Wenn plötzlich jede Minute zählt
Seit genau einem Jahr gibt es das Projekt "Voraushelfer" im Vogelsberg
Foto: Vogelsbergkreis
15.08.2024 / REGION VB -
Ein schriller Warnton durchbricht die lähmende Stille dieses heißen Sommertages in der Kleingartenkolonie. Uwe G. zuckt zusammen. War das sein Handy? Der Ton ist so anders? Ein kurzer Blick auf das Display genügt und schon springt der junge Mann auf, sprintet los - zu seinem allerersten Einsatz als Voraushelfer im Vogelsbergkreis. Zugegeben: Die Situation um Uwe G. ist frei erfunden, sie hätte sich aber genauso abspielen können an irgendeinem Tag im Vogelsbergkreis. Denn seit genau einem Jahr sind die Voraushelfer im Einsatz, werden immer dann gerufen, wenn ein Patient wiederbelebt werden muss. "Der plötzliche Herztod kann jeden treffen – völlig ohne Vorwarnung. Da muss schnellstens reagiert werden. Jede Minute zählt. Deshalb haben wir das Projekt Voraushelfer am 15. August vergangenen Jahres gestartet", erläutert Rettungsingenieur Martin Gonder, der das Ganze gemeinsam mit Dr. Dennis Humburg, dem ärztlichen Leiter des Rettungsdienstes, initiiert hat und bis heute betreut.
"Rettungsdienstlich sind wir gut aufgestellt, aber der Vogelsbergkreis ist ein Flächenlandkreis, wir haben nun einmal unsere Anfahrtswege", schildert Gonder die Ausgangslage. Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand aber ist die Zeit der alles entscheidende Faktor, "denn schon nach zwei Minuten gehen Gehirnzellen unwiederbringlich verloren", erklärt Dr. Dennis Humburg und schiebt nach: "Es geht ums nackte Überleben, denn mit jeder Minute, in der nicht reanimiert wird, sinken die Chancen des Patienten um zehn Prozent."
Knapp 100mal ist es in den vergangenen zwölf Monaten zu solchen Notfällen und dem Einsatz von Voraushelfern gekommen. Martin Gonder zieht ein positives Fazit: "Das ist schon eine Erfolgsgeschichte." Die aber noch fortgeschrieben werden soll. "Nachdem wir im ersten Schritt vorwiegend Ehrenamtliche aus dem Rettungswesen und den Feuerwehren angesprochen haben, wollen wir jetzt diejenigen für unser Projekt gewinnen, die bislang noch nicht im Rettungswesen tätig waren. Keine Angst und keine Scheu: Wir bilden die Ersthelfer natürlich entsprechend aus", kündigt Martin Gonder an. Wer sich näher informieren und anmelden will, kann das auf der Seite https://www.vogelsbergkreis.de/buerger-service/gefahrenabwehr/zentrale-leitstelle-und-rettungsdienst/voraushelfer/ tun.
Übrigens: Martin Gonder hat noch weitergehende Pläne, er will die Vernetzung der Voraushelfersysteme auch mit anderen Landkreisen. Und er will künftig Defibrillatoren, wie sie zum Beispiel an Dorfgemeinschaftshäusern, am Bahnhof oder am Sportplatz hängen, einsetzen. Zwei Voraushelfer kümmern sich um den Patienten und der dritte Helfer holt den Defibrillator…
Man darf gespannt sein, welche Projekte sich da noch entwickeln im Amt für Gefahrenabwehr in der Vogelsberger Kreisverwaltung. (pm) +++
Foto: Sabine Galle-Schäfer/Vogelsbergkreis