"2024 ist nicht besonders gut gelaufen"

Beim scheidenden Rhön-Kanzler: Letzter Neujahrsempfang unter Helfrich

Der Neujahrsempfang in Poppenhausen zog zahlreiche Gäste zu einem Programm aus ernsten Worten, Musik und Komik.
Fotos: Carina Jirsch

15.01.2025 / POPPENHAUSEN (WAKU) - "Meine Damen und Herren, wieder ist ein Jahr zu Ende gegangen", grüßte Manfred Helfrich, CDU-Bürgermeister der Gemeinde Poppenhausen (Landkreis Fulda) am Mittwochabend zum Neujahrsempfang. Es ist seine letzte Ansprache dieser Art, der Rhön-Kanzler macht noch in diesem Jahr den Stuhl für seinen Nachfolger frei. Am 29. Juni sind Wahlen. Am ersten November wird ein neuer Mann - oder eine neue Frau - an die Spitze der Gemeinde treten. Doch zum Neujahrsempfang steht der Bürgermeister fest im Hier und Jetzt.



"2024 ist nicht besonders gut gelaufen. Die weltpolitische Lage ist so unsicher wie lange nicht mehr", konstatierte Helfrich. "Der Slogan 'Mehr Fortschritt wagen', der amtierenden Bundesregierung mündete in ein Desaster. Mit der Brechstange wurde die Wirtschaft heruntergefahren. Selten war die Unsicherheit in der Wirtschaft so hoch wie jetzt. Das Vertrauen in den Staat ist so niedrig wie lange nicht mehr", setzte er nach. Die Liste an Problemen, die Helfrich benennt, ist lang.

Metzgerei muss zweiten Schließtag einführen, Verwaltung putzt selbst

"Unsere Metzgerei musste vor kurzem einen zweiten Schließtag einführen und die Öffnungszeiten reduzieren. Der Grund? Fehlendes Personal. Das spüren wir auch als Gemeinde. Vergebens suchen wir für das Rathaus eine Reinigungskraft, mittlerweile legen unsere Angestellten selbst Hand an". Harsche Kritik übte er am Bürgergeld. Das setze ein falsches Signal. Bürokratie-Wahn verzögere Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse.

"Wir sind mit einer schwachen Konjunktur ins neue Jahr gestartet. Ein künftiger Präsident Trump wird Europa und Deutschland viel abverlangen. Die Menschen neigen zunehmend zur Unzufriedenheit, Polarisierung, Übertreibung. Alles soll geregelt werden. Der Anspruch an die öffentliche Hand ist kaum zu leisten, gleichzeitig wird ihr mit mangelndem Respekt und schlechtem Umgang begegnet".

Helfrich: "Rathauschefs landauf, landab sind verärgert"

Die Anforderungen an Kommunen wachsen. "Rathauschefs landauf, landab sind verärgert". Die Finanzlage führe zwangsläufig zu einem großen Investitionsstau. "Der ÖPNV wird in unserer Region sehr problematisch und kaum zu bezahlen. Viele Kommunen können keine ausgeglichenen Haushalte mehr auf die Beine stellen. Der Hauptgrund: Steigende Sozialausgaben. Wir müssen uns, wie alle anderen Kommunen, auf schwierige Jahre einstellen".

Doch nicht alles sei in 2024 schlecht gewesen. "Sparen macht reich. Blicken Sie auf Gold und den Bitcoin. Erfinder werden nicht müde. Nirgends in Europa wird so viel erfunden wie bei uns. Wir werden immer gesünder. Deutschland konnte sein eigenes Klimaziel erreichen. Die Ampel ist Geschichte", meint Helfrich und bilanziert: "Bei uns lief es gut. Die Gewerbesteuer erreichte für unsere Verhältnisse ein gewaltiges Niveau. Wir konnten Schulden abbauen und haben stattliche Rücklagen aufgebaut. Die Wirtschaft in Poppenhausen florierte. Wir sind seit zwei Jahren faktisch schuldenfrei".

Die meisten Einkommensmillionäre pro Einwohner im Hessenland leben in Poppenhausen

Mit einem Augenzwinkern erinnerte er: "Die meisten Einkommensmillionäre pro Einwohner im Hessenland leben in Poppenhausen und mithilfe von KI hat es das sogar zu einem Song geschafft". Doch - hohe Einnahmen führen zu hohen Umlagen. "4,5 Millionen Euro müssen wir in diesem Jahr zusätzlich zurücklegen. Die Situation kann man als Gau bezeichnen".

In 2024 hat die kleine Rhön-Kommune einiges gestemmt. Etwa den Tiefbau für Breitband, Flutlicht-Anlagen an Sportplätzen, die Anlegung eines Sternguckerplatzes. "Beim Thema Flüchtlinge konnten wir die vom Landkreis auferlegte Unterbringungs-Quote erfüllen. Wir beobachten den fortschreitenden Anbau an unserer Grundschule. Neue Wohneinheiten sollen gebaut werden. Auch die VR-Bank investiert weiter in den Standort".

Das steht im 2025 an: vom Feuerwehranbau bis zum Veranstaltungskalender

In 2025 steht der Anbau an Feuerwehrhäuser an, ein neues Feuerwehrfahrzeug muss beschafft werden, Radwege wollen ausgebaut werden. "Wir wollen uns als aktive und lebendige Gemeinde zeigen, etwa auch durch einen gut gefüllten Veranstaltungskalender". Zum Ende seiner Rede kommend schließt Helfrich: "2025 wird sicher ein spannendes und in vielen Bereichen hoffentlich besseres Jahr. Hierzulande wünsche ich mehr Zufriedenheit. Der Region Fulda-Rhön geht es recht gut. Die Gemeinde Poppenhausen Wasserkuppe ist solide aufgestellt. Hier kann man gut leben".

Dann wurde es noch einmal emotional. "Am ersten November werde ich meine Aufgabe weitergeben. Bis dahin ist es mir Aufgabe und Verpflichtung zugleich, meine Arbeit zielstrebig zu Ende zu führen. Danke, dass ihr alle da seid, es war und ist mir eine Ehre", schloss der Rhön-Kanzler.

"Überzogene Abgrenzungen und politische Entgleisungen nehmen zu"

Den Auftakt machte Alexandra Ballweg, Vorsitzende der Gemeindevertretung. "Schon lange gab es nicht mehr so viele Personen, Gruppen und Staaten, die ein 'Ich zuerst' - oder - 'Wir zuerst' lauthals in die Welt rufen, wie im letzten Jahr", konstatierte sie. Einen Trend, den sie auch in ihrer Heimat beobachtet. "Überzogene Abgrenzungen und politische Entgleisungen nehmen zu".

Die Zeit der Dominanz großer Parteien sei vorbei, erklärte Ballweg weiter. Wer die Zukunft gestalten wolle, müsse kooperieren. "Nur gemeinsam sind die besten Lösungen für unser Land zu entwickeln". Sie wirbt für mehr Miteinander, statt Gegeneinander. Profilierungsdrang und Egoismus ermüden die Menschen. "Misstrauen, Kontrollbedürfnis, Intransparenz und Ignoranz", das schade der Demokratie.

Wegzug Papperts schmerzt: weniger Wirtschaftswachstum, wegfallende Arbeitsplätze

Mit Blick auf die Gemeinde, der sie vorsteht, sagte Ballweg: "In der näheren Zukunft werden sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ändern". Der Wegzug der Firma Pappert sei nicht zu verhindern. Man wünsche von Herzen einen guten Neustart und weiteres Wachstum. "Aber der Wegzug führt vermutlich zu weniger Wachstum in Poppenhausen, die Zahl der Arbeitsplätze sinkt".

Einige örtliche Firmen bekämen die Konjunkturflaute deutlich zu spüren - das werde sich auch auf die Gemeindekasse auswirken. Außerdem müsse man einen hohen Beitrag an den kommunalen Finanzausgleich abgeben. "Das sind Beispiele, die ahnen lassen, dass wir den Cent in Zukunft einmal mehr herumdrehen müssen, bevor es ausgegeben wird. Hier ist verstärkt Augenmaß gefragt". Doch - "Poppenhausen hat so viel Potenzial!", betonte Ballweg und forderte: "Lassen Sie es uns gemeinsam für eine gute Zukunft nutzen. Mit Energie, Entschlossenheit und Zuversicht".

VR-Kurzvortrag: "Unsere Verantwortung für die Region"

Ebenfalls auf dem Programm des Abends: ein Kurzvortrag von Thorsten Hopf, Vorstand der VR Bank Fulda zum Thema: "Unsere Verantwortung für die Region". Die musikalische Umrahmung des Abends übernahm der tschechische Pianist, und Chor-Leiter Jan Polivka. Eine komödiantische Einlage bot der Kleinkunstpreisträger Sebastian Scheuthle. Grußworte entrichtete der CDU-Landtagsabgeordnete Sebastian Müller. Unsere OSTHESSEN|NEWS-Fotografin Carina Jirsch hat den Abend mit der Kamera begleitet. Werfen Sie gerne einen Blick in die große Bildergalerie! (Moritz Bindewald) +++

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