herr das Haus baut, mühen sich die Bauleute umsonst."
Der Herr baut, wir wirken mit! Wirken wir mit?
Gebe es Gott!
Amen." (mmb) +++