Erstes Spendenziel erreicht!

Mit Stehrollstuhl und Leidenschaft: Tanja Jacobi will weiter Friseurin sein

Tanja Jacobi hat den Willen, wieder zu arbeiten - doch die Unterstützung fehlt.
Fotos: privat / Tanja Jacobi

16.07.2025 / HOFBIEBER - Wer arbeiten will, braucht Unterstützung – nicht Hürden. Doch vor diesen steht Tanja Jacobi aus Elters in der Gemeinde Hofbieber (Landkreis Fulda) seit Monaten. Die 51-Jährige ist seit einer ärztlichen Behandlung körperlich eingeschränkt. Um ihrem Traumjob weiterhin nachzugehen, braucht sie vor allem eins: finanzielle Unterstützung. Die Rentenkasse zahlt nicht, deshalb hatten die Nichten der Friseurin eine andere Idee.


Für viele wäre dies das Ende des Berufslebens gewesen, doch Tanja Jacobi will arbeiten - trotz Lähmung ihres rechten Beines. Im Jahr 2017 erfüllte sie sich den Traum der Selbstständigkeit mit ihrem eigenen Salon "Hairreinspaziert". Gemeinsam mit einem vierköpfigen Team und einem treuen Kundenstamm hat sie diesen bis zu ihrer Operation 2023 tatkräftig geführt. Doch ohne einen Umbau und einen Stehrollstuhl ist das Handwerk nicht mehr machbar.

Lähmung nach Rücken-OP

Schon jahrelang litt Tanja Jacobi an Rückenschmerzen, bevor sie sich im Oktober 2023 - nach zahlreichen Alternativmethoden vorab - für eine Operation entschieden hat. "Ich wollte eine Operation vermeiden, damit ich nicht so lange ausfalle", erzählt die Friseurmeisterin im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS. Ein Arzt hatte sie gewarnt, dass sie ohne Operation jedoch im Rollstuhl landen könnte. Nach der OP dann der Schock: Ihr rechtes Bein war gelähmt. "Mein Bein war taub und auch meine Blase beeinträchtigt. Die Ärzte im Krankenhaus haben keinen Grund dafür gefunden, schlussendlich haben sie es auf meine Psyche schieben wollen", führt die 51-Jährige erschüttert aus. Bei einem anschließenden Reha-Aufenthalt sind dann Spastiken im Bein aufgetreten, die bis heute anhalten. "Erst habe ich mich über die Bewegung gefreut - bis mir die Therapeutin sagte, dass das nichts Gutes ist". Folgend habe ihr Hausarzt alles dafür getan, ihr zu helfen. Ein Neurologe hat schließlich dann die Vermutung aufgestellt, dass die Beeinträchtigungen auf Durchblutungsstörungen und Nervenschäden während der Operation zurückgeführt werden könnten. Sie müsse damit leben, heißt es nur.

Rentenkasse lehnt Antrag ab

Für die leidenschaftliche Friseurin heißt, leben allerdings auch weiter ihre Handwerkskunst auszuüben. Das geht im Rollstuhl allerdings nicht. "Der Salon ist einfach zu klein. Wir müssen ihn umbauen, damit ich mich darin überhaupt fortbewegen kann", führt sie weiter aus. Eine Sache könnte es ihr außerdem auch ermöglichen, wieder zu arbeiten: Ein Stehrollstuhl. Über das Integrationsfachamt Kassel sei Tanja Jacobi in Kontakt mit einem Rollstuhlvertreter gekommen, der ihr das Konzept vorgestellt hat. Nach einem Test im Salon war Hoffnung da. Doch kurz darauf kam der herbe Rückschlag - die Rentenkasse lehnt den Antrag für die Finanzierung des Umbaus und des speziellen Rollstuhls ab. Der Grund: Sie sei zu behindert, um weiterhin zu arbeiten. "Da kam gar nichts, keine Alternativvorschläge", betont die Selbstständige verärgert. Aktuell kann sie nur den Telefondienst des Salons übernehmen.

Mit ihrem Ärger hat sich die 51-Jährige dann an den Sozialverband VDK gewandt: "Die können das auch nicht verstehen und gehen mit mir rechtlich gegen die abgelehnten Anträge vor", erfährt O|N im Interview. Tanja Jacobi fühlt sich in ihrer Hilflosigkeit ausgenutzt. "Die Ämter wissen, dass man sich selten wehrt, wenn man sowieso schon in Not ist", bedauert sie.

"Wo können wir spenden?"

Ob und wann sich das mit der Rentenkasse klären lässt, ist nicht absehbar. Deshalb hat das Umfeld der Friseurin gefragt "Tanja, wo können wir spenden?". Von der Frage war sie überfordert, doch Freunde und vor allem ihre Nichten haben sie dazu ermutigt, Spenden anzunehmen und vor rund einer Woche eine herzerwärmende Spendenaktion im Netz für sie gestartet. "Ich habe aber gesagt, dass sie nicht die eigentlich benötigten 80.000 Euro als Ziel setzen sollen - das ist utopisch, man tut sich sowieso schwer anzunehmen", sagt sie. Nach rund einer Woche ist das Spendenziel von angesetzten 28.000 Euro schon fast erreicht und Tanja Jacobi kann das gar nicht greifen: "Es ist einfach überwältigend, wenn ich darüber nachdenke, dass so viele - auch fremde Menschen - für mich spenden. Da kommen mir jedes Mal fast die Tränen." Am Dienstagmorgen wurde das Spendenziel erreicht und auf 35.000 Euro angehoben.

Auch die Unterstützung aus ihrem Team rührt sie. Während der Corona-Pandemie musste der Salon bereits schließen, nun stehen die Mitarbeiter wieder vor einer unsicheren Lage. Trotzdem hält das vierköpfige Team ihrer Chefin stets den Rücken frei und stehen hinter ihr.

Beratungsstellen fehlen

"Es gibt Tage, da kann ich nicht mal drüber sprechen", offenbart die Inhaberin des Salons "Hairreinspaziert". Doch gerade der Austausch hilft auch irgendwo. Im Netz gibt es Gruppen für Menschen mit Behinderung, aber keiner scheint in der gleichen Situation wie sie zu stecken. "Es sollte mehr Anlauf- und Beratungsstellen dafür geben! Ich würde Leuten, die ähnliches durchmachen, immer Tipps geben - und würde mir das auch wünschen", sagt Tanja Jacobi. Ein weiterer Wunsch: Ein Arzt, der sich mit ihrer Einschränkung auskennt und ihr helfen kann.

Ihr eigenes Zuhause hat die Friseurin bereits auf eigene Kosten umgebaut. Die mit dem Spendengeld kalkulierten Pläne möchte sie am liebsten bis zum nächsten Jahr umsetzen, doch genau planen kann sie nicht. Trotzdem sagt Tanja Jacobi, dass sie jeden Tag weiterkämpfen möchte - und muss. Wer der Friseurmeisterin ärztlichen Rat geben kann oder für sie spenden möchte, kann das hier tun. (Emely Schrön) +++

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