Leseabend in der Synagoge Heubach

Ephraim Kishon – der Mann, der Deutschland zum Lachen brachte

Silja Behre stellte ihre Kishon-Biographie vor – Hartmut Zimmermann, der Vorsitzende des Förderkreises der Synagoge Heubach, moderierte
Fotos: Jutta Hamberger

17.08.2024 / REGION - Kaum ein Autor war von den 1960ern bis in die 1980er Jahre erfolgreicher in Deutschland als Ephraim Kishon. 43 Millionen beträgt seine Gesamtauflage, 33 Millionen davon allein in deutscher Sprache. Kishon – geboren in Ungarn. Jude. Verfolgt und deportiert. Nach Israel ausgewandert. Und genau der wird im Land der Täter erfolgreicher als irgendwo sonst auf der Welt.



Leseabend in der Synagoge Heubach

Der Förderverein der Synagoge Heubach hatte zu einer Lesung mit Silja Behre eingeladen, die gerade eine Kishon-Biographie geschrieben hat. Hartmut Zimmermann, der Vorsitzende des Fördervereins der Synagoge Heubach, moderierte die Veranstaltung. Die Synagoge war bis auf den letzten Platz besetzt, die Besucher neugierig auf Silja Behre und ihr Buch "Ephraim Kishon – ein Leben für den Humor". Denn viele dürften ähnliche Erfahrungen gemacht haben: Die Kishon-Bücher standen oder stehen in den Regalen, man hatte das ein oder andere irgendwann gelesen – und Kishon dann vergessen.

Silja Behre begann mit einer Geschichte aus "Arche Noah, Touristenklasse" (1963) – und natürlich stellte sich auch in Heubach der Kishon-Effekt ein: große Heiterkeit im Publikum. Die Geschichte "Ringelspiel" ist aber auch zu komisch, kommt in ihr doch einer Bonbonniere gewissermaßen staatstragende Funktion zu. Wer hätte nicht schon mit Geschenken zu tun gehabt, die man so gar nicht gebrauchen kann und deshalb bei nächstbester Gelegenheit weiterverschenkt? Und wer hätte nicht schon erlebt, dass einen die Rache des ungewollten Geschenks früher oder später einholt und das Ding wieder vor der eigenen Haustür landet? Über den Alltag und seine Absurditäten und über menschliches (Fehl)Verhalten zu schreiben, sei ein Charakteristikum Kishons, so Behre. Er spitze dabei zu und übertreibe, so dass wir uns und unsere Gesellschaft in den Geschichten erkennen und über uns selbst lachen können. Das ist ein fast therapeutischer Aspekt.

Über Ungarn nach Israel, England und Deutschland

Es ist nicht eben eine Selbstverständlichkeit, dass ein jüdischer Autor zum deutschen Erfolgsautor wird. Kishon selbst habe das immer als Ironie der Geschichte gesehen, so Silja Behre. Er habe den Deutschen ein positives Bild des noch jungen Staates Israel vermitteln wollen – gleiches war das Anliegen seines Verlegers. Das Mittel dafür war der Humor.

Wie Kishon nach Deutschland kam, ist eine Reise durch mehrere Sprachen und Länder, gespickt von kleineren und größeren Wundern. Viele der Geschichten, mit denen Kishon später in Deutschland bekannt wurde, hatte er bereits in seinem Geburtsland Ungarn veröffentlicht. Als Kishon nach Israel auswanderte, lernte er Hebräisch und schrieb fortan konsequent in seiner neuen Sprache. Er übersetzte seine ungarischen Geschichten für seine Kolumne in der israelischen Tageszeitung Ma’ariv. Einige wurden auch in der englischsprachigen Jerusalem Post veröffentlicht. Hier las sie Gerhard Bronner und war der Meinung, dieser Autor müsse auch auf Deutsch erscheinen. Er überzeugte seinen Freund und Kollegen Friedrich Torberg. Silja Behre erzählte von der Wette zwischen den beiden, der Verlierer sollte übersetzen. Der Verlierer aber wurde zum Hauptgewinn für Kishon und natürlich für uns Leser. Torberg war ein kongenialer Übersetzer, der den deutschen Kishon ‚erfand‘. Er kannte den deutschen Buchmarkt gut und wusste, was er den Lesern hier zumuten konnte, was er weglassen und was er abmildern musste. Er, Kishon und Verleger Fleissner waren sich einig darin, wie sie die Marke Kishon aufbauen und vermarkten wollten.

Der israelische und der deutsche Kishon

Die heute in Israel lebende Zeithistorikerin Silja Behre stolperte irgendwann über einen ihr unbekannten Kishon. Der israelische Kishon nämlich war ein politischer Autor, dazu ein sehr erfolg- und einflussreicher Theaterregisseur und Filmemacher. Das ist bis heute so: Sein Film "Sallah Shabati" wird jedes Jahr am Yom ha-Atzma’ut, dem Unabhängigkeitstag, in Israel gezeigt. Nicht nur in diesem Stück und Film thematisierte Kishon als einer der ersten den Clash der Kulturen im Einwanderungsland Israel – davon könnten wir in Deutschland einiges lernen!

Zur politischen Seite gehört natürlich die humoristische Seite Kishons, der immer gesagt hat, dass er durch den Holocaust zum Satiriker geworden sei. "Humor war für ihn eine Überlebensstrategie", so Silja Behre. Charlie Chaplin hat das einmal besonders schön in Worte gefasst: "Um wirklich lachen zu können, muss man in der Lage sein, seinen Schmerz zu nehmen und mit ihm zu spielen." Kishon gelang das meisterhaft.

Kishon bringt uns zum Lachen und zum Nachdenken, und er ist dabei alles andere als ein Leichtgewicht oder Verharmloser. Der NS-Terror, die Verfolgung, der Holocaust, die Emigration, die abgerissenen Lebensfäden, die schwierigen Neubeginne und die belastende Vergangenheit – all das findet sich in seinen Erzählungen wieder. Genauso aber auch Israel, dessen Menschen mit ihren Stärken, Schwächen und Schrulligkeiten er uns in seinen Geschichten nahebringt.

Der beste Effekt, den diese Veranstaltung und Silja Behres Buch haben, ist der: Man bekommt richtig Lust auf Kishon! Lesen Sie Kishon, und lesen Sie parallel dazu Silja Behres kluges, hervorragend recherchiertes Buch. Und noch etwas: Was der Förderkreis der Synagoge Heubach leistet, ist bewundernswürdig. Davon können Sie sich bei der nächsten Veranstaltung am 21. September um 19 Uhr überzeugen – "Der Klang des Mondes und die Schönheit der Nacht". Das klingt doch unwiderstehlich, oder? (Jutta Hamberger)+++

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