Nach der Flutkatastrophe
Maxi Tag (20): "Diese Gemeinschaft ist stärker als jede Krise, Visca Valencia!"
Fotos: privat
19.11.2024 / VALENCIA/LUDWIGSAU - Die Flutkatastrophe vor knapp drei Wochen ist fernab der spanischen Provinz Valencia aus der aktuellen Berichterstattung der Medien weitgehend in die Randspalten verschwunden. Doch das Ausmaß dieses schlimmen Ereignisses schockiert und bewegt. Über 200 Menschen verloren in Valencia durch die Katastrophe ihr Leben.
In der Region fiel am 29. Oktober dieses Jahres die Rekord-Regenmenge von 445 Litern pro Quadratmetern - unvorstellbar. Die Jahrhundertflut wütete und zerstörte alles, was ihr in den Weg kam. Der erste Schock mündete in Wut gegenüber der Regierung, weil die Bevölkerung offenbar zu spät alarmiert wurde. Selbst das Königspaar Felipe VI. und seine Frau Letizia sowie Ministerpräsident Pedro Sánchez bekamen die Entrüstung bei einem Besuch im Katastrophengebiet zu spüren.
Valencia ist normalerweise eine lebensfrohe und sonnige Stadt
Im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS-Reporter Hans-Hubertus Braune schildert Tag eindrucksvoll, wie sich die Menschen gegenseitig unterstützen, wie sich die Studenten aus den unterschiedlichen Ländern aufopferungsvoll daran beteiligen. Wieder einmal zeigt dieses Beispiel, wie sich gerade auch junge Menschen in der Gesellschaft einbringen.Maxi Tag: "Danke der Nachfrage! Mir persönlich geht es gut, obwohl die letzten Tage sehr intensiv waren. Kurz zu mir: Ich studiere im 5. Semester Wirtschaftswissenschaften an der Universität Kassel und bin aktuell für ein Auslandssemester in Valencia. Abgesehen von den jüngsten Ereignissen, habe ich hier eine wunderbare Zeit und bin begeistert von der Stadt und den Menschen. Valencia ist normalerweise eine lebensfrohe und sonnige Stadt, doch durch das Unwetter hat sich das in den letzten Tagen geändert."
"Es war ein beklemmendes Gefühl"
O|N: Wie hast Du die ersten Folgen des Unwetters erlebt?Maxi Tag: "Die Auswirkungen waren vor allem in den sozialen Medien und Nachrichten zu sehen. In meinem Viertel war zwar von den direkten Folgen nicht viel zu spüren, aber die Unsicherheit lag in der Luft. Besonders spürbar wurde es, als das Leitungswasser für mehrere Stunden ausfiel – das sorgte für Hamsterkäufe in den Supermärkten. Menschen kauften Wasser, Konserven und Toilettenpapier. Es war ein beklemmendes Gefühl, obwohl ich in Sicherheit war. Was mich besonders bewegte, war die enorme Welle an Solidarität, die sofort begann: Freiwillige organisierten sich über Nacht, um den Betroffenen zu helfen, während offizielle Hilfe erst verzögert anlief."
O|N: Wie haben die Menschen in und um Valencia herum reagiert?
Studenten helfen in zerstörtem Kindergarten: Knietief im Schlamm
O|N: Wie ist die Hilfe angelaufen, gibt es besondere Aktionen?Maxi Tag: "Einige von uns sind auch direkt in die umliegenden Dörfer gefahren, um vor Ort zu helfen. Besonders eindrucksvoll waren meine Besuche in Catarroja, einem der schwer getroffenen Dörfer in der Nähe von Valencia. In Catarroja halfen wir in einem örtlichen Kindergarten, der komplett von Schlamm und Wasser überflutet worden war. Der Schlamm stand teilweise bis zu den Knien, und es war eine enorme Herausforderung, die Räumlichkeiten wieder begehbar zu machen. Zu Beginn war die Hilfe ziemlich chaotisch und unorganisiert. Viele Menschen kamen, um zu helfen, aber es gab niemanden, der genau wusste, was zuerst getan werden musste oder wie man die Arbeit aufteilen sollte. Mit der Zeit hat sich das jedoch gebessert, und die Hilfe wurde besser koordiniert – auch dank der Unterstützung von Freiwilligenorganisationen
Als Erasmus-Gruppe haben wir unsere Spendenaktion fortgeführt und konnten mit dem Geld nicht nur Grundbedarfsartikel kaufen, sondern auch den Neuaufbau in betroffenen Einrichtungen wie dem Kindergarten in Catarroja unterstützen. Es war beeindruckend zu sehen, wie solidarisch und engagiert die Menschen hier in Valencia und Umgebung zusammengearbeitet haben, um diese Krise zu bewältigen."
"Solidarität und Zusammenhalt, unglaublich bewegend"
O|N: Wie reagierten die Studenten auf das Unwetter?Maxi Tag: "Die Reaktion der Studierenden – sowohl der Einheimischen als auch der Erasmus-Studenten – war beeindruckend. Viele wollten sofort helfen und haben sich an den Aufräum- und Spendenaktionen beteiligt. Es gab auch zahlreiche Initiativen, um die Situation über soziale Medien bekannt zu machen und Spenden aus dem Ausland zu organisieren. Die Solidarität unter den Studierenden war spürbar, und es hat sich gezeigt, dass man auch mit kleinen Gesten viel bewirken kann. Gleichzeitig war die Situation aber auch ein Schock für viele, da niemand erwartet hatte, dass ein so schweres Unwetter die Region treffen könnte. Abschließend kann ich nur sagen, dass es unglaublich bewegend war, die Solidarität und den Zusammenhalt der Menschen hier in Valencia zu erleben – egal ob Einheimische, internationale Studierende oder Freiwillige aus anderen Regionen. Trotz all der Zerstörung zeigt sich, dass diese Gemeinschaft stärker ist als jede Krise. Visca Valencia!" (Hans-Hubertus Braune) +++