"Ort gelebter Demokratie"
Frauencafé International und Freiwilligenzentrum sind "eine gute Wahl"
Fotos: Traudi Schlitz
18.08.2024 / ALSFELD -
Seit fast dreißig Jahren versammeln sich im Frauencafé International Frauen aus vielen Nationen einmal wöchentlich zum Frühstück. Damit fördern sie die Demokratie, fanden die Verantwortlichen der Partnerschaften für Demokratie im Vogelsbergkreis und in Alsfeld und steckten den Vorschlag in die Lostrommel, in der sich zahlreiche weiter Vorschläge als "Orte gelebter Demokratie" befanden.
Anlässlich des Freundschaftsfestes im Juni wurden fünf der Einreichungen ausgelost – in Alsfeld waren das Frauencafé und das Freiwilligenzentrum unter den Glücklichen, die nun im Rahmen einer kleinen Sommerreise von Landrat Dr. Jens Mischak, Bürgermeister Stephan Paule und Schirmfrau Johanna Mildner sowie Kristina Eifert und Maria Hoyer von der Partnerschaft für Demokratie im Vogelsbergkreis bzw. in Alsfeld besucht wurden.
Landrat und Bürgermeister würdigen Engagement für Demokratie in Alsfeld
Empfangen wurde die Delegation zunächst in den Räumen des Evangelischen Dekanats Vogelsberg. Dort trifft sich seit fast dreißig Jahren das Frauencafé International, wie Dekanin Dr. Dorette Seibert berichtete. Lore Schreinert, Sprecherin des Frauencafés, begrüßte die Gäste und zeigte sich sehr erfreut über die Auszeichnung. Gemeinsam mit Doris Becher, ebenfalls vom Orga-Team des Frauencafés, blickte sie zum einen zurück auf die Anfänge der Gruppe: 1995 hatte Heidrun Stiehl-Ötztürk das Frauencafé gegründet, um damals den türkischen Frauen eine Anlaufstelle zu bieten. Daraus erwuchs schon bald ein Treffen für Frauen aller Kulturkreise und Religionen, die Freude am Austausch hatten, etwas über Land und Leute erfahren wollten, die vielleicht auch Unterstützung und Zuspruch brauchten. Zeitweise waren Frauen aus 13 Nationen und acht Religionen im Frauencafé anzutreffen. Zum anderen warfen die Frauen anlässlich ihrer Auszeichnung mit den Gästen auch einen Blick auf die Gegenwart: Heute ist die Gruppe nicht mehr ganz so international und mit ihren Mitgliedern auch schon ein wenig in die Jahre gekommen: "Wir wünschen uns durchaus mehr Zuspruch", sagte Schreinert, "denn es wäre schön, wenn diese Alsfelder Institution erhalten bleiben könnte." Ort, an dem Gemeinsamkeit im Vordergrund steht
Nach wie vor bietet sie Frauen jeden Dienstagvormittag eine Anlaufstelle, in der Regel mit einem interessanten Programm, das von Lesungen bis hin zu Besuchen im Klärwerkt oder vom Bewegungskoordinator reicht: "Wir lernen nie aus hier im Frauencafé und wir lernen auch voneinander." Und spätestens hier, wenn nicht schon bei der demokratischen Verfassung der Gruppe, beantwortet sich die Frage nach dem Ort gelebter Demokratie: Das Zusammenkommen mit verschiedenen Kulturen schafft Gesprächsmöglichkeiten, die oftmals einseitige Bilder von anderen geraderücken, aus denen Verständnis für das Tun und Lassen in anderen Ländern erwächst. Gleichzeitig können Migrantinnen viel über Deutschland lernen und ihrerseits Wissen aus ihrer Heimat vermitteln. Ganz wichtig ist für sie, auf Augenhöhe mit allen Frauen zu bleiben – auch dann, wenn sich Situationen als sehr schwierig und nicht einfach zu lösen herausstellen. "Ja, wir sind in mitunter auch eine Art Schutzraum für Frauen, auch wenn der manchmal nur darin besteht, dass Frauen ihre Kopftücher bei uns ablegen", bestätigte Becher.Viel mehr als das ist das Frauencafé aber ein Ort, an dem Gemeinsamkeit im Vordergrund steht. Austausch, gemeinsam Dinge planen und durchführen, sich gegenseitig helfen, wenn beispielsweise krankheitsbedingt eine Notsituation vorfällt. "Hier verlässt jede ihre eigene Bubble und interessiert sich über den Tellerrand hinaus", unterstrich die Dekanin. Ein Angebot, das für viele Frauen gilt. Und das zu einem erschwinglichen Preis: Für das Frühstück, das reihum von wechselnden kleinen Teams vorbereitet wird, wird ein Kostenbeitrag von 3 Euro erhoben. Die meisten der kostenpflichtigen Angebote können aus Fördermitteln bestritten werden, die Dr. Carolin Braatz vom Evangelischen Dekanat einwirbt. Die Referentin für Ökumene und Gesellschaftliche Verantwortung ist im Dekanat die Ansprechpartnerin der Frauen.
"Es ist schön, wenn es wie hier gelingt, Geselliges und Inhaltliches zu verbinden"
Landrat und Bürgermeister zeigten sich sehr angetan von den Aktivitäten im Frauencafé, die auch darauf abzielen, Migrantinnen den Vogelsberg und seine abwechslungsreichen Orte als neue Heimat zu präsentieren. "Es ist schön, wenn es wie hier gelingt, Geselliges und Inhaltliches zu verbinden", sagte Stephan Paule. Ein weiterer Pluspunkt: "Man wird mit offenen Armen empfangen", berichtete Ursula von Jeinsen, die vor wenigen Jahren nach einer langen Zeit in China und Taiwan in Alsfeld gelandet ist und sowohl im Frauencafé als auch im Freiwilligenzentrum zwei Anlaufstellen fand, die sie nicht nur mit ihrer neuen Heimat verbindet, sondern auch vor Einsamkeit bewahrt.Alle per Los ausgewählten und alle weiteren Nominierten dürfen sich noch auf einen festlichen Auszeichnungsabend im Herbst freuen. (pm) +++