Johannes Schäfer beim Ötztaler Radmarathon

Hinauf in die Bergwelt, rein in die Weltspitze - nur eine Kleinigkeit fehlt

Start und Ziel des Ötztaler Radmarathons: Sölden.
O|N-Archivfoto

19.10.2024 / LAUTERBACH - Es ist müßig, die Leistung der Sportler aus Osthessen zu bewerten oder gar miteinander zu vergleichen. Dieser hier hält jedem Vergleich stand. Gemeint ist der Lauterbacher Johannes Schäfer. Vor gut einem Jahr entschied er sich, sich als Radsportler der Weltspitze der Alpenmarathons zu nähern. Und das gelingt ihm auf beeindruckende Weise. Beim Ötztaler Radmarathon landete er kürzlich auf Rang 19 - und nur ein Erfahrungswert hinderte ihn an einer Platzierung in den Top Ten. In der Weltspitze. OSTHESSEN|NEWS erzählt seine Geschichte. Lassen Sie sich entführen in die Welt der Alpen.

Der Ötztaler Radmarathon findet jährlich Anfang September statt und führt gut 4.000 Teilnehmer auf einer Streckenlänge von 227 Kilometern und 5.500 Höhenmetern über die Alpen. Das Rennen gilt als extrem schwierig. Er führt über vier Alpenpässe: den Kühtaisattel (2.017 Meter Meereshöhe), den Brenner (1.374 Meter), den Jaufenpass (2.094 Meter) und das Timmelsjoch (2.474 Meter). Start und Ziel ist in Sölden (1.377 Meter).

"Das war schon der Saison-Höhepunkt", sagt Johannes Schäfer Tage danach. "Worauf du dich ein Jahr vorbereitet hast. Das ist das eine - und der Tag, wenn der Wettkampf, wenn der Ötzi dann gekommen ist, das andere." Und in einer ersten Rückschau, die auch eine Bewertung seiner Leistung ist, schiebt er nach. "Es ist bilderbuchmäßig gelaufen und alles eingetreten, was wir vorhatten." Das einzige Pacing - der einzige Plan - sei es gewesen, an der Spitze mitzufahren.

Ein annehmbarer Einstieg - bis auf 2.000 Meter Höhe

Kühtaisattel: Ein zu Beginn annehmbarer Ein- und Aufstieg - immerhin auf über 2.000 Meter Höhe. Es galt, mit und an der Spitze über den Berg zu fahren. "Es war noch ein großes Fahrerfeld", erinnert sich Johannes, "das Tempo war nicht so hoch gewesen, deutlich langsamer als im Vorjahr". Bei der Abfahrt wurde das Feld etwas kleiner - und es hatte sich geteilt. Das Wichtige: Johannes war vorne mit dabei.

Brenner: Das Tempo ist auch hier sehr eingeschlafen. So liefen die zerteilten Gruppen vom Kühtai am Brenner wieder zusammen. Da das Rennen erst am Jaufen richtig losgeht, heißt es hier, Nerven zu bewahren und abzuwarten. Auch Janine Meyer, die führende Frau, schloss auf. Johannes kennt sie gut. "Sie ist nicht zu unterschätzen und aktuell die beste Frau, die es bei den Alpenmarathons gibt. Wir trainieren zusammen im Winter-Trainingslager auf Cran Canaria."

Jaufenpass: "Da geht das Rennen erst richtig los", ist nicht nur Johannes' Wahrnehmung. Und der Lauterbacher spielte mit im Konzert der Großen. Im Konzert der Weltspitze. "Vorne ist eine Gruppe von 17 Leuten hochgefahren. Und ich war dabei", war er stolz auf sich und mit sich im Reinen. Der Kanadier Jack Burck, der den "Ötzi" vor zwei Jahren gewonnen hatte, startete hier seine Soloflucht zum Sieg und setzte hier seine entscheidende Attacke.

"Du bist die ganze Zeit fokussiert. Man darf sich keinen Fehler erlauben"

"Dann kam eines meiner großen Hindernisse", sagte Johannes. "Will man an der Spitze mithalten, muss man sehr gut bergab fahren können. Sonst verliert man viel Zeit." Johannes war vorne mit dabei. Unten angekommen, war es die viertbeste Abfahrtszeit des Tages. Sein Gefühlsleben spricht Bände, Emotionen gehen spazieren, wenn er sagt: "Du springst von Kurve zu Kurve in einem sehr hohen Tempo, bist die ganze Zeit fokussiert. Denn man darf sich keinen Fehler erlauben. Neben dir geht es entweder weit bergab oder dicht neben dir steht eine große Felswand. Das schon krass."

Runter nach St. Leonhard - in der Spitze dabei

Sprung nach unten: In St. Leonhard war der Lauterbacher als einer der ersten angekommen. Und diese Wahrnehmung, diese Wahrheit, sollte sich Johannes Schäfer vielleicht einrahmen: "Wir waren zu viert. Wir setzten uns bergab aus unserer Gruppe ab." Doch das war es noch nicht mit dem Ötzi.

Timmelsjoch: Der höchste Berg, der höchste Pass des Ötztaler Radmarathons stand noch bevor. Johannes durfte stolz sein, und so fühlte er sich: Die Drei an seiner Seite hatten den Ötzi schon mal gewonnen. Dass er dort mitfahren und sich behaupten konnte - das war auch sein großes Ziel. Alle vier Fahrer wechselten sich in der Führung ab. Doch was Johannes Schäfer jetzt widerfuhr, das war kein Spaß. Es schmeckte bitter. Und es fühlte sich nicht schön an. "Auf einmal war die Kraft weg. Hinterher stellte sich fest, dass ich am Jaufenpass zu wenig zu mir genommen hatte." An Verpflegung.

"An sich ist es eher eine Kleinigkeit. Daraus lernt man", versuchte der Lauterbacher die Dinge mit etwas Abstand einzuordnen. Und er wusste natürlich, nein, er saugte etwas förmlich in sich auf: "Es ist einfach nur fatal, es zu vergessen und nicht daran zu denken. Das war es in der Tat. "Ich hatte mich noch sehr gut gefühlt bis zu dem Moment, als es passierte." Es schmerzte ihn schon, als er wahrnahm: "Es ist einfach nur bitter, wenn die anderen an die vorbeifahren und du Platz für Platz nach hinten fällst."

Bittere Momente. Bewegende Momente eines Spitzensportlers aus Osthessen

Bittere Momente eines Sportlers. Aber wenn man es weiß, woraus man lernen muss und man dazu bereit ist, geht man eine neue Herausforderung an. Und Johannes Schäfer ist aus diesem Holz geschnitzt. Und das naheliegend Positive. Johannes fand wieder einen flüssigen Tritt, "du musst die Ruhe bewahren", dachte er sich, "du musst das Bestmögliche aus der Situation machen. Er musste ja noch den Berg hoch. Und die Abfahrt ins Ziel fahren.

Die Gedanken, jetzt reißt du dir das ganze Jahr den Arsch auf, bereitest dich so lange und mit solchem Input, mit solchen Anstrengungen vor, dauerten nur kurz. Johannes Schäfer nahm den Ausgang halt so hin, wie er war. "Das Ziel war hochgesteckt - und es sollte eínfach nicht sein." Die 7-Stunden-Marke wollte er erreichen, wollte 15 Minuten schneller sein als im Vorjahr, da waren es 7 Stunden 32.


Die sieben Stunden schaffte er nicht ganz, bei 7:15,38 blieb die Uhr stehen. "Es ist natürlich schade, dass ich mein Ziel nicht erreicht habe. Aber es war realistisch. Und es war grundsätzlich eine krasse Leistung, die nicht viele schaffen." Für Johannes Schäfer ist es nicht mehr weit bis zum Gipfel. Und im Ziel angekommen, warteten auf Johannes Freunde und Familie. "Es ist einfach unbezahlbar, wenn man ins Ziel kommt und dort schon erwartet wird. Aber auch auf der Strecke standen vereinzelt Freunde und auch meine Freundin, was das Leiden im Rennen nochmal deutlich leichter macht."

Velolease gewinnt die Teamwertung

Und am Ende sagte er sich: "Der Weg war richtig. Und die Investitionen. An sich hat der Leistungszustand dazu gereicht, um vorne mitzufahren." Bewegende Momente. Bewegende Aussagen eines Spitzensportlers aus Osthessen. (wk)

Teamwertung: Die schnellsten fünf Fahrer aus einem Team werden gewertet. Ihre Zeiten werden addiert. Johannes Schäfer war der Schnellste seines Teams velolease, das die Gesamtwertung gewann. Darunter auch ein weiterer Osthesse: Sebastian Stöhr aus Antrifttal im Vogelsberg, der ebenfalls unter die Top 100 mit einer Zeit unter acht Stunden fuhr. +++

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