Echt jetzt! (39)
Die wichtigsten Partys des Jahres - Bemerkungen von Rainer M. Gefeller
Zwei Loriot-Männer in einer Wanne. Der Herr mit dem Doppelnamen (Müller-Lüdenscheidt) trägt Kappe.
Foto: Szene aus Zeichentrickfilm „Herren im Bad“
10.01.2025 / REGION -
Liebe Kundschaft, jetzt wird gefeiert. 2025 wird unser Party-Jahr. Tanzen wir, bis die Schuhe qualmen. Lachen wir, bis unsere aufgespritzten Lippen platzen. Lassen wir uns berühren und befeuern und singen wir ruhig mal mit. Aber nicht zu laut, wir wollen ja niemanden erschrecken... Hier sind die Party-Termine, die Sie sich gönnen sollten. Save the date, wie der Schlaumeier sagt.
Erstmal kreisen die Hüften – aber gaanz laangsam; der Reggae ist keine Musik für Hektiker. Tanzen wir. Ist zwar mitten in der Woche, Donnerstag, 6. Februar 2025. Aber heute wäre der Zaubermeister des Jamaika-Sounds 80 geworden. In Wirklichkeit wurde er gerade mal 36 Jahre alt. "Wir haben keine Ausbildung, wir haben Inspiration. Wenn ich ausgebildet worden wäre, wäre ich ein verdammter Idiot." Das hat er wirklich gesagt, der Bob Marley. Hat sowieso viel zu viel gekifft in seinem Leben, zu wild gelebt, zu wild geglaubt (an die Rastafari-Bewegung). Zeugte elf Kinder, davon vier mit seiner Jugendliebe Rita. Seine Songs sind bis heute das Maß aller Reggae-Musiken, noch immer hypnotisierend. Ein Generalsekretär der Vereinten Nationen empfahl den Marley-Reggae sogar als Friedens-Inititative:
"Ich bin Boutros Boutros-Ghali.
Legt Eure Gewehre weg und hört Bob Marley."
Am 21. März, einen Tag nach Frühlingsanfang, wird in vielen Ländern der Welt der "Tag der Poesie" begangen. Da machen wir doch mit, oder? Kennen Sie das berühmteste deutsche Gedicht? Nee, nichts von Goethe; der belegt in der Bestenliste der 200 poetischen Hits immerhin die Plätze 2 bis 5. Aber der erste Platz gehört dem "Abendlied" von Matthias Claudius, 1778 geschrieben, unzählige Male nachgedruckt, parodiert, von Max Reger, Carl Orff und Franz Schubert vertont und sogar von Herbert Grönemeyer in seinem Knurr-Gesang dargeboten. Unter uns: Das klingt noch schlimmer als Bob Dylans Weihnachtslieder. Das können wir besser! Lesen wir uns das Gedicht doch gegenseitig vor – am besten zum Sonnenuntergang, an diesem Frühlingstag gegen 18:36 Uhr.
Der Mond ist aufgegangen,
Die goldnen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar;
Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar.
Schon eingeschlafen? Das "Abendlied" ist sieben Strophen, 42 Zeilen lang. Manche mögen es vielleicht kürzer. In Japan wird die minimalistische Gedichtform des "Haiku" gepflegt; mit drei Sätzen muss alles gesagt sein. Diesen Dreizeiler von Matsuo Basho kennt fast jeder Japaner:
"Der alte Teich.
Ein Frosch springt hinein.
Das Geräusch des Wassers."
Bei der Geburtstags-Party für Giacomo Casanova geht’s natürlich saftiger zu: am 2. April wäre er 300 Jahre alt geworden. Wir können so tun, als wollten wir an diesem Tag seine vielleicht tatsächlich beachtlichen Leistungen als Lotterieunternehmer, Orchestergeiger, politischer Gesandter, Paradeoffizier, Kardinalssekretär und Schriftsteller würdigen – aber lassen wir das. Was hatte der Kerl, was andere Männer nicht haben? Braune Augen, 1,87 Meter hoch, gern trug er eine Blondhaar-Perücke, vollendete Manieren hatte er obendrein. Wenn er sich im Spiegel betrachtete, war sein Urteil eindeutig: "Ich war von mir entzückt". Der Mann mit dem ungeheuren Hunger auf Frauen servierte gern üppige Liebesmahlzeiten – Trüffeln und Austern gehörten häufig, Burgunder und Champagner immer dazu. 116 Liebschaften hat er gestanden. Historiker haben vorgerechnet, dass er wohl einige Tausend verschwiegen (oder vergessen) haben dürfte. Achtmal saß er im Kerker, elfmal blieb in seinem 73-jährigen Leben eine Geschlechtskrankheit an ihm kleben.
Hurra, endlich dürfen beide Ehepartner in Deutschland einen Doppelnamen tragen, ab 1. Mai. Das können wir einfach Gestrickten nur auf eine Weise feierlich begehen: Setzen wir uns in unsere Badewanne und fühlen uns wie der berühmteste Doppelnamen-Deutsche, Herr Müller-Lüdenscheidt. Eine Gummiente liegt ja sicher auch noch irgendwo rum. Und dann soll halt irgendein Nachbar dazu kommen; man braucht ja jemanden, der sich mit in den Zuber setzt und genauso rummosert wie wir selbst. Der meisterliche Humor-Fabrikant Loriot hat uns mit seinem Sketch "Herren im Bad" ein Stück Fein-Kultur geschenkt; danke dafür. Plätschern wir noch ein wenig herum und freuen uns, dass wir nicht im Kreis Gütersloh geboren wurden und Ottovordemgentschenfelde heißen. Das soll der längste Nachname Deutschlands sein. Nicht auszudenken, wenn ein Mann dieses Namens sich mit einer Roswitha-Kunigunde Müller-Lüdenscheidt vermählte und die Möglichkeiten des Namensrechts nutzen möchte.
80 Jahre ohne Krieg! Das müssen wir ernsthaft feierlich begehen. Acht Jahrzehnte ohne die alles zerfleischende und selbstzerstörerische Kraft der schlimmsten aller Menschheits-Sünden – das hatte Deutschland noch nie zuvor in seiner Geschichte erlebt. Seit am 8. Mai 1945 die Wehrmacht endlich kapituliert hat, die Nazi-Herrschaft wie ein Spuk verschwand und in ganz Europa die Millionen Opfer beklagt wurden, herrscht Friede im Land. Mag sein, dass wir in dieser langen Zeit der Krieg-Losigkeit zu einem bequemen Volk von Warmduschern geworden sind – na und? Gerade jetzt, da uns der Krieg in der Ukraine so furchterregend auf die Pelle rückt, sollten wir nicht vergessen, dass nichts süßer und großartiger schmeckt als Friede. So soll’s, so muss es bleiben.
"Willkommen zur Lutherhochzeit", schreibt allen Ernstes die Stadt Wittenberg. Dort haben vor 500 Jahren der Ex-Mönch Martin Luther und die entflohene Nonne Katharina von Bora geheiratet, mitten im Bauernkrieg. Die Stadt wusste damals längst, was sie an ihrem Luther hatte und schenkte dem Brautpaar 20 Silbergulden und ein Fass Einbecker Bier. Auf diesen Schoppen fuhr Herr Luther dermaßen ab, dass er sich sogar einen Reim drauf machte: "Der beste Trank, den einer kennt, der wird Einbecker Bier genennt." Die Trauzeugen, darunter der berühmte Maler Lucas Cranach und dessen Frau, eskortierten die Hochzeiter unmittelbar nach der Trauung in die Schlafkammer. Sechs Kinder hat das Paar gezeugt, innerhalb von acht Jahren. Das alles muss gefeiert werden, dass es kracht – am heftigsten natürlich in der "Lutherstadt", am dritten Juni-Wochenende.
Wenn die Wittenberger freilich damit rechnen sollten, dass sich halb Fulda auf den Weg machen würde zu ihnen – daraus wird nichts! Ab 13. Juni residiert Die Päpstin im Schlosstheater. Da muss man doch hin! Diesen Sommer ist Sandy Mölling als Kirchenoberhauptin zu bestaunen. Die Frau kennt man als "No Angels"-Star und gefeierte Musical-Rakete. Schon 2016 wurde sie vom Hersfelder Publikum als beliebteste Schauspielerin der Festspiele gewählt, für ihre Rolle als Eliza in "My Fair Lady". Über die päpstliche Frau Mölling war die Münchner tz ganz hin und weg und widmete ihr eine nette Überschrift: "Wir sind Päpstin." Am 2. Juli öffnet außerdem wieder Hessens schönste Konzertbühne vorm Fuldaer Dom. Für Bryan Adams, der in diesem Jahr nur zwei Auftritte in Deutschland absolviert, gibt es schon lange keine Tickets mehr. Johannes Oerding, Santiano, Roland Kaiser und Wincent Weiss kommen ebenfalls. Wir sind natürlich dabei – auch wenn in Fulda mancher traurig ist, dass die Weltstar-Polonaise vergangener Jahre in diesem Sommer etwas kürzer ausfällt.
18. August. Jessas na: die Antibabypille ist Rentnerin, mit 65. Von Frauen als "Meilenstein für die körperliche Selbstbestimmung" gefeiert. Symbol für die sexuelle Revolution der 60er. Von manchen Medizinern wegen der Nebenwirkungen mit Skepsis betrachtet. Die katholische Kirche war und ist strikt dagegen, Alice Schwarzer strikt dafür: "Ich habe die Pille ab Mitte der 60er Jahre genommen, also mit 22, 23. Und ich bin eine von vielen Millionen Frauen, die die Pille für ein Geschenk Gottes halten." 1964 kritisierte die Bundesregierung den Gebrauch des Wortes Antibabypille als "grob anstößig". Auch Carl Djerassi, "Vater der Pille", war wütend: seine Erfindung sei kein Mittel gegen Babys. In der DDR wurde versucht, sich aus dem Wort-Schlamassel herauszuwinden und nannte sie "Wunschkindpille". Ist die Pille eine Heldin der Geschichte oder eine Schurkin? Hat sie die Frauen befreit – und der Gesellschaft zugleich zu einer derart mickrigen Geburtenrate verholfen, dass wir kurz vorm Aussterben stehen? Quatsch! Wer verhüten will, findet immer einen Weg...
28. Dezember. Wühlt die alten Schallplatten raus und lasst die Gefühle fliegen: Zum 100. Geburtstag von Hildegard Knef säuseln wir ihre alten Lieder. Erstmal den Rosen-Regen, erste Strophe: "Für mich soll′s rote Rosen regnen. Mir sollten sämtliche Wunder begegnen." Geht sie einem nicht unter die Haut, die Hilde, die "beste Sängerin ohne Stimme", wie die legendäre Ella Fitzgerald sie genannt hat? Kein leichtes Leben hatte sie; drei Männer und unzählige schwere Krankheiten, dazu ein Karriere-Tohuwabohu zwischen Hollywood und Berlin. "So oder so ist das Leben, so oder so ist es gut. So wie das Meer ist das Leben, ewige Ebbe und Flut." Schönes Leitmotiv zum Jahresende 2025. Ach, in drei Tagen ist ja schon wieder Silvester!
Die Musik zu den Partys gibt es hier:
Bob Marley, No Woman No Cry: https://www.youtube.com/watch?v=pHlSE9j5FGY
Herbert Grönemeyer verbiegt ein Gedicht: https://www.youtube.com/watch?v=9cXdSZX7wos
Hildegard Knef vor 60 Jahren, So oder so ist das Leben: https://www.youtube.com/watch?v=JbhVRWVX1Iw (Rainer M. Gefeller) +++