Täglich ausgelastete ZNA am Klinikum (2)

Patienten sind oft verzweifelt - "Es gibt wirklich harte Tage in der Notaufnahme"

Klinikumsvorstand Dr. Thomas Menzel, ZNA-Chefin Sauthoff und O|N-Arzt Adrian Böhm
Fotos: Christian P. Stadtfeld

23.09.2024 / REGION - Zu den wiederkehrenden Patienten in der Zentralen Notaufnahme des Klinikums Fulda gehören unter anderem alkoholkranke Menschen, die häufig in hilflosem Zustand eingeliefert werden. Auch wenn man über ihren Hang zur Selbstzerstörung verzweifeln könnte, gilt es, sie bestmöglich zu versorgen. Und auch diejenigen, die trotz bester Gesundheit fest davon überzeugt sind, eine schlimme Krankheit zu haben, kosten die Mediziner Zeit und Nerven. Aber jeder Patient hat das Anrecht darauf, gehört, ernst genommen und optimal behandelt zu werden.


Sabrina Sauthoff, Fachärztin für Innere Medizin und Klinikdirektorin der ZNA, sowie Klinikum-Vorstand Dr. Thomas Menzel sprechen über die Tätigkeit in der ZNA und die Herausforderungen der Notfallmedizin dieser Tage. (Teil 1 finden Sie hier)

"Unser Team ist sich jederzeit der großen Verantwortung gegenüber jedem Patienten bewusst. Die Notaufnahme ist ein hektischer und stressiger Arbeitsort. Gleichzeitig wollen wir für unsere Patienten eine gute Medizin machen." Sauthoff arbeitet mit den anderen Ärzten auf Augenhöhe zusammen und bringt keine Allüren mit. Das schätzen ihre Kollegen sehr. "Notaufnahme muss man wollen, denn es gibt auch harte Tage, an denen es keinen Spaß macht."

Bundesweit einmalig: Doppelspitze aus ZNA-Pfleger und Ärztin

Eine Besonderheit, die bundesweit ihresgleichen sucht, ist die Doppelspitze. Die ZNA am Klinikum wird von Sauthoff als Ärztin und von Dittmar Happel als Fachkrankenpfleger für Funktionsdienste und ZNA-Manager interprofessionell geleitet. "Die ZNA ist räumlich begrenzt. Leider kommt es durch den bestehenden Mangel an Pflegepersonal immer wieder zu Bettenschließungen im Haus. Gibt es keinen Abfluss der Patienten, staut sich alles in der ZNA." Dabei handelt es sich laut Sabrina Sauthoff um ein bundesweites Problem.

Dr. Menzel merkt an, dass man im Klinikum im Pflegemanagement klare Strukturen und Abläufe geschaffen hat, um den Abfluss zu gewährleisten. Zudem habe man in der ZNA die bereits erwähnte Aufnahmestation eingerichtet, um solche Situationen zu überbrücken.

Bei der Krankenhausstrukturreform ist Menzel Experte:"Wir brauchen die Reform. Insbesondere die Finanzierung der Vorhaltung in Form von Vorhaltepauschalen ist ein wichtiges Thema bei den neuen Planungen. Damit sollen Mengenanreize aus dem System genommen werden. Eine hauptamtliche Feuerwehr ist ja auch immer besetzt und wird bezahlt, auch wenn es nicht brennt. Hinzukommen neue Versorgungslevel, die Auskunft über die Leitungsfähigkeit des Krankenhauses geben."

In der öffentlichen Debatte wird immer wieder über einen überlasteten ambulanten Sektor gesprochen. "Die Patienten, die wir sehen, sind oft verzweifelt. Sie bekommen ambulant kaum noch Termine. Zudem haben viele keinen Hausarzt mehr, denn der hat zugemacht oder nimmt niemanden mehr auf. Auch Menschen mit Migrationshintergrund leiden unter der Situation. Ambulant sind bei den praktizierenden Hausärzten durch die vielen Patienten irgendwann auch die Kapazitäten erschöpft, und dann weisen sie die Patienten in die Klinik ein. Das ist ein riesiges Problem. Wir haben glücklicherweise einen guten Austausch mit den niedergelassenen Ärzten über das GNO und auch mit weiteren Kollegen. Zudem gibt es Partnerpraxen und den kurzen Dienstweg – viele Niedergelassene haben ihre Ausbildung in unserem Haus absolviert. Auch mit dem Palliativnetz arbeiten wir eng zusammen." Sauthoff weiß, dass die akute Hilfe oft aus einer Anbindung und Vermittlung besteht. Dazu zählt auch das an das Klinikum angebundene MVZ, das Patienten ambulant betreut.

Mit ihrem Team sieht sich Sauthoff gut für die Zukunft gewappnet. Man habe in der Ärzteschaft eine Quote von 90 Prozent mit der Zusatzqualifizierung "Klinische Akut- und Notfallmedizin". Mit einem eigenen Facharzt für Notfallmedizin, den die Deutsche Gesellschaft für Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin seit Jahren fordert, rechnet Sauthoff in nächster Zeit nicht. "Der Facharzt wäre extrem wichtig für uns. In Deutschland fehlt noch der politische Rückhalt für Notfallmediziner. Auch im Krankenhaus musste ich da häufig erklären, was wir in der ZNA täglich leisten." Menzel ist zuversichtlicher: "Aus meiner Sicht ist der Facharzt für Notfallmedizin der nächste logische Schritt. Andere Andere Länder machen es vor, wie es geht. In Deutschland steht hier noch viel Standesdenken im Weg." Abschließend hat Menzel noch ein Lob für Klinikdirektorin Sauthoff parat: "Frau Sauthoff ist eine hervorragende Ärztin und noch viel wichtiger: Sie ist eine wahre Diplomatin, die mit jedem kollegial und respektvoll umgeht und dabei ihr Know-how perfekt einzusetzen weiß." (Adrian Böhm) +++

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