Mehr als nur ein Test in Ransbach. Viel mehr
Lindemann: Da taucht das Kaffeetälchen auf. Da, wo du nichts mehr erwartest
O|N-Archivfotos/Stefan Kontowski
13.02.2025 / REGION -
Am Samstag findet in Hohenroda-Ransbach ein Fußball-Testspiel statt. Der gastgebende TSV hat Kali-Werra Tiefenort zu Gast, Anstoß ist um 14 Uhr im Stadion. Ein Testspiel, wen interessiert denn das? Mag sein. In diesem Fall aber ist es mehr. Weit mehr. Ein Traditionsverein trifft einen Kultverein. Einen Verein, der von Kult begleitet ist. Um den Kult weht. Kali Werra, das Örtchen Tiefenort und das schmucke Stadion Kaffeetälchen, das im Wald liegt und spezielle Akustik atmet.
Als Mike Lindemann, der zuvor die wichtige sportliche Grundausbildung als Leichtathlet mitnahm und erst als 16-Jähriger mit dem Kicken begann, von den A-Junioren in den Männerbereich aufrückte, da stieg Kali Werra ein Jahr später ab - schaffte umgehend aber wieder den Aufstieg in die DDR-Liga. Der Fußball im nahen thüringischen Örtchen Tiefenort sorgte seinerzeit für Furore. Derart, dass Anhänger der Sportart Nummer Eins in Deutschland etwas neidisch über den Zaun blickten, der ja seinerzeit noch existierte.
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Auch aus der Region kamen sie. Da waren die Größen Heiko Adler, Achim Burkhart, Ray Klein, Tom Gröll oder auch Holger Gimpel. Lindemann schälte sich, vornehmlich aufgrund seiner Fähigkeit zur Beschleunigung, schnell als Torjäger heraus. Er erinnert sich, dass er einmal acht Tore schoss - im Spiel gegen Schweina. Da waren aber auch Michael Weber, der im Tor von Dynamo Dresdens Zweiter spielte - oder Ronald Baumbach. Der gebürtige Pferdsdorfer wechselte später zu Rot-Weiß Erfurt und spielte nach der Wende im Europapokal gegen Ajax Amsterdam.
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Werte wie Heimat, Herz und Leidenschaft - die zählten damals noch. Und sie waren glaubwürdig. Lindemann schaffte seinen Durchbruch als 19-Jähriger. In seinem ersten Jahr wurde er bester Torschütze - obwohl er sich zum Auftakt der Rückrunde im Spiel gegen Ilmenau am Knie verletzte. Auch im zweiten Jahr wurde er, wie man heute sagt, Torschützenkönig. Heute gehört Kali Werra Tiefenort der Kreisliga A in Westthüringen, Staffel 2 - und kämpft dort um den Klassenerhalt. Kaffeetälchen: Ein Erlebnis, dort zu spielen. Ein oder eineinhalb Kilometer über einen schmalen Waldweg
Spricht man von Kali Werra Tiefenort, spricht man natürlich auch vom Kaffeetälchen. Diesem hübschen Stadion mit legendärem Anstrich, im Wald gelegen. "Das war schon schön. Es war ein Erlebnis, dort zu spielen", läuft es Lindemann noch heute etwas kalt über den Rücken. Der Platz wurde seinerzeit von sieben hauptamtlichen Platzwarten gepflegt - alle waren sie bei Kali Werra beschäftigt. "Wie Wembley-Rasen". Kultstatus umweht den Verein und seine Anlage auch deshalb, weil die Anlage Treffpunkt zahlreicher Groundhopper - auch wie den Ransbachern Stefan Kontowski und seinem Sohn Felix ist. Und jetzt kramt Lindemann in seiner Erinnerung. "Es war schon gigantisch, als ich als Elf- oder Zwölfjähriger mit meinem Vater hochgelaufen bin durch einen schmalen Waldweg. Ein bis eineinhalb Kilometer. Das Auto musstest du ja im Ort stehen lassen. Und dann taucht das Kaffeetälchen auf - da, wo du nichts mehr erwartest. In den Wald reingebaut. Die Akustik im Kessel. Diese Stimmung. Als Kind war diese Vorstellung gigantisch - und irgendwann stehst du selbst da."
Treffpunkt vieler Groundhopper - Akustik im Kessel
Auch Udo Gutwasser sah er dort spielen, der später in Ausbach sein Trainer wurde. Übrigens: So mancher West-Fußballer schwärmt von der guten Grundausbildung, die Kicker in der DDR genossen. Und so mancher wird diese Vorstellungskraft, werden sogar diese Werte "romantisch" vorkommen - was sie ja auch sind, nur allzu oft ist diese Vorstellung, ist dieser Umgang damit negativ besetzt in der heutigen Gesellschaft. Viele akzeptieren das oberflächlich. Ohne darüber nachzudenken. "Vor Kurzem sollte dort ein Kunstrasen hin", erzählt Lindemann. "Da hat sich eine Bürgerinitiative gegründet. Und es kam keiner hin." Gott sei Dank.