"Von unschätzbarem Wert"

Historisches Erbe von Heilbadgründer Dr.  Martiny Heimatfreunden übergeben

Das 1873 erbaute Kurhaus
Fotos: Gemeinde Bad Salzschlirf

05.11.2024 / BAD SALZSCHLIRF - "Das ist das wertvollste und historisch bedeutsamste Geschenk, welches die Heimatfreunde in ihrer Geschichte entgegennehmen konnten. Für das kultuelle Erbe unseres Heilbades ist es von unschätzbarem Wert", freut sich Christian Bornträger, der 1. Vorsitzende des Vereins. Aus den Händen des Ururenkels Dr. Friedrich Martiny konnte er einen ganzen Ordner mit Original-Urkunden, -Patenten und -Zertifikaten entgegennehmen.



Das meldet jetzt die Gemeinde Bad Salzschlirf. "Ganz besonders ist hier die Promotionsurkunde von Dr. med. Eduard Martiny aus dem Jahre 1832, die in einem ausgesprochen guten Zustand ist.

Urkunden überstehen zwei Weltkriege

Man muss sich einmal vor Augen halten, dass wir hier fast 200 Jahre alte Dokumente vor uns liegen haben, die zwei Weltkriege überstanden haben", so Bornträger. Der Nachfahre Dr. Friedrich Martiny ergänzt, "wir haben die Urkunde bereits von einer Fachfirma sanieren lassen, um sie für die Nachwelt zu erhalten. Nun haben wir uns in der Familie dazu entschlossen, dass die Dokumente in seinem ‚Heilbad‘ in gute Hände kommen sollen."

"Wir werden die Dokumente hüten wie einen Schatz", versichert Bornträger. "Man muss wissen, dass Dr. med. Eduard Friedrich Gotthilf Martiny für Bad Salzschlirf so viel bedeutet wie beispielsweise Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich von Schiller für Weimar. Nur durch seine Vision aus Salzschlirf ein Heilbad zu machen, seinen unermüdlichen Einsatz und sein Durchhaltevermögen ist der Weg dahin geebnet worden. 1876 verstarb Martiny und er hat es leider nicht mehr erlebt, wie sein Badeort gewachsen ist. Lediglich den Bau des Kurhauses (heutige Kurpark-Residenz) im Jahre 1875 konnte er als Meilenstein noch miterleben.

"Die Eröffnung des mondänen Hotels Badehof im Jahre 1906, die Enststehung vieler Jugendstilvillen, die Verleihung des Titels ‚Bad‘ im Jahre 1911 oder die Entwicklung des ‚Bonifazius-Brunnens‘ zur bekanntesten Gichtquelle Europas waren die Früchte seiner Arbeit. Die grandiose Entwicklung der Aktiengesellschaft mit dem Bau des modernsten Moorbadehauses in Europa im Jahre 1964, in dem knapp 600 Kurgäste am Tag heilende Anwendungen bekamen, hätte es ohne die Gründung des Heilbades durch Dr. Martiny im Jahre 1838 nie gegeben", so Bornträger.

Ein ganzer Ort entwickelte sich dadurch über viele Jahrzehnte rasant und positiv. Im Kurpark enstand unter anderem das größte Theater in der Region und Stars wie Heinz Rühmann, Inge Meysel oder Ingrid Steeger spielten "auf den Brettern, die die Welt bedeuten", wie Schiller einst sagte.

Dr. Martiny war verwandt mit J. W. von Goethe

Ach da war ja noch etwas - Johann Wolfgang von Goethe. Dr. Eduard Martiny war sogar verwandt mit dem großen Dichter. Die Frau von Dr. Martiny, Emma Martiny geborene Lange, war die Tochter von Johann Friedrich Ludwig Lange aus Wetzlar (1760-1836); dieser war der Sohn von Johann Friedrich Lange aus Wetzlar (1724-1822); dieser wiederum war der Bruder von Catharina Elisabeth Goethe, geborene Lindheimer (1731-1808) und diese war die Mutter von Johann Wolfgang von Goethe.

"Wir freuen uns, dass wir von Familie Martiny neben den Originalen auch ein 91-seitiges Dokument erhalten haben, aus dem man viele weitere Informationen und Erkenntnisse gewinnen kann", so Bornträger. Dass Dr. Martiny alles für sein ‚Bad‘ getan hat, liest man zum Beispiel aus einem Schreiben an das Ministerium: "Ich habe dieses Bad gegründet; ich habe demselben mein ganzes Vermögen bis zum letzten Heller zum Opfer gebracht; ich habe 35 Jahre meines Lebens diesem Bade und nur ihm allein gewidmet; ich habe für dieses Bad gelitten, geduldet, gedarbt und gerungen, wie es einem Manne nur möglich ist, für das sich zur Lebensaufgabe gestellte Ziel auszuharren und immer vorwärts zu streben. Wie dieses Bad meine Lebensaufgabe in sich schließt, so ist es mit meinem Leben so innig verwachsen, dass der Gedanke einer Trennung von demselben mich vernichten würde."

Und so kam es! In seinen letzten Lebensjahren musste er sich körperlich gebrochen, finanziell ruiniert und widerwillig von seiner Schöpfung trennen. Denn nachdem eine Gesellschaft zum Weiterbetrieb des Bades gegründet wurde, ist er entlassen worden. Er wurde dann Badearzt in Bad Orb, erkrankte dort aber schwer und wurde von seinem Schwiegersohn wieder nach Bad Salzschlirf zurückgeholt.

Ehrenbürgerrecht für Dr. Eduard Martiny

Wohlwissend um die großen Verdienste verlieh der damalige Bürgermeister Iller im März 1876 Dr. Martiny das Ehrenbürgerrecht mit den Worten "Dem Herrn Sanitätsrath Dr. Martiny Verleihe ich im Namen der ganzen Gemeinde Salzschlirf, das Recht, eines Ehrenbürgers hiesiger Gemeinde und zwar, in Anerkennung seines langjährigen, segensreichen Wirkens, als Arzt, insbesondere als Freund und uneigennütziger Berather aller Armen und Bedrängten unserer Gemeinde. Möge der Herr Sanitätsrath Dr. Martiny noch recht lange in unserer Mitte verbleiben."

Auch dies wurde ihm verwehrt; ein halbes Jahr später verstarb er nach langem schwerem Leiden im 67. Lebensjahr am 24. September 1876. Der katholische Pfarrer Schumann beerdigte den Protestanten Dr. Martiny an der katholischen Kirche mit den Worten: "Dem Bade gab er das Leben, das Bad gab ihm den Tod". Bevor er starb, sprach er zu seiner Tochter: "Sage deinen Brüdern, sie sollen keinen Stein auf mich werfen, dass ich ihnen kein Vermögen hinterließ, aber ich musste durch das Elend und die Ungunst der Zeiten der armen, leidenden Menschheit ein unschätzbares Gut hinterlassen."

Dr. Eduard Martiny sollte Recht behalten. Trotz der einschneidenden Gesundheitsreform in den 1990er Jahren und dem wiederholten Kraftakt das ‚Bad‘ zu erhalten, strahlt das Heilbad heute mit seinen vier Kurkliniken, den Hotels und Penionen nach außen. Auch heute noch machen sich die Kurgäste die heilende Wirkung des Heilwassers zu Nutze.

Die Urkunden werden zukünftig die Ausstellung des Heimatmuseums bereichern und erweitern. Geöffnet ist das Museum immer am 2. und 4. Sonntag im Monat von 14.30 Uhr bis 17.00 Uhr. (mau/pm) +++

X