Wohnungsbedarf und Leerstand
Analyse zeigt: Kreis Fulda muss 1.190 Wohnungen pro Jahr neu bauen
Fotos: Pestel-Institut
22.08.2024 / REGION FD -
Es muss gebaut werden: Bis 2028 braucht der Landkreis Fulda den Neubau von rund 1.190 Wohnungen – und zwar pro Jahr. Diese Wohnungsbau-Prognose für die kommenden vier Jahre hat das Pestel-Institut in einer aktuellen Regional-Analyse zum Wohnungsmarkt ermittelt. "Der Neubau ist notwendig, um das bestehende Defizit – immerhin fehlen im Landkreis Fulda aktuell rund 1.350 Wohnungen – abzubauen: Aber auch, um abgewohnte Wohnungen in alten Häusern nach und nach zu ersetzen. Hier geht es insbesondere um Nachkriegsbauten, bei denen sich eine Sanierung nicht mehr lohnt", sagt Matthias Günther vom Pestel-Institut.
Rund 5.740 Wohnungen ungenutzt
An dem Wohnungsbedarf im Kreis Fulda ändere auch die Zahl leerstehender Wohnungen nichts: Der aktuelle Zensus registriert für den Landkreis Fulda immerhin rund 5.740 Wohnungen, die nicht genutzt werden, so das Pestel-Institut. Das seien 5,2 Prozent vom gesamten Wohnungsbestand im Landkreis. Ein Großteil davon – nämlich rund 3.670 Wohnungen – stehe jedoch schon seit einem Jahr oder länger leer. "Das sind immerhin rund 64 Prozent vom Leerstand. Dabei geht es allerdings oft um Wohnungen, die auch keiner mehr bewohnen kann. Sie müssten vorher komplett – also aufwendig und damit teuer – saniert werden", sagt Matthias Günther.Grundsätzlich sei ein gewisser Wohnungsleerstand aber immer auch notwendig. "Rund 3 Prozent aller Wohnungen, in die sofort jemand einziehen kann, sollten frei sein. Schon allein, um einen Puffer zu haben, damit Umzüge reibungslos laufen können. Und natürlich, um Sanierungen überhaupt machen zu können. Aber es wird nur selten gelingen, Wohnungen, die lange leer stehen, wieder zu aktivieren und an den Markt zu bringen", so das Fazit von Matthias Günther.
Sanierungsstau bei Hauseigentümern
Denn viele Hauseigentümer halten sich nach Beobachtungen des Pestel-Instituts mit einer Sanierung zurück: "In ihren Augen ist eine Sanierung oft auch ein Wagnis. Sie sind verunsichert. Sie wissen nicht, welche Vorschriften – zum Beispiel bei Klimaschutz-Auflagen – wann kommen. Es fehlt einfach die politische Verlässlichkeit. Ein Hin und Her wie beim Heizungsgesetz darf es nicht mehr geben", kritisiert der Leiter des Pestel-Instituts. Außerdem hapere es bei vielen auch am nötigen Geld für eine Sanierung.Aufs Land ziehen ist nicht die Lösung der Wohnungsnot
Das Pestel-Institut hat die Regional-Analyse zum Wohnungsmarkt im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) durchgeführt. Für dessen Präsidentin macht die Untersuchung eines deutlich: "Es ist eine Milchmädchenrechnung, die leerstehenden Wohnungen gegen den aktuellen Bedarf an Wohnungen gegenzurechnen. Das funktioniert so nicht. Politiker, die das gerade versuchen, betreiben Augenwischerei", sagt Katharina Metzger. Sie erteilt damit der Aufforderung von Klara Geywitz (SPD) eine klare Absage. Die Bundesbauministerin hatte zuletzt den Menschen, die eine Wohnung suchen, geraten, aufs Land zu ziehen."Es passiert zu wenig. Und was jetzt passiert, kommt zu spät"
Scharfe Kritik richtet Metzger an den Bund: "Es passiert zu wenig. Und was jetzt passiert, kommt zu spät. Wer 400.000 Neubauwohnungen – darunter 100.000 neu gebaute Sozialwohnungen – im Wahlkampf verspricht und im Koalitionsvertrag festschreibt, der darf nicht erst ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl wach werden." Ohne eine deutlich stärkere staatliche Unterstützung würden weder der notwendige Neubau noch die Sanierungen von Wohnungen im erforderlichen Umfang gelingen.Außerdem kritisiert Metzger gemeinsam mit den Wissenschaftlern vom Pestel-Institut den geplanten Bundeshaushalt für 2025: Darin fehlten dringend notwendige Fördermittel für den Wohnungsneubau – allen voran für den sozialen Wohnungsbau. Der benötigt nach Berechnungen des Pestel-Instituts mindestens 12 Milliarden Euro pro Jahr von Bund und Ländern. Der Bund stelle für 2025 jedoch lediglich 3,5 Milliarden Euro bereit.
Heimische Bundestagsabgeordnete sollen Druck machen
Auch die Perspektive sei schlecht: Bis 2028 wolle die Bundesregierung Sozialwohnungen mit weniger als 22 Milliarden fördern. "Das reicht hinten und vorne nicht. Und es ist ein willkürlich gegriffener Zeitraum, um eine vermeintlich hohe Milliardensumme in den Raum zu stellen. Doch die Wahrheit dahinter ist: Der soziale Wohnungsbau wird bei dieser Bundesregierung auch weiter auf der Strecke bleiben. Das müssen die Menschen den heimischen Bundestagsabgeordneten im Landkreis Fulda jetzt klarmachen. Nur wenn es massiven Druck vor Ort gibt, werden diese und die kommende Bundesregierung begreifen, wie ernst die Lage ist", sagt Katharina Metzger.Aktuell erlebe die Wohnungsbau-Branche "einen regelrechten Absturz". Viele Unternehmen hätten bereits Kapazitäten abbauen müssen. "Die Neubau-Zahlen gehen in den Keller. Mauerstein-Hersteller zum Beispiel schließen Werke. Die Entlassungswelle rollt: Der Bau verliert Beschäftigte – darunter gute Fachkräfte. Dabei ist das das Letzte, was sich Deutschland jetzt erlauben darf", so Katharina Metzger.
"Absturz-Spirale beim Wohnungsneubau"
Die Verbandspräsidentin des Baustoff-Fachhandels warnt gemeinsam mit dem Pestel-Institut vor einer "Absturz-Spirale beim Wohnungsneubau". Die Situation sei fatal: "Wohnungsnot trifft auf Nicht-Wohnungsbau. Diese toxische Entwicklung muss dringend gestoppt werden." Denn Wohnungsmangel schaffe soziale Spannungen. "Wenn sich Menschen wochen- und monatelang um eine neue Wohnung kümmern müssen, dann braut sich da etwas zusammen. Das ist Gift für das soziale Miteinander in der Gesellschaft", so Katharina Metzger. (pm) +++