Empathie, Mitgefühl und Engagement
Empfang des Bistums Fulda: Hautnah am Krieg im heiligen Land
Alle Fotos: Martin Engel
13.01.2025 / FULDA -
In der Gesprächsrunde mit Fuldas Bischof Dr. Michael Gerber hatten die Gäste ihre persönlichen Einblicke, Wahrnehmungen und Einschätzungen zur aktuellen Lage eingebracht: Der Abt der deutschsprachigen Benediktinerabtei Dormitio auf dem Berg Zion in Jerusalem, Nikodemus Schnabel und Marie Chowanietz, die als Volontärin in der Dormitio gearbeitet hat. Sie war während des Überfalls der Hamas im Oktober 2023 mit Studenten in der Negev-Wüste nicht weit von den furchtbaren Ereignissen entfernt und ist jetzt wieder ins Heilige Land zurückgekehrt.
Engagement der Benediktiner: "Wer gegangen ist, hat es danach bereut"
Jerusalem sei seine Heimat geworden, betonte der Benediktiner-Abt Nikodemus Schnabel, er erlebe dort eine Intensität, die er sonst nirgends erlebt hat. Dies sei auch der Grund, weshalb er die Entscheidung getroffen habe, dort zu bleiben. "Fünf sind gegangen, sechzehn blieben", erinnert er sich zurück und ergänzt: "Wer gegangen ist, hat es danach bereut"."Der Nahe Osten bewegt sich, wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr"
Ebenfalls mit dabei in der Gesprächsrunde war der Publizist und Nahost-Experte Dr. Rainer Hermann, der seine Analyse und Expertise zur aktuellen Situation aus journalistischer Sicht beigetragen hatte. Hermann, Buchautor, Islamwissenschaftler und ehemaliger FAZ-Korrespondent in Abu Dhabi, öffnete dabei die Perspektive auf politische Zusammenhänge und Entwicklungen in der Kriegs- und Krisenregion."Zwei Fragen standen im Vordergrund: Kommt jetzt der große Schlag des Irans? Zwei Monate später wussten wir, der Iran ist ein Papiertiger. Die zweite Frage: Wie reagiert jetzt Israel? Ein Anschlag dieser Art war nie dagewesen. Und auch heute beschäftigt uns diese Frage weiter. Die Schlacht in Gaza ist militärisch entschieden, aber nicht politisch", so Hermann. "Der Nahe Osten ist in Bewegung, wie er es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr war".
Christliche Werte
Auf die Bedeutung von Empathie und Mitgefühl als zentrale christliche Werte ging Bischof Gerber in der Gesprächsrunde ein. Die Fähigkeit zur Empathie sei die unabdingbare Grundlage für die Verständigung und den Dialog um einen nachhaltigen Frieden, so der Bischof. Christen seien keine Zuschauer in unserer Gesellschaft, sondern stehen für Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, Aktivität, Solidarität – und auch für Spendenbereitschaft.Vorsicht vor "abtrainierter" Empathie
Angesichts rechtspopulistischer Strömungen in Europa und den jüngsten Äußerungen Donald Trumps zu Grönland und Panama warnte Fuldas Bischof vor Übergriffigkeiten, einseitigen Ich-Perspektiven und Vereinfachungen auf Kosten anderer. Man könne schnell den Eindruck bekommen, hierbei handele es sich um ein politisches Konzept, in dem "die Empathie für Menschen anderer Kulturen und Weltanschauungen regelrecht ‚abtrainiert‘ wird", sagte der Bischof. Differenzierte Sichtweisen und emphatisches Vorgehen würden so zunehmend diskreditiert und damit aus der Vorstellungskraft und der gesellschaftlichen Kommunikation verbannt.Gerber rief dazu auf, sich für die Würde jedes Menschen und für einen gerechten Frieden zu engagieren, der das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen und der Völker im gegenseitigen Miteinander achtet und berücksichtigt.
Der Verlust von Empathiefähigkeit und Mitgefühl sei im Heiligen Land und in vielen anderen Krisengebieten der Welt zu beklagen und habe dort und anderswo stets destruktive Konsequenzen, betonte der Bischof. Ein solcher Mangel an Mitgefühl verursache vernichtende Wirkung und könne die Bereitschaft zur Konfrontation und die Gewaltspirale immer weiter beschleunigen.
Dialog und Begegnung
Begrüßt wurden die rund 400 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Bildung, Sozialen Diensten und Kirche vom Generalvikar des Bistums Fulda, Prälat Christof Steinert sowie von Gunter Geiger, dem Direktor und Leiter der Katholischen Akademie des Bistums.In diesem besonderen, von Papst Franziskus eröffneten Heiligen Jahr 2025, sei jeder dazu eingeladen, persönlich für Verständigung und für Not leidende Menschen aktiv zu werden, sagte der Generalvikar in seiner Begrüßung. Es sei an der Zeit, dies so zu tun, wie es jeder nach seinen Möglichkeiten und Kräften kann, so Steinert.
Für die musikalische Begleitung der Begegnung am Sonntag im Fuldaer Bonifatiushaus sorgte der Musiker und Komponist Frank Tischer. Moderatorin des Abends war die Rundfunkjournalistin Stephanie Mosler. (Moritz Bindewald / pm) +++