Der Stadtpfarrer bei O|N

Impuls von Stefan Buß: "Ehre sei Gott in der Tiefe!"

Stadtpfarrer Stefan Buß.
Archivfoto: O|N/ Hendrik Urbin

28.12.2024 / FULDA - Bei den Engeln, die den Hirten die Nachricht von der Geburt des Gotteskindes überbrachten, war einer aus dem himmlischen Heer dabei, der sang falsch. Hatte er nicht richtig zugehört? Oder hatte er etwa die Chorproben im Himmel geschwänzt? Oder war er nicht ganz bei der Sache, wie sich das für einen Engel eigentlich gehören würde; war er in Gedanken vielleicht schon bei Maria und dem Jesuskind im Stall?



Dieser Engel in der hintersten Reihe wusste selbst nicht genau, wie es kam, dass er immer da, wo er hätte "Ehre sei Gott in der Höhe" singen sollen, "Ehre sei Gott in der Tiefe" sang! Überdies hatte er eine sehr kräftige Stimme, sodass sein "Ehre sei Gott in der Tiefe" nicht zu überhören war! Die Engel neben ihm stießen ihn an.

"Höhe", flüsterten sie, "Ehre sei Gott in der Höhe!" Und als ob er schwerhörig sei, wiederholten sie: "Höhe-Höhe-Höhe!" Der Engel jedoch sang unbeirrt weiter: "Ehre sei Gott in der Tiefe". Als der Gesang zu Ende war ging die Empörung los! Was ihm denn einfiele, so aus der Rolle zu fallen, das grenze ja schon an Gotteslästerung! Die göttliche Majestät sei in der Höhe und nicht in der Tiefe! Ganz geknickt war der kleine Engel aus der hintersten Reihe – doch hatte er einfach nicht anders singen können.

Können wir die Empörung der Engel teilen? "Ehre sei Gott in der Tiefe", hatte der kleine Engel gesungen; das tanzte gewiss sehr aus der Reihe, war gar nicht das, was die anderen Engel sangen – aber hatte er damit wirklich so unrecht? Von Martin Luther ist überliefert, dass er gesagt haben soll: Wer Gott finden will, der fange nicht oben im Himmel an, der fange unten im Stall, bei der Krippe an. Also in einer zugigen Unterkunft für Menschen und ihre Tiere, auf dem Boden aus festgestampfter Erde, wo ein roh zusammengezimmertes Behältnis für Tierfutter steht, wo jetzt ein Neugeborenes drin liegt, in seiner irdischen Bedürftigkeit, wehrlos, verletzbar. So soll man sich Gott vorstellen! Nein, falsch, eben nicht mehr sich vorstellen, sondern man soll jede Vorstellung von ihm über den Haufen werfen. Denn mit einer solchen Menschwerdung hat Gott sich von unten her in das Leben der Menschen eingemischt. Er wurde einer von uns, wie wir es schon x-mal gehört haben – ich denke aber, solch grundlegende Merkmale eines Gottesbildes kann man nicht oft genug hören und nicht oft genug bedenken. Geheimnis des Glaubens: Es hat Gott gefallen, uns auf eine Weise nahe zu sein, wie wir selbst es nicht hätten ausdenken können.

Ehre sei Gott in der Tiefe! Damit stellt der kleine Engel alles auf den Kopf – und ist von der Weihnachtsbotschaft nicht weit entfernt. Vielleicht näher als viele herrliche Engel, die Gott in der Höhe preisen. Gott - nicht im Himmel, sondern auf Erden! Gott – nicht oben, sondern unten. Gott – kein Allherrscher, sondern ein Kind, geboren in einem Stall, armselig, ohnmächtig, schutzbedürftig, der Pflege und Fürsorge von armen Menschen anvertraut. "Ehre sei Gott in der Tiefe" – viel Mut brauchte es für den kleinen Engel, so etwas zu singen und hartnäckig dabei zu bleiben, gegen die Empörung der Großen, mächtigen Engel! Haben Sie es vielleicht auch gewagt, jetzt, und innerlich mitgesungen: "Ehre sei Gott in der Tiefe!" (Stefan Buß)+++

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