Der Stadtpfarrer bei O|N
Der Sargenzeller Früchteteppich 2024 – Der Turmbau zu Babel
Archivfoto: O|N/ Hendrik Urbin
07.09.2024 / FULDA -
Es gibt in der Bibel eine Geschichte, die uns vom Verstehen und Missverstehen erzählt: Die Geschichte vom Turmbau zu Babel. Sie gehört mit zu den bekanntesten biblischen Erzählungen überhaupt (Gen. 11,1-9). In Genesis 11 wird von einer Menschheit erzählt, die ein einziges Volk ist, eine gemeinsame Sprache spricht und große Pläne realisieren will: Mit Energie und Fantasie wollen sie einen gewaltigen Turm bauen, der bis zum Himmel geht – ein Bild für ihr Bemühen, es Gott gleich zu tun. Doch Gott verwirrt ihre Sprache und verhindert so das Projekt. Die Geschichte besagt eigentlich: Wenn die Menschen alle eine Sprache sprechen würden, dann hätten sie eine große Kraft. Das geht uns heute noch an: Viele sprechen zwar auf der ganzen Welt englisch, das ist aber kein Garant dafür, dass sie sich wirklich verstehen. Und auch im gleichen Land sprechen die Menschen verschiedene Sprachen.
Sie reden aneinander vorbei. Das ist die Ursache der Verwirrung. Und wenn die Menschen verwirrt sind, dann lebt jeder für sich. Es geht nichts mehr zusammen. Die Geschichte beginnt eigentlich mit einem großen Traum. Der Traum heißt: "Hier können wir für immer bleiben!" Die Menschen wandern umher und finden einen Ort, an dem sie bleiben wollen. Die Wanderschaft, das Umherziehen, ist zu Ende. Nun beschließen die Menschen: Hier wollen wir bleiben. Hier werden wir gemeinsam eine Stadt und einen Turm errichten. Einen Turm, so hoch, wie es noch nie einen gab. Seine Spitze soll bis in den Himmel reichen. Eigentlich klingt das doch gut.
Angst, nicht gesehen und gehört zu werden
Eigentlich klingt es nach menschlichem Erfindergeist, nach Selbstbewusstsein und danach, was man miteinander erreichen kann. Eigentlich … Doch nun taucht der wirkliche Grund für dieses Großprojekt auf: "Wir wollen uns einen Namen machen, damit wir uns nicht über die ganze Erde zerstreuen" (Gen. 11,4B). Der wirkliche Grund für den Turmbau ist Angst. Angst, nicht gesehen und gehört zu werden. Angst, eben nicht so groß und stark und mächtig zu sein, sondern verstreut und vereinzelt zu werden. Es steckt eine große Angst in den Menschen, nämlich keinen Namen zu haben. Sie streben danach, einen großen, einen berühmten Namen zu haben. Der Turmbau zu Babel ist zum Sinnbild geworden für menschliche Überheblichkeit und Scheitern.Unterschiede akzeptieren und schätzen
Die Globalisierung und die multikulturellen Gesellschaften, in denen wir leben, zeigen, wie wichtig es ist, Unterschiede zu akzeptieren und zu schätzen. Während die Geschichte oft als Strafe Gottes interpretiert wird, kann sie auch als Hinweis darauf verstanden werden, dass große Unternehmungen und Projekte nur durch Zusammenarbeit und gegenseitiges Verständnis erfolgreich sein können. Dies ist in der heutigen Zeit, in der globale Herausforderungen wie Klimawandel und Pandemien gemeinsame Anstrengungen erfordern, besonders relevant. Insgesamt erinnert uns die Geschichte vom Turmbau zu Babel daran, Demut zu bewahren, die Vielfalt der Menschheit zu schätzen und die Bedeutung von Kommunikation und Zusammenarbeit zu erkennen. Besuchen Sie den beeindruckenden Früchteteppich in Sargenzell, der in der alten Kirche bis zum 3. November zu sehen ist. (Stefan Buß) +++Foto: LVM-Versicherungsagentur Manuel Mohr