Tierseuche bestimmt den Alltag

Blauzungenkrankheit breitet sich rasant auf landwirtschaftlichen Betrieben aus

Eine mit der Blauzungenkrankheit infizierte Kuh
Symbolfoto: picture alliance/dpa | Lars Penning

18.10.2024 / REGION FD - "Es ist eine Katastrophe, dabei zuschauen zu müssen, wie die Tiere jämmerlich zugrunde gehen", sagt Klaus Keidel von der gleichnamigen Schäferei in Gersfeld-Schachen besorgt. Seit Wochen kämpft in auf seinem Betrieb tagtäglich gegen die Blauzungenkrankheit, die viele seiner 200 Rhön-Schafe, Lämmer und Ziegen befallen hat.



25 Tiere seien bereits verendet. Mehr als 100 habe er behandeln und impfen müssen, damit sie der Tierseuche nicht erliegen. "Die Blauzungenkrankheit hat den Landkreis Fulda fest im Griff", bekräftigt Sebastian Schramm, Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes. Das erste Schaf auf dem Hof Keidels habe sich vor sechs Wochen mit der Blauzungenkrankheit infiziert. "Seitdem haben wir das Virus auf unserem Hof, er breitet sich wahnsinnig schnell aus", berichtet Keidel. Übertragen wird die Tierseuche nicht direkt von Tier zu Tier, wie beispielsweise bei der Afrikanischen Schweinepest (ASP), sondern über kleine, blutsaugende Mücken, sogenannte Gnitzen. Auf Menschen ist der Erreger nicht übertragbar. Auch Fleisch und Milchprodukte von mit der Blauzungenkrankheit infizierten Tiere können bedenkenlos konsumiert werden. Keidel berichtet, wie schwer die Seuche die Tiere trifft: "Sie bekommen Fieber und dicke Ohren. Ihre Schleimhäute schwellen an, dadurch bekommen sie Atemprobleme und können ersticken." Wegen der starken Schmerzen und teilweise gar Lähmung stellten viele Tiere das Fressen und Trinken ein. "Ich gehe täglich mit einer Impfspritze in die Ställe und führe ihnen Wasser zu, sodass sie wenigstens etwas Flüssigkeit bekommen", sagt Keidel. Gegen die Schmerzen bekommen die Schafe und Ziegen durch einen Tierarzt außerdem Schmerzmittel gespritzt. Dieser impft die Tiere auch.

Tierseuche bestimmt den Alltag

Die Bekämpfung der Tierseuche bestimmt derzeit den Alltag Keidels: "Jeden Tag gehe ich die Herde durch und schaue, ob es Krankheitsanzeichen gibt." Sind Tiere infiziert, sei ein erstes Anzeichen, dass sie ihre Ohren hängen ließen. "Wenn sie schwer krank sind, sondern sie sich von der Herde ab und legen sich auf die Wiese", erklärt der Landwirt. Er alarmiert auch andere Bauern: "Wenn man da zu spät dran ist, haben die Tiere keine Chance mehr und verenden qualvoll." Ein großes Problem: Fast alle infizierten Tiere seien derzeit trächtig. "Daher kommt es zu vielen Fehlgeburten", so Keidel.

Auch wirtschaftlich hat die Tierseuche Auswirkungen für den Landwirt. Keidel beziffert den bisherigen Schaden auf rund 4000 Euro – hinzu kommen Impfungen der Tiere und Medikamente. Hierfür habe der Gersfelder bisher 500 Euro zahlen müssen. Erstattet werden die Ausfälle nicht – lediglich für die Impfung erhält der Landwirt pro Tier einen Zuschuss von zwei Euro durch die Ertragsschadenversicherung.

"Die Situation ist schon heftig", sagt auch Landwirt Christian Bug, der auf seinem Hof in Böckels 150 Milchkühe hält. Viele Tiere hätten in den vergangenen vier Wochen bereits Symptome gezeigt, zwei Kühe sind an der Krankheit verendet. "Wobei es schwierig ist, da die Blauzungenkrankheit als feste Todesursache zu nennen. Die Seuche schwächt das Immunsystem aber so sehr, dass andere Krankheiten sich ebenfalls schneller ausbreiten", wirft Bug ein. Die Symptome der Blauzungenkrankheit unterscheiden sich bei den Milchkühen im Vergleich zu den Schafen und Ziegen nur in Teilen. "Die Tiere sind häufig schlapp, ihnen tut alles weh. Häufig stellen sie die Futteraufnahme ein." Die Milchkühe werden den ganzen Tag über beobachtet. "Treten Symptome auf, nehmen wir Blutproben und ziehen einen Tierarzt hinzu, der die Tiere dann impft." Das sei die einzige Möglichkeit, die Tiere langfristig zu heilen und gegen eine Ausbreitung der Seuche vorzugehen.

Wirtschaftliche Einschnitte

Wirtschaftliche Einschnitte durch die Blauzungenkrankheit gibt es auch auf dem Hof Bugs: "Die Milchleistung der Kühe sinkt deutlich. Bei den derzeitigen Milchpreisen hat dies spürbare Auswirkungen für uns", sagt der Petersberger Landwirt. Eine gesunde Kuh gibt rund 35 Liter am Tag ab, ein krankes Tier nur 25 Liter.

Kreisbauernverband-Geschäftsführer Schramm erklärt, dass die Krankheit bei Rindern meist schwächer als bei Schafen und Ziegen verlaufe. Die Seuchenlage sei dynamisch. "Das liegt auch daran, dass die übertragenden Gnitzen noch aktiv sind und für eine weitere Infektion sorgen. Allerdings dürfte sich mit deutlich kühleren Temperaturen im Winter die Lage vorerst verbessern, weil der Gnitzenflug bei kühleren Temperaturen endet." Im Frühjahr, wenn es wärmer wird, könne das Spiel aber wieder von vorne losgehen, erst recht wenn Laven in den Betrieben überwintern. Wie viele Betriebe genau von der Blauzungenkrankheit betroffen sind, kann Schramm nicht sagen. Er spricht aber von einer "hohen Betroffenheit".

Infokasten: Der erste Ausbruch der Blauzungenkrankheit in Deutschland wurde im Oktober 2023 festgestellt. Seitdem breitet sich das Virus über Stechmücken in vielen Regionen Deutschlands aus, so auch im Landkreis Fulda. Erstmals in der Region war die Blauzungenkrankheit am 5. Juli dieses Jahres in Alsfeld bei einem Rind nachgewiesen worden. Die Tierseuche befällt neben Rindern und Schafen auch Ziegen. Schlachttiere, die sich infizieren, müssen unmittelbar geschlachtet werden.

An der Blauzungenkrankheit erkrankte Zuchttiere (wie Schafe und Ziegen) müssen tierärztlich versorgt und geimpft werden. Gegen die Blauzungenkrankheit Stereotyp 3 stehe laut Bundesministerium für Landwirtschaft zwar noch kein geeigneter zugelassener Impfstoff zur Verfügung, es sei jedoch mittels einer Eilverordnung eine vorbeugende Impfung zum Schutz der Tiere vor einem schweren und tödlichen Krankheitsverlauf und zur Reduzierung des Risikos der Verbreitung gestattet. Die Impfung immunisiert die Tiere für etwa ein Jahr gegen die Tierseuche.

Der Landkreis Fulda weist in einer Pressemitteilung daraufhin, dass Hessen durch die Fälle der Tierseuche den sogenannten BTV-Status verliert. Dadurch dürfen keine Tiere mehr aus Hessen in seuchenfreie Regionen innerhalb der EU und nicht in angrenzende Bundesländer gebracht werden. (Christopher Hess) +++

Sebastian Schramm, Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes Fulda-Hünfeld
Archivfoto: O|N
Die Bekämpfung der Tierseuche bestimmt derzeit den Alltag Keidels
Symbolfoto: pixabay

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