Klinikum-Chef fordert "politische Vision"
Dr. Menzel fragt: Wie geht es weiter mit unserer Gesundheitsversorgung?
Symbolfoto: O|N/Hendrik Urbin
31.07.2025 / KOMMENTAR -
Die neue Bundesregierung ist jetzt seit etwas mehr als 100 Tagen im Amt. Schon jetzt ist spürbar, dass anders gearbeitet und kommuniziert wird. Besonders im Gesundheitswesen fällt auf, dass die Bundesgesundheitsministerin aktiv den Dialog mit allen relevanten Akteuren sucht – von den Krankenkassen über Interessenverbände bis hin zu den Bundesländern. Das stößt auf breite Erleichterung.
Viele Baustellen in der Gesundheitspolitik
Doch die vielfältigen weltweiten und gesellschaftlichen Krisen zeigen deutlich: die bisherigen politischen Zuständigkeiten stoßen an ihre Grenzen. Im Gesundheitsbereich gibt es neben ungelösten Problemen aus der letzten Legislaturperiode neue, dringende Herausforderungen. Die Innenminister der Bundesländer fordern zum Beispiel mehr Unterstützung bei der Krisenvorsorge. Gleichzeitig wird immer noch um die Details der Krankenhausreform gerungen. Die Änderungen sollen bald in einem neuen Gesetzentwurf vorgestellt und voraussichtlich im September von der Regierung beschlossen werden. Außerdem soll die Reform der Notfall- und Rettungsdienste kommen, auch wenn es dafür noch keinen genauen Zeitplan gibt.Sommerpause für eine gemeinsame Strategie nutzen
Die aktuelle Sommerpause sollte unbedingt genutzt werden, um all diese einzelnen Vorhaben zu einer großen, aufeinander abgestimmten Strategie zu verbinden. Dafür brauchen wir eine neue Art der Zusammenarbeit, bei der die starren Zuständigkeiten – sogar innerhalb der Ministerien – überwunden werden. Denn angesichts der vielen weltweiten und gesellschaftlichen Krisen reichen die üblichen Aufgabenverteilungen zwischen den verschiedenen Ministerien und den Ebenen (Bund, Länder, Gemeinden) nicht mehr aus. Sie stoßen an ihre Grenzen. Was wir jetzt dringend brauchen:
- Eine gut funktionierende Notfallversorgung: Es muss klar sein, wer im Notfall was macht und wie alles gesteuert wird. Das sichert uns nicht nur im Alltag eine gute Versorgung, sondern ist auch die beste Vorbereitung für Krisenzeiten.
- Starke Krankenhäuser als Mittelpunkte: Bestimmte Krankenhäuser sollen eine wichtige Rolle bei der Koordination spielen. Sie sollen die täglichen Abläufe verbessern und gleichzeitig die Basis für moderne Konzepte zur Bevorratung von Medikamenten und Material sowie für Übungen im Krisenfall in ihrer Region schaffen.
- Mehr Geld für die Bereitstellung von Kapazitäten: Es braucht eine Finanzierung, die nicht nur darauf abzielt, möglichst viele Behandlungen abzurechnen. Stattdessen soll Geld dafür bereitgestellt werden, dass Ressourcen für Notfälle vorhanden sind und innovative Lösungen für den Bedarfsfall entwickelt werden können.
Herausforderungen und Chancen
Auch wenn diese Ideen sinnvoll erscheinen, wird die Umsetzung nicht einfach: Es gibt unterschiedliche Zuständigkeiten, verschiedene Wege der Finanzierung und eine starke Neigung, am Alten festzuhalten, sog. Besitzstandswahrung. Angesichts der angespannten Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen müssen zudem die gesellschaftlich notwendigen Maßnahmen der Krisenvorsorge auf anderem Wege finanziert werden.Die sogenannten Sondervermögen bieten eine einmalige Chance, neue Wege zu gehen und gemeinsam mehr Verantwortung zu übernehmen. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es jedoch mehr als nur einer veränderten Kommunikationskultur der neuen Bundesregierung gegenüber der Öffentlichkeit und den Akteuren. Es erfordert eine klare politische Vision und den Mut, diese auch gegen Widerstände umzusetzen. Die Zeit, um Versorgung und Vorsorge entscheidend zu verbinden, ist jetzt! (Kommentar von Priv.-Doz. Dr. med. Thomas Menzel, Sprecher des Vorstands des Klinikums Fulda) +++