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Der Stadtpfarrer bei O|N

Impuls von Stefan Buß: Die Turmbauten von Babel heute

Der Stadtpfarrer Stefan Buß. Der Stadtpfarrer Stefan Buß.
Archivfoto: O|N/ Carina Jirsch

12.03.2025 / FULDA - Die Geschichte vom Turmbau zu Babel (1. Mose 11,1–9) ist eine der eindrucksvollsten Erzählungen des Alten Testaments. Die Menschen wollten einen Turm bauen, der bis in den Himmel reicht, um sich selbst einen Namen zu machen und Gott gleichzukommen. Doch Gott greift ein, verwirrt ihre Sprache und zerstreut sie über die ganze Erde.



Diese Geschichte ist nicht nur eine Erklärung für die Vielfalt der Sprachen, sondern auch eine tiefgehende Mahnung: Wenn der Mensch sich selbst zum Mittelpunkt macht und sich über Gott erhebt, führt das unweigerlich zu Chaos und Spaltung.

Der Wunsch, immer höher hinauszuwollen, ist tief im Menschen verwurzelt. Schon in Babel versuchte die Menschheit, ihre eigene Größe zu demonstrieren, unabhängig von Gott. Dieses Streben zeigt sich bis heute: Große Herrscher, mächtige Staaten, ehrgeizige Ideologien – immer wieder erheben sich Menschen, um ihre eigenen "Türme" zu bauen.

Heute erleben wir erneut, wie manche Machthaber der Welt ihre eigenen "Türme" errichten: In Amerika setzt ein Präsident auf Nationalismus und Spaltung, um seine Macht auszubauen. In Russland strebt ein Präsident danach, durch Krieg und Unterdrückung sein Imperium zu festigen.

Auch in anderen Ländern erheben sich Anführer, die sich selbst als unfehlbar sehen und ihre eigenen Namen verewigen wollen. Doch die Geschichte von Babel zeigt uns: Gott lässt nicht zu, dass menschliche Hybris ungehindert wächst. Wo der Mensch sich überhebt, greift Gott ein.

Die Sprachenverwirrung in Babel war Gottes Weg, die Menschen an ihre Grenzen zu erinnern. Anstatt geeint zu bleiben, fielen sie in Missverständnisse und Zerwürfnisse. Das sehen wir auch heute: Die Welt ist gespalten in politische Lager, in Nationalismen, in Ideologien. Es gibt keine gemeinsame Sprache mehr – nicht nur im wörtlichen Sinne, sondern auch im übertragenen. Menschen reden aneinander vorbei, verstehen sich nicht mehr. Fake News, Manipulation, Propaganda – all das führt zu einem Durcheinander, das uns an Babel erinnert.

Diese Verwirrung ist nicht nur ein Zufall der Geschichte, sondern ein Spiegel unseres Hochmuts. Wer sich selbst an die Stelle Gottes setzt, wird letztlich in Chaos und Zerfall enden. Die Antwort der Bibel ist klar: Nein. Kein Reich, das auf Hochmut und Selbstüberhebung gebaut ist, kann auf Dauer bestehen. Das Römische Reich, das Dritte Reich, die kommunistischen Diktaturen – sie alle haben ihre Türme gebaut, doch keiner hat die Zeit überdauert.

Gottes Plan ist ein anderer: Nicht menschliche Größe, sondern Demut und Vertrauen auf ihn sind der Schlüssel zum Segen. Jesus Christus zeigt uns den Weg: Nicht durch Macht und Kontrolle, sondern durch Liebe und Hingabe werden wir wahrhaft groß.

Doch die Bibel bleibt nicht bei der Sprachenverwirrung stehen. An Pfingsten (Apostelgeschichte 2) geschieht das Gegenteil von Babel: Der Heilige Geist kommt über die Jünger, und plötzlich verstehen sich Menschen aus allen Nationen. Wo Babel Spaltung brachte, bringt der Geist Gottes Einheit.

Das bedeutet für uns heute:

Unsere Hoffnung liegt nicht in menschlicher Macht, sondern in Gottes Geist. Statt Türme für unser eigenes Ego zu bauen, sollten wir Brücken der Verständigung schaffen.

Nur durch Demut, Wahrheit und Liebe, Menschenwürde, Nächstenliebe und Einsatz für die Demokratie können wir die Spaltungen unserer Zeit überwinden. Die Geschichte vom Turmbau zu Babel ist heute aktueller denn je. Menschen bauen wieder an großen Türmen, aber Gott wird sie nicht bestehen lassen. Unsere Aufgabe ist es, nicht auf die Türme dieser Welt zu setzen, sondern auf das Reich Gottes, das in Liebe und Wahrheit gegründet ist. Möge Gott uns die Weisheit schenken, die Zeichen der Zeit zu erkennen und auf ihn zu vertrauen. (Stefan Buß) +++