Gänsehaut und Dieselgeruch
Mit dem Schlepper bis zur Nordsee: 18 Stunden in Richtung Freiheit
Fotos: Constantin von Butler
08.06.2025 / KIRCHHEIM -
Wenn Karl Steinert in seinen Schlepper steigt, bekommt er Gänsehaut. Und wenn er den Motor startet, beginnt für den 77-Jährigen aus Heddersdorf ein neues Abenteuer – mit 40 Kilometern pro Stunde, viel Herzblut und der Kraft der Erinnerungen. Am Samstag fährt er wieder los: von Osthessen bis an die Nordsee – mit seinem roten Schlüter-Traktor.
Die Reise beginnt vor der Haustür in Heddersdorf. Doch schnell ist klar: Für Karl Steinert ist es mehr als nur eine Fahrt – es ist ein Stück gelebte Freiheit. "Als ich sechs Jahre alt war, saß ich das erste Mal in einem Schlepper. Ich kann gar nicht mehr vom Schlepperfahren loslassen", sagt der rüstige Rentner mit leuchtenden Augen. Der Weg zur Nordsee ist lang, rund 18 Stunden reine Fahrtzeit. Aber für Karl zählt jeder Kilometer. Schon 2015 fuhr er zum ersten Mal mit seinem Schlüter-Traktor nach Vollerwiek auf der Halbinsel Eiderstedt – damals noch belächelt, heute gefeiert.
"Das Alter ist für mich keine Grenze"
Auch diesmal ist die Begeisterung in seiner Heimat spürbar: Während des Interviews mit OSTHESSEN|NEWS in Heddersdorf bleiben Nachbarn, drücken ihm die Daumen und sogar die Postbotin wünscht ihm eine gute Fahrt. "Das sind so Momente, die mich tief berühren. Die Menschen stehen hinter mir", sagt Steinert sichtlich bewegt.Die Route führt ihn über die B27 Richtung Göttingen, dann weiter über Hannover und Hamburg – stets auf Bundesstraßen. Ein Hotel in Neu-Wulmstorf bei Hamburg ist gebucht, dort legt er eine Übernachtung ein, bevor es die letzten Kilometer bis ans Meer geht. "Ich bin fit geblieben, das Alter ist für mich keine Grenze", sagt er entschlossen.
Hunderte Kilometer mit 40 km/h
Am Ziel erwartet ihn nicht nur die salzige Seeluft, die seiner Bronchitis seit Jahren guttut, sondern auch langjährige Freunde auf dem Campingplatz – Menschen, die er ins Herz geschlossen hat. "Das sind da oben alles richtige Freunde geworden. Jetzt wurde ich gefragt, ob ich nicht mal wieder mit dem Schlepper kommen möchte."