Von Utah bis in den Vogelsbergkreis

US-Enkel auf Spurensuche: Stammbaum führt zu Begegnung in Osthessen

Jakob Webbink aus USA (Bildmitte), hat das Haus seiner Vorfahren in Nieder-Gemünden gefunden. Bei dem Durchgang durch Nieder-Gemünden waren dabei (von links): Hanna Günther (Freundin von Lasse Schlosser), Dietmar Schlosser (Vater von Lasse Schlosser), Waltraud Becker, Lasse Schlosser, Bernd Reitz und Gerlinde Reitz.
Fotos: Hanne Diegel

25.06.2025 / GEMÜNDEN - Was als private Ahnenforschung begann, wurde für Lasse Schlosser aus Feldatal zur transatlantischen Spurensuche mit überraschenden Wendungen: Gemeinsam mit dem US-amerikanischen Studenten Jakob Webbink tauchte er in die Geschichte Nieder-Gemündens ein – und landete bei Vorfahren, die einst das Dorf verließen, um in Amerika Geschichte zu schreiben.


Eine Begegnung über Generationen und Kontinente hinweg, ausgelöst durch ein Heimatbuch, das längst zu einem Brückenbauer zwischen Vergangenheit und Gegenwart geworden ist.

Vor etwa einem Jahr begann Lasse Schlosser, sich intensiver mit seiner Familiengeschichte zu beschäftigen. Erste Hinweise seines Vaters führten ihn in den Vogelsberger Ortsteil Nieder-Gemünden. Mithilfe des dort erschienenen Buches "Nieder-Gemünden im Wandel der Jahrhunderte", verfasst von Bernd Reitz, konnte er weitere Verbindungen herstellen. Die Dokumentation des Dorfes, die mittlerweile in der dritten Auflage vorliegt, wurde zu einem zentralen Schlüssel für seine Nachforschungen.

Spur führt in die USA

Im Zuge seiner Recherche stieß Schlosser auf die Genealogie-Plattform Ancestry – und dort auf Mark Webbink aus den USA. Auch dieser hatte einen Familienstammbaum angelegt und war gemeinsam mit seinem Bruder Greg auf Spurensuche. Greg Webbink hatte bereits vor Jahren entdeckt, dass seine Vorfahren aus Nieder-Gemünden stammen, und war sogar mehrfach vor Ort bei der Familie des verstorbenen Robert Stroh gewesen. Die Verbundenheit mit dem Ort blieb: Greg verfolgte aus den USA aufmerksam die Geschehnisse rund um das 1250-jährige Bestehen von Nieder-Gemünden – das pandemiebedingt allerdings nicht gefeiert werden konnte.

Als er auf das Buch von Bernd Reitz stieß, ließ er es auf eigene Initiative ins Englische übersetzen. Über Lasse Schlosser gelangte die Anfrage, ein Originalexemplar zu beschaffen, direkt nach Hessen – und der Kontakt wurde noch enger, als sich herausstellte, dass Mark Webbinks Enkel Jacob derzeit in Madrid studiert. Die Nähe zur Heimat der Vorfahren war Anlass genug für eine Einladung nach Deutschland, die Jacob Webbink dankend annahm.

Viele Höhepunkte auf der Reise

Der junge Amerikaner war schließlich bei Lasse Schlosser in Ruppertenrod und natürlich auch in Nieder-Gemünden zu Besuch. Dabei trafen sich die Familien Schlosser und Becker, mit denen ebenfalls familiäre Verbindungen über den Stammbaum festgestellt worden waren. Ein Höhepunkt des Besuchs war die historische Dorfführung durch Bernd Reitz persönlich. Jakob Webbink zeigte sich besonders interessiert an den alten Gebäuden des Ortes – und vor allem an dem Haus, in dem seine Ahnen einst gelebt hatten.

Zum Abschluss des Rundgangs besuchten die Gäste das Grab des Vaters von Pfarrer Friedrich Münch, einem berühmten Auswanderer aus Nieder-Gemünden. Münch hatte 1834 seine Heimat verlassen und wurde später in den USA nicht nur als Mitbegründer der "Gießener Auswanderungsgesellschaft", sondern auch als Mitgründer der Republikanischen Partei und Gegner der Sklaverei bekannt. Für Jakob Webbink war diese Begegnung mit der Geschichte greifbar – und ein weiterer Beweis dafür, wie tief die Wurzeln der eigenen Familie in der Region verankert sind.

Ein Besuch, der nicht nur Spuren im Vogelsberger Boden hinterlässt – sondern auch im Herzen eines jungen Amerikaners, der in Hessen seine Herkunft fand. (pm/cb) +++

Jakob Webbink (USA) beim Grab vom Vater des ehemaligen Pfarrers von Nieder-Gemünden Friedrich Münch, der, wie Jakob Webbinks Vorfahren nach Amerika auswanderte.

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