OsthessenNews

Bewährungsstrafe wegen fahrlässiger Tötung

Autofahrerin nach tragischem Unfalltod eines Motorradfahrers (31) verurteilt

Im September 2023 kam es in der Gemeinde Künzell zu einem tödlichen Motorradunfall. Im September 2023 kam es in der Gemeinde Künzell zu einem tödlichen Motorradunfall.
Archivfotos (2): ON/Henrik Schmitt

12.03.2025 / FULDA - Der tragische Unfalltod eines 31-jährigen Motorradfahrers beschäftigte am Dienstag das Amtsgericht Fulda. Am Samstag, den 30. September vor zwei Jahren war die heute 45-jährige Angeklagte mit ihren beiden Kindern im Auto auf dem Weg in ein Maislabyrinth auf der L 3429 von Dirlos nach Wissels unterwegs. Vor ihr fuhr ein landwirtschaftliches Gespann, das ihr die Sicht auf den Gegenverkehr nahm. Trotzdem bog sie auf Höhe des Kohleser Hofs nach links ab und übersah dabei den aus der Gegenrichtung kommenden Motorradfahrer. Durch die Kollision flog der 31-Jährige über den Pkw und erlag kurz darauf seinen schweren Verletzungen.


Es flossen viele Tränen bei dieser Verhandlung. Sowohl die Familie des Opfers als auch die Angeklagte weinten bei ihren Vernehmungen heftig. "Es tut mir unfassbar leid", erklärte die 45-Jährige, "aber ich habe niemanden gesehen, als ich abbog". Acht Wochen nach dem Unfall hatten die Mutter und Schwester des Verstorbenen die Unfallverursacherin an deren Geburtstag aufgesucht und sie konfrontiert. "Ich wollte einmal den Menschen sehen, der unser Leben zerstört hat", sagte die 60-Jährige zu ihrem Motiv für diesen Besuch. Auch die Tochter, die zunächst im Auto geblieben war, kam dazu. Die 45-Jährige habe sofort zu weinen begonnen und geschrien: "Ich habe nicht geguckt, ich bin einfach gefahren!"

Eine Polizeioberkommissarin, die damals direkt zur Unfallstelle beordert worden war, berichtete, dass die Angeklagte so geweint und sichtlich unter Schock gestanden habe, dass sie befürchtet habe, sie könne kollabieren. Die Frau hätte sich zuvor um das Opfer bemüht und gerufen. "Sein Herz schlägt nicht mehr. Ich bin schuld!" Dass die 45-Jährige unter Alkohol oder Drogen gestanden habe, sei ausgeschlossen worden, man habe ihre Pupillen überprüft und sie habe nicht nach Alkohol gerochen.

Auch der Autofahrer, der sich unmittelbar hinter dem Wagen der Angeklagten befunden hatte, sagte im Gericht aus, konnte sich aber nach zwei Jahren nicht mehr an Details erinnern. Die Frau vor ihm sei langsam gefahren und habe geblinkt, er habe deshalb abbremsen müssen. Die Sicht auf die Gegenfahrbahn sei wegen des Traktors mit Anhänger eingeschränkt gewesen. "Wären Sie in dieser Situation abgebogen?", wurde er gefragt, was er aber nicht beantworten konnte.

"Ich werde ihr nie verzeihen können!"

Sehr erregt sagte auch die 33-jährige Schwester des Verstorbenen über den Besuch bei der Angeklagten aus. Sie habe über Facebook erfahren, wann die Angeklagte Geburtstag hat. Man habe vor dem Besuch bei ihr sicher gehen wollen, sie auch zuhause anzutreffen. Über das eingeschaltete Handy ihrer Mutter habe sie mitgehört, was die Angeklagte gesagt habe. "Das war schlimm für mich - ich habe meinen Bruder geliebt, wir waren als Familie sehr eng miteinander. Er sollte die Firma übernehmen", berichtete sie unter Weinen. "Sie hat sich entschuldigt, aber das bringt nichts. Ich werde ihr nie verzeihen können, was sie uns angetan hat."

Der Sachverständige, der die Unfallstelle kurz nach der Kollision auf Spuren untersucht hatte, führte in seinem Gutachten aus, dass weder der Pkw noch das Motorrad technische Mängel aufgewiesen hätten. Während der Pkw beim Abbiegen höchsten 25 km/h gefahren sei, sei der 31-Jährige mit 110 bis 120 km/h unterwegs gewesen. Durch die eingeschränkte Sicht habe die Angeklagte ihn erst circa eine Sekunde vor dem Aufprall sehen können - zu spät, um reagieren zu können.

"Sie sind unbekümmert drauflosgefahren und haben das Leben von vier Menschen zerstört"

Während die Anklagevertreterin ein Augenblicksversagen der Angeklagten als gegeben ansah und eine einjährige Bewährungsstrafe plus Geldstrafe von 4.000 Euro wegen fahrlässiger Tötung und Führerscheinentzug für sechs Monate für angemessen ansah, sahen die beiden Nebenklagevertreter darüber hinaus ein grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Verhalten und eine Gefährdung des Straßenverkehrs. Bei der Frage der Strafzumessung äußerte der Vater des Opfers: "Die Todesstrafe gibt es ja nicht mehr."

Die Anwältin der Schwester schilderte beredt die schwerwiegenden Folgen, die der Tod von Sohn und Bruder für die Familie gehabt habe. "Sie sind unbekümmert drauflosgefahren, haben nicht geguckt und dadurch vier Menschenleben zerstört", hielt sie der 45-Jährigen vor. Die Hinterbliebenen könnten nie wieder gesund werden, nie wieder durchschlafen. Die Firma habe durch den Tod des Sohns außerdem eine Viertel Million Umsatzverlust zu beklagen. Die Nebenklagevertreterin forderte eine Bewährungsstrafe von 18 Monaten, Geldstrafe und Führerscheinentzug. Der Verteidiger der Frau konstatierte, seine Mandantin habe eindeutig einen Fehler begangen und sich der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht. Er hielt eine hohe Geldstrafe für angemessen und wies darauf hin, dass auch sie die Folgen ihrer falschen Entscheidung ihr Leben lang tragen müsse.

Dem folgte das Gericht nicht, sondern verurteilte die Fahrerin zu einer neunmonatigen Freiheitsstrafe, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Den Führerschein muss sie für sechs Monate abgeben, die Kosten des Verfahrens und die Auslagen der Nebenkläger tragen und zusätzlich 2.000 Euro an die DKMS zahlen. Das Urteil hat noch keine Rechtskraft. (ci)+++