In der Welt der Bücher
Ein altes Manuskript, das der Heilige Bonifatius selbst in Händen hielt
Fotos: Christopher Göbel
10.09.2024 / FULDA -
Dr. Alessandra Sorbello Staub liebt ihren Beruf. Das bemerkt man sofort, wenn man sie über ihren Wirkungskreis, die Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars, sprechen hört. Etwas versteckt neben dem Dom ist die Bibliothek der Theologischen Fakultät Fulda beheimatet, direkt an den Dom grenzend. Im Bestand hat die Bibliothek auch ein Manuskript aus der Zeit des Heiligen Bonifatius.
Seit 2011 ist Dr. Alessandra Sorbello Staub Leiterin der Bibliothek. "Diese Arbeit hier ist für mich eine Herzensangelegenheit", so die studierte Mediävistin, Expertin für das Mittelalter. Nach ihrem Studium der Germanistik, Anglistik, Romanistik, Mittellateinischen Philologie, Geschichte und historischen Hilfswissenschaften in Catania, Freiburg im Breisgau, Bonn und Würzburg promovierte sie 1998 in Würzburg mit einer Arbeit über mittelalterliche Fachliteratur. Zudem ist sie Mitglied in mehreren Bibliotheksverbänden und Verfasserin einiger Publikationen.
Direkter Blick in den Dom
"Meine Arbeit hier ist vielfältig", so die gebürtige Sizilianerin im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS im Hrabanus-Maurus-Saal der Bibliothek. Der Raum wirkt erhaben - und er hat ein kleines Geheimnis: Über ein Fenster ist der Saal direkt mit dem Fuldaer Dom St. Salvator verbunden. "Das Fenster liegt direkt über der Sakristei des Doms. Hier konnten Mönche, die nicht gut zu Fuß waren, die Messen mithören", erzählt Sorbello Staub. "Ein Stück Kulturerbe"
Die Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars wurde im Jahr 1572 gegründet. Heute umfasst der Bestand neben den rund 350.000 Bänden etwa 40.000 Handschriften, Urkunden und alte Drucke. Eines der wertvollsten Dokumente stammt aus dem 8. Jahrhundert: "Ich gehe davon aus, dass Bonifatius selbst dieses Schriftstück in den Händen gehalten hat", sagt Sorbello Staub. "Wir betreuen hier ein Stück Kulturerbe. Dazu erhalten wir auch Förderungen von Bund und Land für die Restaurierung alter Dokumente", sagt die Leiterin. Forscher aus der ganzen Welt zu Gast
"Fulda war in der Karolingerzeit ein weitaus bedeutenderer Standort als heute. Die Stadt hat in der Karl-der-Große-Liga gespielt", so die Bibliotheks-Leiterin. Damals seien zahlreiche Studierende in die Domstadt gekommen, um hier theologisch ausgebildet zu werden. "Man kann es mit Harvard oder Oxford heutzutage vergleichen." Und auch heute kommen Forscher aus der ganzen Welt nach Fulda, um hier zu recherchieren. "Wir hatten schon Interessierte aus den USA, Irland, Italien Polen und vielen weiteren Ländern hier", so Sorbello Staub. Rund 11.000 Menschen nehmen die Dienste der Bibliothek pro Jahr in Anspruch.Neben der Fachliteratur - größtenteils naturgemäß über die katholische Kirche - hält die Bibliothek aber auch aktuelle Belletristik, Zeitschriften und moderne Lehrwerke vor. Schmerzlich sind für die Expertin Vorgänge wie der Verkauf der Franziskaner-Bibliothek vom Fuldaer Frauenberg nach Sachsen. "Es ist schade, dass man zu keiner anderen Einigung hat kommen können", findet sie. Bisher sei nur ein kleiner Teil des Bestands von der Stadt Fulda zurückgekauft worden.
"Wir sind eine lebendige Bibliothek"
Neben ihrer Aufgabe der Bestands-Pflege und Forschung lädt Alessandra Sorbello Staub zu zahlreichen Führungen durch die Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars ein. Damit möchte sie zeigen, dass "wir eine lebendige Bibliothek sind und nicht nur 'museal' genutzt werden wollen", sagt die Leiterin. Auch mit Schulen arbeite man zusammen. "Unsere Besonderheit ist die Kompetenz des Altbestandes. Wir arbeiten als Türöffner für die Geschichte Fuldas. Die Stadt kann man nur im Zusammenhang mit der Kirchengeschichte verstehen", konstatiert Dr. Alessandra Sorbello Staub. (Christopher Göbel) +++