Ungebrochener Trend zur Natur
Fälle von Pilzvergiftung haben zugenommen - der Experte klärt auf
Fotos: Lukas Larbig
02.11.2024 / REGION -
"Wer Pilze sammelt, muss gut informiert sein" - genau so beschreibt Pilzwissenschaftler Lukas Larbig, den ungebrochenen Trend. "Es existieren zahlreiche Herausforderungen, um Gesundheitsrisiken zu minimieren und auch die Umwelt zu schonen."
"Die Mykologie (Pilzwissenschaft) betreibe ich seit vielen Jahren recht intensiv und dennoch ist das nur eine Freizeitbeschäftigung. Ich bin auch leider nie in den Genuss gekommen, an einer Hochschule Biologie zu studieren. Im Gegenteil: ich bin Politologe", so Larbig. Er nutze dieses naturverbundene Hobby, um einen Ausgleich zu seinem Beruf zu haben.
"Selbstüberschätzung und auch Gier führen meist zu Vergiftungen"
Zu den Schwierigkeiten beim Sammeln sagt er: "Zum Beispiel ist das Sammeln in Naturschutzgebieten aus gutem Grund ganz untersagt. Bedauerlicherweise begegne ich in geschützten Biotopen immer wieder Pilzsammlern. Weiterhin stehen zahlreiche Pilzarten unter besonderem Schutz und dürfen generell nicht entnommen werden. Bei Korbkontrollen sehe ich leider öfter, dass auch große Mengen geschützter Arten gesammelt werden."In letzter Zeit kommt es vermehrt zu Meldungen über Pilzvergiftungen. "Pilzvergiftungen sind ein ernstzunehmendes individuelles Risiko beim Verzehr von Sammelgut. Einige heimische Pilzarten sind stark giftig und es kommt in Deutschland jährlich zu zahlreichen tödlichen Vergiftungen. Meist führen Selbstüberschätzung und auch Gier dazu. Vielen Sammlern scheint nicht bewusst zu sein, wie viele verschiedene Pilzarten heimisch sind und entsprechend wie komplex die korrekte Bestimmung der Art sein kann."
Keine Sicherheit bei Pilzführern der Buchhandlung und Bestimmungsapps
Der Pilzwissenschaftler warnt: "Wir gehen von mehr als 10.000 Arten allein in Mitteleuropa aus. Auch vermitteln einfache Pilzführer aus dem Buchhandel oder viel schlimmer noch Bestimmungsapps teils den Eindruck, man könne damit in den Wald gehen und alle Pilze sicher bestimmen. Die enthalten dann Beschreibungen von maximal einigen hundert Arten. Es können bereits 70 verschiedene Champignonarten bei uns vorkommen, viele davon giftig, wenn auch nicht direkt tödlich." Verwechslung kann tödlich enden
Doch Larbig kennt nicht nur die Theorie: "Persönlich betreue ich jedes Jahr einige Fälle von Pilzvergiftungen und der Schweregrad ist sehr variabel. Im vergangenen Jahr mehrten sich eher unangenehme Champignonvergiftungen, aber auch extrem giftige Pilze wie die Grünen Knollenblätterpilze scheinen stark zuzunehmen. Im vergangenen Jahr betreute ich den Fall einer jungen Frau, die Knollenblätterpilze als Steinpilze verspeist hatte. Da sie bereits ins Leberkoma abglitt, als ich mit der behandelnden Ärztin sprach, nehme ich an, dass das keinen guten Ausgang genommen hat." Interesse an Naturthemen ist gestiegen
Lukas Larbig erläutert: "Eine belastbare Statistik über Pilzvergiftungen gibt es leider nicht. Ich habe den Eindruck, dass das die Fälle zunehmen und halte für plausibel, dass es auch einen Zusammenhang mit Pilzbestimmungsapps gibt."Auffallend sei, dass das Interesse an Naturthemen in den Coronajahren gestiegen ist. So erklärt Larbig: "Mangels anderer Freizeitoptionen haben viele Menschen die Natur für sich entdeckt. Nach meinem Eindruck ist das mittlerweile wieder leicht rückläufig. Nichtsdestotrotz ist das Interesse noch immer größer als vor der Pandemie."
Pilze sind weit mehr als eine Nahrungsquelle
Besonders wichtig für ihn ist allerdings, die Pilze nicht nur als Nahrung zu betrachten, so fasst er abschließend zusammen: "Betrachten Sie Pilze bitte nicht ausschließlich als ausbeutbare Nahrungsquelle, halten Sie sich beim Sammeln an Arten- und Umweltschutz und beachten Sie Sammelbeschränkungen. Es ist auch nicht erlaubt, mehr als ein Kilogramm Speisepilze pro Person und Tag zu entnehmen. Verspeisen Sie Pilze nur dann, wenn Sie sich bezüglich der korrekten Bestimmung absolut sicher sind und legen Sie Ihr Leben nicht in die Hand einer App auf Ihrem Smartphone."