Kommentar von Staatsanwalt a.D. Harry Wilke

"Offener Cannabiskonsum in der Nähe von Kindern?- Gesetz ist misslungen!"

Cannabiskonsum ist legalisiert worden, aber eben nicht überall.
Symbolbild: pixabay

17.08.2024 / REGION - Der Fuldaer Ex-Staatsanwalt Harry Wilke war jahrzehntelang Dezernent für Betäubungsmittelrecht und ist somit auch Experte für den illegalen Gebrauch von Betäubungsmitteln. Die Diskussion um die Freigabe von Cannabis hat ihn über 20 Jahre seines Berufslebens begleitet. Wilke hält mit seiner Fundamentalkritik am Cannabisgesetz nicht hinter dem Berg - im Gegenteil: In seinem Kommentar beklagt er dessen mangelnde Umsetzung und den gesetzgeberischen Pfusch.



"Endlich ist es da, das von dem kiffenden Teil der Bevölkerung lang ersehnte Cannabis Gesetz. Seit dem 1. April dieses Jahres dürfen Erwachsene in der Öffentlichkeit bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenbedarf mit bei sich haben. Zudem dürfen Erwachsene in ihrer Wohnung bis zu drei Cannabispflanzen anbauen und bis zu 50 Gramm aus der getrockneten Ernte besitzen. Seit dem 1. Juli 2024 dürfen Erwachsene beim zuständigen Amtsgericht einen Verein zum Anbau von Cannabis anmelden und eintragen lassen. Nach erfolgreicher Eintragung können sie dann bei der zuständigen Verwaltungsbehörde einen Antrag auf Zulassung zum Anbau vom Cannabis in einem sogenannten Cannabis-Club, der bis zu 500 Mitglieder haben darf, anmelden. Hierfür gibt das Cannabisgesetz allerdings enorme bürokratische Hürden vor. Diese haben offensichtlich dazu geführt, dass bis heute in Deutschland keine oder nur ganz wenige Cannabis Clubs erfolgreich gegründet wurden. Das bedeutet, dass man zwar Cannabis besitzen, es aber nicht legal erwerben kann. Das freut die Dealer, der Schwarzmarkt, den die Regierung ja bekämpfen will ,blüht nach wie vor.

Die damit bestehenden verwaltungsrechtlichen Probleme hat erst kürzlich der Landrat des Vogelsbergkreises, Dr. Jens Mischak /CDU) zutreffend beschrieben. Offensichtlich bereitet auch die Kontrolle der im Gesetz vorgeschriebenen Bedingungen zum Konsum von Cannabis im öffentlichen Raum, nicht zuletzt wegen ungeklärter Zuständigkeiten, erhebliche Schwierigkeiten. So darf zum Beispiel in der Nähe von Schulen und Kindergärten sowie wie in der Nähe von Kindern und Jugendlichen kein Cannabis konsumiert werden. Der Verstoß hiergegen ist bußgeldbewehrt und kostet in Hessen immerhin 1000 Euro. Doch das wird wohl nur sporadisch oder gar nicht kontrolliert - wie kürzlich das Beispiel des Herzberg-Festivals gezeigt hat. Bekanntlich wird auf dem traditionellen und familienfreundlichen Hippie-Festival seit Jahrzehnten Cannabis konsumiert. Bisher hat das niemanden interessiert, der Konsum wurde stillschweigend geduldet, auch weil der bloße Konsum nach dem alten Betäubungsmittelgesetz nicht strafbar ist.

Mit dem neuen Cannabis Gesetz ist das jedoch nicht vereinbar, da der Konsum in Anwesenheit von Kindern und Jugendlichen Bußgeldbewehrt ist. Wie der örtlichen Presse zu entnehmen war, gab es jedoch keinerlei Vorkommnisse auf dem Festival. Der Presse war ebenfalls zu entnehmen, dass sich auch Polizeibeamte auf dem Festivalgelände befanden. Da auf dem Gelände offen konsumiert wird, müssen den eingesetzten Beamten entweder plötzlich und kollektiv sämtliche Sinne abhandengekommen sein oder man hat bewusst weggeguckt.

Offensichtlich gibt es bis heute keine vernünftige Lösung wie man mit solchen Problemen umgehen soll. Die Ordnungsbehörden wurden von der Politik einfach ins kalte Wasser geschmissen. Nicht dass ich missverstanden werde, ich hatte und habe nichts dagegen, dass auf solchen Festivals Cannabis konsumiert wird, nur ist dies mit dem neuen Cannabis-Gesetz nicht mehr vereinbar. Eine Lösung wie in Bayern, wo auf dem Oktoberfest grundsätzlich ein Cannabisverbot erlassen werden soll, ist natürlich für ein Hippie-Festival keine Lösung. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie misslungen dieses Cannabis Gesetz ist." (Harry Wilke)+++

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