"Höcke ist ein Rassist"
Ex-MP Volker Bouffier zur Thüringen-Wahl: "Ziemlich verrissene Situation"
Volker Bouffier (72), Christdemokrat und ehemaliger Ministerpräsident von Hessen, blickt mit Sorge auf die Thüringen-Wahl am 1. September 2024. "Es wird sehr schwer sein, eine stabile demokratische Regierung auf die Beine zu stellen."
Fotos: Hendrik Urbin
01.09.2024 / FULDA -
"Wahlkampf an Hecken und Zäunen - bis zum letzten Tag, so wie in Zeiten von Alfred Dregger. Es geht um jede Stimme und die Menschen müssen merken, dass wir als Union bei ihnen sind." Volker Bouffier (72), Christdemokrat und ehemaliger Ministerpräsident von Hessen, blickt mit Sorge auf die Thüringen-Wahl am 1. September 2024. "Es wird sehr schwer sein, eine stabile demokratische Regierung auf die Beine zu stellen." Ziel der CDU sei es natürlich, eine Koalition anzuführen, "aber es braucht Partner".
"Weder die AfD noch die BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht, d. Red.) sind ernsthaft in der Lage, irgendein einziges Problem zu lösen. Meine Sorge ist aber, dass dies viele Menschen gar nicht interessiert", macht Bouffier im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS deutlich und warnt vor einer Zusammenarbeit mit der AfD, denn Spitzenkandidat "Höcke ist ein Rassist". Den Begriff Brandmauer mag der CDU-Politiker aber nicht. "Grundsätzlich gilt: Mit der AfD geht nichts! Selbstverständlich geht man mit denen keine Koalition ein. Es kann aber durchaus sein, dass man eine politische Initiative macht und sich die AfD dann anschließt und mitstimmt. Dann kann dann natürlich nicht die Logik sein, dass man gute Politik stoppt und gar nichts mehr macht. Das wäre falsch und deshalb spreche ich nicht gerne von einer Brandmauer."
Laut dem aktuellen Thüringen-Trend von ARD/Infratest Dimap lag im August 2024 in Thüringen die AfD bei 30 Prozent (+2 Prozentpunkt im Vergleich zur Juni-Umfrage), die CDU bei 23 Prozent (+/-0), das BSW bei 17 Prozent (-4), die Linke bei 13 Prozent (+2), die SPD bei 7 (+/-0) Prozent (-2), die Grünen bei 3 Prozent (-1). Die FDP lag unter 3 Prozent und würde nicht wieder in den Landtag einziehen.
"Die Regierungsbildung wird eine ziemlich verrissene Situation", prognostiziert Volker Bouffier, den O|N während seines Fulda-Besuchs kürzlich im Romantik-Hotel 'Goldener Karpfen' getroffen hat. Zu Thüringen mit rund 2,1 Mio. Einwohnern habe der ehemalige Landesvater (von 2010 bis 2022 Hessischer Ministerpräsident, d. Red.) immer ein "unglaublich enges Verhältnis gehabt", sagt der 72-Jährige. "Es ist schade, dass politische Stabilität der Demokraten so schwierig herzustellen ist."
"Wahlen im Osten werden Auswirkungen haben - auch auf die Ampel"
Das Thema BSW kommentiert Bouffier mit der Frage: "Wer ist dieses Bündnis eigentlich? Sahra Wagenknecht und bundesweit 200 Mitglieder. Sie wettern beispielsweise gegen die Ukraine und schwadronieren von Friedensverhandlungen, das alles hat aber weder etwas mit Sachsen noch mit Thüringen noch mit Brandenburg zu tun." Sachsen wählt auch am Sonntag, 1. September. "Ich gehe davon aus, dass die amtierende Regierung von Michael Kretschmer weiter regieren kann. Beide Wahlen im Osten Deutschlands werden aber weit über die jeweiligen Länder hinaus Auswirkungen haben - auch auf die Ampel-Regierung in Berlin", ist sich der Alt-MP, der bis 2022 auch stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU Deutschlands war, sicher. Für die Union sei es wichtig, dass "wir uns nicht zerreißen zwischen BSW und Linkspartei". Die SPD stellt den Kanzler und habe eine Zustimmung in der Bevölkerung, die so schlecht sei wie seit 50 Jahren nicht mehr. "Wie ich die Ampel einschätze, wird es aus Berlin heißen: Wir machen mal weiter, denn das sind alles landespolitische Themen."
Bouffier betont nochmals: "Thüringen geht es nicht schlecht, aber die Wahl wird vor Ort entschieden und deshalb ist es wichtig, dass Mario Voigt und die CDU bis zur Schließung der Wahllokale am Sonntag um 18 Uhr kämpfen. Ich habe die Hoffnung, dass die AfD nicht ganz so stark wird, wie in den Umfragen." Und damit hofft nicht der MP das, was viele denken: Vernunft sollte vor Protest stehen. (Christian P. Stadtfeld) +++