Hoher Benefit vs. Schwarze Schafe
Telefonische Krankmeldung abschaffen? Was hiesige Hausärzte dazu sagen
Bei Infekten zwei Stunden im Wartezimmer sitzen? Eher ungünstig ...
Symbolbild: pixabay
04.11.2024 / REGION -
Von Arbeitgeberverbänden und Finanzminister Christian Lindner (FDP) gibt es Bestrebungen, die Möglichkeit zur telefonische Krankschreibung wieder abzuschaffen - sie sei ein Grund für hohe Krankenstände. Ärzte verteidigen das Modell und warnen vor Bürokratie. Die Regelung war während der Coronapandemie eingeführt worden, um die Praxen zu entlasten und das Ansteckungsrisiko zu minimieren. Die Bescheinigung einer Arbeitsunfähigkeit (AU) nach telefonischer Anamnese ist bei Patienten möglich, die der Praxis bekannt sind. Eine weitere Voraussetzung ist, dass es sich um Erkrankungen handelt, die keine schwere Symptomatik vorweisen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) hatte 2023 entschieden, diese Regelung dauerhaft beizubehalten.
Unser O|N-Arzt Adrian Böhm spricht sich klar und deutlich für eine Beibehaltung dieser Regelung aus, weil sie die Arztpraxen entlastet und Patienten vor Ansteckung schützt. Wir haben weitere Mediziner in unserer Region zu dieser Kontroverse befragt:
GNO-Vorsitzender und Hausarzt Ralph Hönscher beklagt die deutliche Zunahme an mangelnder Arbeitsmoral in Deutschland allgemein und auch bei einigen seiner Patienten: "Es ist doch kein Wunder, dass es in diesem Land nicht vorangeht, wenn sich viele wegen eines banalen Infekts gleich eine ganze Woche krankschreiben lassen", sagt er. Besonders seit Corona seien viele leider Gottes nicht mehr ganz so arbeitswillig und die Möglichkeit, sich telefonisch krankschreiben zu lassen, erleichtere ihnen ihre Drückebergerei. "Das ist den Kollegen gegenüber unsolidarisch. In meiner Praxis handhabe ich das anders. Wer krankgeschrieben werden will, den bestellen wir in die Praxis, auch aus Loyalität dem Arbeitgeber gegenüber. Ich kenne ja meine Pappenheimer." Er selbst habe auch mit einer schmerzhaften Gürtelrose noch praktiziert.
Hausärztin Dr. Silvia Steinebach aus Hosenfeld sieht das anders: "Die Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung ist für uns Hausärzte eine große Erleichterung, gerade in Infektionszeiten, wenn die Praxen aus allen Nähten platzen. Wir nutzen in solchen Fällen auch oft die Video-Sprechstunde, gerade bei banalen Infekten ist eine Telefon-AU da tatsächlich eine Hilfe. Es sollte allerdings gewährleistet sein, dass das bekannte Patienten der jeweiligen Praxis sind. Kritisch sehe ich Krankschreibungen von Ärzten, die irgendwo in Berlin sitzen und Münchner Patienten krankschreiben, die sie noch nie gesehen haben. Grundsätzlich wäre es schön, wenn politisch mal entschieden würde, dass die Möglichkeit der Telefon-Krankschreibung dauerhaft festgeschrieben wird", so Dr. Steinebach.
Kurz und knackig beantwortet Dr. Svenja Beres, Allgemeinmedizinerin im MVZ Altstadt-Caree in Fulda die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Telefon-Krankschreibung: "Ja, es gibt tatsächlich Schwarze Schafe, die diese Möglichkeit ausnutzen. Aber der Benefit durch die Entlastung der Praxen, die Verringerung der Ansteckungsgefahr und die Erleichterung für die Patienten überwiegt eindeutig." (ci)+++